Die Troubles der Freiberufler

Als ich heute, vom Geisteszentrum kommend, zum Supermarkt einschwenkte, saß der dienstälteste Bettler des Grätzels auf der kurzen Treppe. Das war ungewöhnlich. Denn dort saßen sonst nur Roma-Bettler, und er war kein Rom, sondern ein ungarischer Slowake oder ein slowakischer Ungar oder ein ungarischer Ungar.
Vorher war es ihm erlaubt gewesen, bei der U-Bahnstation den Portier zu geben. Das heißt, er stand einfach bei den Knipsautomaten und sang und brabbelte vor sich hin, und diejenigen die ihn kannten (eine kleine, feine Kundschaft) , drückten ihm hin und wieder eine Münze in die verdeckt aufgehaltene Hand. So war das.

Dann war es nicht mehr so. Denn die U-Bahnleute vertrieben ihn. Kein Betteln auf ihrem Gelände, und in den Zügen!

Nun war er gewissermaßen ohne fixen Arbeitsplatz. Von da an sah man ihn auf den Bänken der Favoritenstraße sitzen. Verdrossen, und irgendwie gedemütigt.

Aber heute saß er auf der «Billa»-Treppe. Vorerst.

Als ich meinen Einkauf gemacht hatte, saß er nicht mehr dort, sondern die Rom-Frau, die von mir nie was kriegt. (Siehe Blog «Bettlerin mit Hund»)

Er musste sich verziehen. Das erzählte er mir. Ich gab ihm einen Euro. Er musste abhauen, weil die Roma nur ihre Leute auf der Treppe dulden. Die Treppe ist ihr Platz. Und er, mein alter Bettler, ist nur ein Freelancer ohne Lobby, eine 1-Mann-Unternehmung, ein Untergeher, ein Freiberufler, ein Unabhängiger. Man könnte sagen, um in der Buchbranche zu bleiben: Er ist die kleine Buchhandlung, und die Roma sind Thalia (die ja nun auch Pleite machen sollen, wie man so hört).

Von heute an, unerstütze ich nur noch die Freiberufler unter den Bettlern!

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