Die Knallbar Diaries (10)

Manchmal beschleicht mich die Ahnung, dass es Dinge auf dieser Welt geben könnte – schlimme Dinge –  die eine Sitzung mit den Zahlen meines Kontostandes nicht behoben werden können. Das ist beunruhigend. Einerseits. Andererseits – ist es mir egal.

Heute, auf meinem Morgenrundgang, stopfte ich meinem Lieblingsbettler endlich den Huni in seinen verdreckten Pappbecher und sagte ihm, er solle sich damit einen neuen Pappbecher besorgen. Der Becher ist zerknautscht, hat einen dicken Dreckrand und Fett klebt in dem Klebefalz, schmutziges Bettlerfett, dass von den Bettlerfingern abgestreift wird, wenn sie nach den Münzen auf dem Bechergrund fischen.
Hatte gedacht, er würde mir eines seiner blühenden Zahnstummel-Lächeln schenken, aber nix da. Er tat so, als hätte ich eine überfällige Schuld beglichen. Ist ja nicht ganz falsch.

Dass mein Roman jetzt die Bestsellerliste anführt, ist das Zufall oder habe ich das wirklich verdient? Und dass der Alte auf seiner alten Decke im Straßenstaub kniet? Verdient? Schicksal? Gott gewollt?

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf. Zugegeben, nichts aufregendes. Eher banal.
Was nicht banal ist? Der Lärm. Der ist von Bedeutung.
Auf meinem Spaziergang gab es keine Sekunde, in der nicht aus einer Wohnung, einer Gasse, von irgendwoher, ein gottverschissener Elektrohammer ballerte. Es macht einen fertig. Die Welt ist nicht schlecht, sagte Heiner Müller einst, sie ist nur voll. Und seit Müllers Zeiten ist sie noch voller geworden, wobei „voll“ ja eigentlich ein Superlativ ist.
Fast wünsche ich mir die sommerliche Gluthitze herbei, bei der wenisgtens das Schlaghammerproletariat auch leidet. So wärs gerecht. Es gibt nicht wenige, die der Meinung sind, man dürfe die Arbeitenden nicht hassen. Ich gehöre nicht zu denen. Wenn soll man sonst hassen? Doch wohl diejenigen, die einem Schmerzen bereiten, oder?

Verleger Moss ruft an, und will wissen, wie’s mit der Arbeit vorangeht. Ich sage, geht so, und er sagt, er hätte mir eine Lesereise zusammengestellt. Limousine, 5-Sterne Hotels, knallige Gagen. Ich überlegs mir, sage ich zu ihm und er fragt mich, ob ich spinne.
Meine Familie ist immer noch in Irland, sage ich, und er sagt, was hat denn das damit zu tun. Denk mal drüber nach, sage ich, und drück ihn weg.
Auf sowas steht er. Spart er sich heute Nacht die Domina. Ich bin eben ein guter Mensch…

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