Redaktionsweihnachten

Das Krippenspiel, das alljährlich in unserer Redaktion zu Aufführung kommt, geriet dieses Mal zum Flop.
Zum einen, weil nicht mal die Hälfte der befreundeten oder verfeindeten Redaktionen eingelaufen sind, zu anderen, weil unser Redaktionsoldie nicht wie sonst den Ochs mimen wollte, sondern das Jesuskind, das traditionell von unserer 17-jährigen Türsteherpraktikantin gegeben wird. Und zwar mit Aplomb.
Es kam wie es kommen musste: Ärger. Und Oldie gegen Pepita: Das ist Brutalität.

RO (Redaktionsoldie) bereits in Windeln gewickel und im Stroh der Krippe liegend, rauchte eine Zigarette und verkündete mit heiserer Stimme, dass er als diskriminierte Minderheit – als alter, weißer Mann – nicht nur das Recht sondern geradezu die Pflicht habe, das Jesuskind zu geben. „Denn», fügte er etwas weinerlich hinzu, „bin ich nicht wie Jesus ans Kreuz geschlagen worden? Aber im Unterschied zum Gottessohn nicht nur einmal, sondern zig Male.» Und gerade eben sei man wieder dabei, Hammer und Nägel zu holen.

Pepita im Hemdchen, den Kostüm-Ochsenkopf in der Hand haltend, schrie herum und behauptete, die einzige Eigenschaft die RO mit dem Jesuskind gemeinsam habe, sei der Bedarf an Windeln, aber das reiche halt nicht aus, und er soll sich gefälligst aus dem Stroh verpissen, da sie sich sonst vergesse und ihm die Ochsenhörner da hin ramme, wo sich das alte, weiße-Männer Fett am meisten breit gemacht habe.

So gings dahin. Die wenigen Besucher wanderten ab oder verzogen sich nach hinten, wo Lady mit aufgesetztem Eselskopf, gerade den dritten Sack mit Crystal aufschnitt, und mächtige Portionen in die gefüllten Gläser mit RO’s Bourbon schüttelte, den Marky Mark aus dessen Geheimlade geklaut hatte.

So wurd’s dann doch noch ganz nett.
«Richtig familiär», wie einer der Besucher sagte, was ihm eine Watschen eintrug.
„Eben“, sagte er glückselig lächelnd, „familiär. Sehr schön.»