Die Knallbar Diaries (7)

Moss gibt keine Ruhe. Er will nicht verstehen, dass das Exposée ein Exposée ist, und kein endgültiges Treatment. Er ruft mich an und bombardiert mich mit seinen melodramatischen Szenen -und Ausschmückungsideen. Ich sage ihm nicht, dass die ganze Filmidee Mist ist. Vielleicht ahnt er es. Aber er wagt nicht, es auszusprechen. Ich geh zum Schein auf seine Vorschläge ein. Einer – und von dem ist er absolut überzeugt – ist, dass Feisal eigentlich in Hans verliebt ist, und da dies einfach unmöglich ist, er sterben will.

Na gut Moss, sage ich, weißt du übrigens, dass der Name Moss, der Name des Protagonisten von „No Country for old Men“ ist?
Wusste er natürlich nicht. Wer weiß denn sowas. Ich versuche ihn mit vorgespieltem Gehorsam abzuspeisen. Aber er glaubt mir nicht. Würd ich auch nicht. Wie Goethe schon sagte: „Freund, wer ein Lump ist, bleibt ein Lump, zu Wagen, zu Pferde, und Fuße. Drum glaub an keinen Lumpen je, an keines Lumpen Buße.»

Ja, Goethe. Hat da einen Holperer drin, der Herr Geheimrat, für mich gehört da ein „zu“ vor „Fuße“. Wär eleganter. Aber auch Goethe konnte mal danebenlangen.

Meinen Lieblingsbettler lange nicht gesehen. Wollt ihm den Huni in die Pappe stopfen. Frage mich nun, wie Bettler wohl sterben? Und wo? Wohl nicht im Spital.
Hoffe, er ist okay. Ich denke an Henry Miller, der dem blinden Bettler vor seinem Haus, die Kohle aus der Büchse geklaut hat, als er wieder mal superpleite war und mit Mara (June) ausgehen wollte. Hat mir imponiert. So eine Unverfrorenheit.

Lese ein wenig in meinem neuen Roman-Typos rum. Deprimierend schlecht. Öffne schnell die Banksite und starre 7 Minuten auf meinen Kontostand. Dann gehts wieder…

Die Knallbar Diaries (6)

Für die, die mich noch nicht kennen – viele dürften es nicht mehr sein -: Mein Name ist Lew-André Knallbar. Beruf: (seit neustem) Bestseller-Autor. Verheiratet. Ja, Kinder.

Moss ruft an. Noch bevor ich meine Zähne nicht geputzt, nicht geduscht und auch nicht gefrühstückt habe. Familie ist aus’m Haus. So hab ich Zeit all die Dinge nicht zu tun, die ich tun sollte. Mit Moss sprechen, zum Beispiel.
Ausnahmsweise fragt er nicht nach dem Roman, denn er hat sich gestern mit dem Produzenten G. getroffen, und der wäre, so flötet Moss in mein Ohr, entzückt, wenn er mein Exposée endlich lesen könnte. Das ist eine kaum verhohlene Drohung. Aber ich lasse mir nicht drohen. Macht euren Scheiß alleine, sag ich zu Moss.
Aber ich habe gearbeitet. Das sag ich ihm noch nicht. Ich hab das Expo. Er stöhnt gequält auf.
Ich erlöse ihn. Jetzt stöhnt er erleichtertet auf. Als wäre ihm einer in die Buxe abgegangen.
Also, fange ich an, der Hans hat es geschafft sich im Tropenhaus des Zoos einsperren zu lassen. Hat sich unter einer Bank versteckt. Zusammengekauert, in dieser feuchten Hitze hat er abgewartet, bis alles ruhig war, und vor allem dunkel, und hat sich dann auf den Weg zum Affenhaus, zum Schorsch, gemacht. Na ja. Nun beginnen die Schwierigkeiten.  Die erste ist: Das verdammte Tropenhaus ist abgeschlossen und er kommt nicht raus. Verstehst du, Moss, jetzt fängts an, jetzt dringt er vor zur Höhle, laut Vogler, du weißt schon, jetzt muss er Prüfungen bestehen, Prüfungen, en masse. Verschlossene Türen, erschreckende und gefährliche Begegnungen mit Tieren, mit Raubtieren und all som Zeuch. Also ich wills mal so sagen, ohne jetzt ins Detail zu gehen: Dem Hansen geht voll der Reis, bis er endlich, endlich im Affenhaus ist und mit dem Brecheisen Schorschens Käfig erbricht. Erbricht, hast gehört, Moss. Tolles, altes Wort, werd s öfter verwenden. Also: Der Käfig ist offen und Schorsch, der olle Schimpanse rast heran, aber nicht aus Liebe und Freude über die Befreiung, nein, der greift den Hans an, wie so’n Scheißpavian oder was, beißt ihm ins Gesicht, bricht ihm einen Arm und reißt ihm den anderen aus dem Gelenk und verschwindet in der Nacht.
Hans liegt da, im leeren Käfig, blutend, verletzt, physisch und seelisch, und der Schorsch ist irgendwo und bald öffnet der Zoo und Feisal wird kommen, sein Attentat zu machen. Hans verliert das Bewusstsein, und so findet ihn der Affenwärter, Mischa.
Der ruft einen Krankenwagen, sucht nach Schorsch, der inzwischen einen Kaiserpinguin vergewaltigt hat und sich gerade mit Pedro dem Seelöwenmännchen ein Schreiduell liefert. Mischa veranlasst, dass der Zoo geschlossen bleibt, denn der Schorsch lässt sich nicht festsetzen und mischt den ganzen Zoo auf. Du siehst, Moss, voll Action, ich meine, das ließe sich ausbauen, so dass die ganze Familie was davon hat, verstehst du? Trotz der ganzen Dramatik auch komisch. Jedenfalls Hans kommt ins Spital, der Zoo bleibt zu und Feisal steht mit seinem Sprengstoffgürtel vor verschlossenen Toren, erfährt was geschehen ist und das Hans im Spital ist.
Der Feisal ist voll drauf, ich meine, der hat sich wie ein Todeskandidat vorbereitet, kennt Stunde und Ort seines Ablebens und jetzt soll plötzlich nichts sein? Das geht nicht. Er fährt ins Spital zu Hans und jagt sich neben dem Krankenbett in die Luft. Ende. Fin. The end. Was sagst?

Moss sagte nichts. Wir waren getrennt worden. Jetzt muss ich den ganzen Mist noch mal aufsagen.
Dass Moss vielleicht absichtlich aufgelegt hatte, auf diese Idee kam ich erst später…