Presque les Paques à Vienne

Heute lief ich einem alten Bekannten über den Weg. Er ist Schriftsteller, geht gegen die 65, hat etwa 2 Dutzend Bücher veröffentlicht, alle –  bis auf die ersten – nur einer handvoll Lesern bekannt. Ich begegnete ihm auf der Straße, vom Geisteszentrum kommend, und er lud mich auf ein Frühstück ein.
Er lebt allein in einer geräumigen 1-Zimmer-Wohnung mit Küche und Kabinett und schreibt an einem Roman. Wie immer.
Er machte uns Rührei mit Chorizo und geviertelten Kohlsprossen, italienischen Espresso. An seinem kleinen Schreibtisch, wo irgendein MacBook stand, hing ein Spruch von Blaise Cendrars, den er, wie er sagte, einen «verdammten Turbo“ fand. Der Spruch lautete: „Stopft es in eure Pfeifen und raucht es, ihr Burschen von 40, 50 und 60 Jahren, die ihr es noch nicht geschaftt habt, euch einen Namen zu machen: seid froh, dass ihr noch am Leben seid.“
Krass, sagte ich.
Ich habs nötig, sagte er. Ich bin schon einiges drüber. Das mit dem Namen wird wohl nichts mehr. Ich denke, ich brauch einen neuen Spruch, um die nächsten 10 Jahre durchzuhalten. Hast du einen?
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, und blickte auf das Bücherregal, wo auch seine Bücher standen.
Die Bücherrücken seiner Werke waren insgesamt etwa 60 Zentimeter breit. Bei 20 Büchern macht das einen Rückendurchschnitt von 3 cm, was etwa 300 Seiten entspricht. Pro Buch. 6000 Seiten. Insgesamt. Nicht gerade viel. So was schafft ein heutiger Autor in 5 jahren, mit 7 Büchern. Wenn überhaupt.
Wir aßen die Eier mit den Chorizos und den Sprossen und tranken ein paar Tassen Espresso. Lavazza. Es schien ihm nicht schlecht zu gehen. Seine beiden erwachsenen Kinder liebten ihn, und er wartete auf den ersten Enkel, die erste Enkelin.
Dann klingelte es. Er hob den Hörer der Gegensprechanlage ab und sagte etwas ruppig: Ja.
Dann sagte er eine Weile nichts, und dann: Ich bin Jude. Darauf hängte er den Hörer ein und kam wieder zum Rührei.
Christen, sagte er, wollen mit mir den Todestag von Jesus begehen, oder sowas.
Jude, sagte ich, du bist doch nicht jüdisch, oder?
Hast du je einen Juden gesehen, der diesen Spruch von Blaise Cendrars über seinem Schreibtisch hängen hat?
Ne, du bist erste.
Er lachte.
Das nächste Mal, sagte er, lass ich sie rein und dreh ihnen ein paar von meinen Büchern an. Zum Ladenpreis.
Nur so, als Training.
Training für was?
Training, halt. Du trainierst ja auch. Man weiß nie, wozu es nochmal gut ist.
Weissner, sagte ich.
Stimmt, sagte er.
Dann war das Rührei weggeputzt, der Espresso alle, und er – und auch ich  – hatten zu arbeiten. Beide beharrlich auf dem Weg, sich einen Namen zu machen, und sehr froh, noch am Leben zu sein. Das schon.

Filmbar im Filmmuseum, Samstag 22h

Man könnte ja etwas dazu schreiben. Aber was?
Wer schon einmal im „Elektro Gönner“ dabei war, wenn Valentin „Wrangler Val“ Hitz aufgelegt hat, weiß was er bekommt: Candy for our ear, Freude und Bier. Das wollen wir. Hier:

Wir distanzieren uns

Wir saßen alle um unseren Hauptmülleimer herum und zogen uns ein paar Schälchen Crystal Meth rein, als Lady, die gerade einen frischen Beutel Meth aufgestochen hatte, damit herausplatzte: „Was’n Müller! Jetzt wo die Politos auch schon Crysty ziehen, machts nur noch halb soviel Spass. Is a bitch, dat Lebbe!»

Niemand antwortete, aber alle dachten, dass sie irgendwie recht hatte. Vor allem Oldie blickte nachdenklich auf seine Stiefelspitzen, beamte sich zurück in seine geliebten Siebziger, wo Haschrauchen und lange Haare noch ein Akt der Rebellion war.

„Mei“, nahm Pepita, unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin den Faden auf, „wir sollten vielleicht mal ne Meth-Pause machen, wa?»
„Jetzt sag aber“, meldete sich Marky Mark unser Lektor, der wieder irgendwelche troubles mit seiner Computermaus hatte.
„Ja“, sagte Pepita. „Wenn schon die Grünen Meth ziehen, wirds echt uncool.“
„Was schlägst denn vor?“, fragte ich. Normalerweise sagte ich nichts, aber diesmal sagte ich was.
„Testo“, sagte Pepita. „Anabolika, Clenbuterol, Wachstumshormone oder das Zeuch, das aus Gehirnen von russischen Leichen gewonnen wird…“

„Wir sollten uns von Meth distanzieren“, meldete sich Lady und fuchtelte wild mit dem Bajonett herum, was ein Zeichen gröbsten Ernstes war.
„Apropos distanzieren: Ich hab da was gefunden“, sagte Marky Mark, der zärtlich an seiner Maus herumspielte und auf den Schirm starrte. „Da distanzieren sich die üblichen Kunstausübenden von der Flüchtlingspolitik der Regierung.“
Wir sahen es uns an.

http://derstandard.at/2000032224084/Fluechtlingspolitik-Wir-distanzieren-uns

Unterschrieben war das Ding von denen, die diese Dinger immer unterschreiben.
„Was muss man eigentlich tun, um auch auf diese Liste zu kommen?“, fragte Oldie und runzelte seine gerunzelte Stirn.

Das war, fanden wir alle, eine ziemlich gute Frage, und sie drängte die Methabstinenzforderung in den Hintergrund. Auch das Anabolika und das Leichenzeug.

Lady befüllte noch ein Schälchen mit Meth, und lächelte verschwörerisch in die Runde.
Es war wieder mal ein tolles Redaktionsfrühstück…