Songdog singt für: «Alles schick in Kreuzberg»

Es gibt Bücher, nach deren Lektüre man sein Leben ändern möchte. Und es gibt die anderen. Die lese ich nicht. Das birgt für einen, der immer noch nicht weiß wie er leben soll, ziemlich Risiko. Sein Leben ändern? Nicht schon wieder.

Und wenn ich schon nicht weiß, wie ich man leben soll, so weiß ich zumindest eines: Nach der Lektüre von Klaus Bittermanns Alles schick in Kreuzberg würde es sich lohnen sein Leben zu ändern, denn es ist ein sehr erstaunliches Buch, von einem äußerst erstaunlichen Mann geschrieben, einem ungemein fleißigen Mann auch, einem Autor, und mehr noch, dem «Ein-Mann-Verleger» der Edition Tiamat zu Kreuzberg, Berlin, von einem Mann also, von dem man annehmen müsste, dass dessen verdammtes i-phon (ich glaube, er hat nicht mal eins…) schon die Doppelt-und-Dreifach-Funktion hat, bei der gleichzeitig zwei oder drei Anrufe reinkommen können.
Aber nichts da.

In Alles schick in Kreuzberg beschreibt dieser irre fleissige Mensch, wie er in seinem Kiez unterwegs ist, oft mit seinem kleinen Sohn «Fup» und/oder seiner Tochter «Miss Trixie» und all die Leute und Typen trifft, die man in Kreuzberg vermutet. Und in diesen songlangen Texten tut Klaus Bittermann so, als hätte er nichts anderes zu tun, als Schokocroissants zu besorgen, in Gastgärten großformatige Zeitungen zu lesen, BVB-Fans in der «Respectbar» beim Gurgeln zuzugucken und bei Henryk Broder Lesungen aufzukreuzen.
Kein Wort von Arbeit. Niente. Nothing. Nada. Rien. Gar nüüt. Das ist nicht nur mächtig ungewöhnlich in diesen verkrampften Zeiten, das macht dem Bittermann auch keiner nach. Nicht dieses Buch. Man sollte ihm dafür den verdammten Büchnerpreis umhängen, so kämpferisch selbstironisch, gelassen, unverkrampft und humorig kommt das schmucke Ding daher; so eingängig, sich jeden schnellen oder auch langsamen Urteils über die Menschen enthaltend, wertfrei, möchte man sagen, angedickt mit einer klassisch anmutenden Heiterkeit. Und Philanthropie. Man kann es kaum glauben. So gut ist es.

Klaus Bittermann ist der einzige, der diesen verdammten Misanthropen, der hier in meiner Wohnung in Wien lebt, kleinkriegen könnte.

Wer alles Alles schick in Kreuzberg liest, wird ziemlich schnell wissen, was gemeint ist.

Klaus Bittermann «Alles schick in Kreuzberg», Edition Tiamat, 240 Seiten, 14 Euro.

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