Piss off, Leidenschaft!

Zwischen den verschiedenen Rechtsextremendemos durch Wiens Straßen, den Besuchen diverser Despoten und Antidemokraten, russischen Kriegsgurgeln und SS-Philosophen, also all den feinen Events für’s Gemüt der berühmten «30%», und dem Stoneskonzert für den fortgeschrittenen Rock-Spießer – den wir dann möglicherweise wieder unter den Jubelpersern beim Putin antreffen -, zwischen all diesem geistigen Hämorrhoidensalben Geschmiere, gibts noch etwas: Das zarte Pflänzchen Fußball.
WM sei, hört man hin und wieder. Aber da die Türkei nicht dabei ist, bleiben wir auch von nächtlichem Auto-Corso-Gehupe verschont, es ist ruhig hier, und nicht mal aus den offenen Fenstern der Nachbarschaft brandet Jubel oder ächzt Selbstmordgestöhn, es geht allen offenbar am Glutäus maximus vorbei: Die Engländer, die Spanier  kacken ab? Na und? Wen juckts?

Ich wundere mich. Sonst war mehr los. EM oder WM, man konnte sie immer fühlen, in den Straßen, in den Smalltalks. Aber heuer? Nicht mal die Jungs und Mädels aus dem Hort kriegen sich darüber richtig in die Haare.

Aber: Heute Abend besiegt die Schweiz Frankreich. Doch werden die 2-3 Tausend Schweizer in Wien einen Auto-corso veranstalten? Wohl eher nicht. Die Schweizer die ich kenne, haben nicht mal ein Auto. Vielleicht mit dem «Velo». Zweimal die Klingel ringen. Und für die Existentialisten unter uns: 3 mal.
Ich höre schon, wie wir unseren superlativigsten Superlativ ausstreuen, nachdem die mit dem weißen Kreuz in Führung gegangen sind: «Nöd schlächt.»
Jawoll! Leidenschaft muss sein.
Muss sie? Gibts nicht schon genug davon? Doch, finde ich.

Einmal schoss einer ein wunderschönes Tor und danach setzte er sich einfach ins Gras, umschlang mit den Armen die Knie und blickte in den Himmel.
Das war der schönste und berührendste Torjubel, den ich je gesehen habe.