„Varanasi» von Susann Klossek

„…Nach einem kleinen Auffahrunfall, in dessen Zuge sich beide Fahrer sekundenlang anschrien, um dann einfach in verschiedene Richtungen davonzufahren, erreichten wir Assi Ghat am Ufer des Ganges. Ich stieg aus und trat in einen Haufen Kuhscheiße. Ich war angekommen.»

Dieses kleine Intro, irgendwo aus dem Anfang des Buches von Klosseks „Varanasi, Endstation Ganges“, gibt die Tonart vor, in der es von nun an weitergeht. Und das ist großartigster Céline. Denn in seinem Jahrhundertroman „Reise ans Ende der Nacht“ gibt es eine Stelle, in der sein Held Bardamu, den das Schicksal in den Dschungel Afrikas verschlagen hat, den Einbruch der Nacht beschreibt, wie ein gewaltiges Gebrüll und Geschrei der Tiere anhebt, eine Nacht voll „gekrümmter Erektionen“, ein Metzeln und Jagen, und Bardamu all dies mit einem einzigen Satz kommentiert: „Das war etwas für mich, der ich die freie Natur nicht ausstehen konnte!»

Das ist komisch. Höllisch, schmerzlich, und noch mal komisch. Das eine wie das andere. Und deswegen ist Susann Klossek meine Heroine.

Zum Inhalt von „Varanasi“ muss man nicht viel sagen: Der Gewinn eines Literaturstipendium bringt die Autorin (1966 in Leipzig geboren, seit 1990 in der Nähe von Zürich wohnhaft) in das Alice Bonner Institut in Varanasi vulgo Benares, der heiligsten Stadt Indiens.
Das war es schon. Das ist wenig genug, aber gleichzeitig auch schon zuviel, gemäß dem Rock’n’Roll Motto: Too much is not enough! Niemals genug Lärm, niemals genug Menschen, niemals genug Armut, niemals genug Schmutz, Dreck, Tod, Kuhscheiße; niemals genug Genug.

Der spendierte Aufenthalt erweist sich als „une saison en enfer“, eine Zeit in der Hölle, die Frau Klossek mit  Stärke, viel Verständnis, und getragen von mächtigem Humor durchlebt, und die Wochen in dieser irren Stadt in große, warmherzige Literatur verwandelt.

Ich habe in letzter Zeit (und diese letzte Zeit ist nicht klein), in deutscher Sprache nicht annähernd großartiges zu lesen bekommen, wie dieses schlanke Werk von Susann Klossek.
Ich verneige mich.

Susann Klossek
VARANASI
Endstation Ganges

Freiraum Verlag
€ 14,95  /sfr. 18,95
Überall zu beziehen wo es Bücher gibt
oder bei der Autorin:

http://nichtsundwiedernichts.blogspot.com

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