«Saiten» – Nachklang

BIslang galt das Diktum des amerikanischen Autors Gore Vidal: «Auf Partys (Feste) geht man nur wegen Sex oder business.»
Seit letzten Samstag ist das bonmot überholt. Man geht auch auf Feste, wenn das Ostschweizer Kulturmagazin «Saiten» (und die Grabenhalle) Geburtstag feiert. Diesmal war es der zwanzigste (für die Grabenhalle gar der dreißigste.)
Solche Anlässe sind ja eigentlich zum Fürchten. 30 Jahre Grabenhalle? Ich war bereits bei der Gründung zu alt, um jung zu sterben. Von «Saiten» ganz zu schweigen.

Wer das Magazin «Saiten» nicht kennt, der möge es ruhig mal damit versuchen, schon aus dem Grund, weil sich die Macher seit Jahren erfolgreich um Unabhängigkeit bemühen. Der Veranstaltungskalender ergibt – zusammengerollt – ein waffenscheinpflichtiges Totschlaginstrument. Soviel ist in dieser Ecke des Schweizerlandes los.

Für mich, ehrlich gesagt, zuviel. Aber das ist heute das Ding mit der «Kultur»:  Sie ist der Konsum der Konsumkritischen. Der letzte gefühlte Freiraum in der Enge der Kleinstadt, wo das Wilde und Zufällige, das Böse, das Aufregende, das Andere und das Unverständliche nur noch in der «Kultur» erfahren werden darf.
Und wer heute «Hopp, Kultur» brüllt, der ruft eigentlich nach weniger «Kultur», nach jenen Dingen, die eben nicht zu konsumieren sind. Aber dieser Widerspruch existiert seit den 80-er Jahren. Oder vielleicht schon immer.

Trotz allem. Ein würdiges Fest, so schien es mir, dem fünfsiebtel Misanthropen.

Nach zwanzig Jahren gehört man dazu. «Saiten» zu St. Gallen. St. Gallen zu «Saiten».
Sie sind nicht eins geworden, nicht verschmolzen – im Gegenteil: «Saiten» ist der «Wiener Falter» der Ostschweiz: Unverzichtbar. Mit kritischen Blick auf das Tun und Treiben der Machtvollen und mit Verständnis für die Belange der weniger Machtvollen.

Als ich St. Gallen, nach zwei Jahren Wirken, Trinken und Werken, verließ, gab es «Saiten» noch nicht.

St. Gallen, das muss ich inzwischen sagen, ist einfach super: Ich komme gerne her und fahre gerne wieder weg. Das nennt man im dummen Neusprech wohl eine win-win-Situation.

Jedenfalls, ich lese täglich «Saiten».
Und dabei bleibt es auch weiterhin.

http://www.saiten.ch