Nur ein Rat

Gottlieb Duttweiler, der Gründer der MIGROS, den ich – nebenbei – für einen der ganz Großen des 20. Jahrhunderts halte, ließ einmal verlauten: «Wenn’s den anderen gut geht, geht’s mir auch gut.» Das ist mehr als nur klug bemerkt, das ist weise und ein Gedanke von tiefer Humanität und Stringenz. Wir wissen oder ahnen zumindest, dass es heute gerade umgekehrt ist: «Wenn’s den anderen schlecht geht, geht’s mir gut.» Glaubt man. Ist natürlich gegeigter Mumpitz. Aber selbst in Österreich wird doch ab und zu die Mär von «der Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft» proklamiert, und dann tun viele so, als wär’s wahr und quälen ihre armen Kinder – angstvoll – mit Chinesisch für Eineinhalbjährige, pränatales Englisch, und Mathematik für fortgeschrittene 1-Jährige, verplanen die Freiminuten der Sprösslinge, auf dass sie ja keine Zeit verschwenden mit nutzlosem Herumtoben, Blödeln, Rumrennen und unnütz Frischluftschnappen im Park, und rufen dreimal die Woche die Lehrerschaft an, um sich zu beschweren. Über zu viel, zu wenig, zu bald, zu spät, zu laut und so weiter und so fort.

Dabei weiß jedes Kind auf der Welt, dass in Österreich nicht zählt, was du kannst, sondern wen du kennst, und Österreich ist nicht für Leistung und Wettbewerb berühmt, sondern für fein ziselierte Intrigen, geklotzten Nepotismus, hervorragenden Wein und äußerst kunstvoll gestalteten Rufmord. Leistung und Wettbewerb? Gibt es natürlich auch. Aber das ist ein wenig so, als wäre die Schweiz bekannt für ihren Tabakanbau. Den gibt es ja auch.

Da mich ambitionierte Leute langweilen wie die herausgebellten Worthülsen des Bundeskanzlers, und ich nicht mal über einen mickrigen Magistertitel (lic.) verfüge, sind meine Chancen gesellschaftlich zu reüssieren, respektive die meiner Kinder, gleich null. Darum dürfen meine Kinder machen was sie wollen. Ich bringe ihnen denken bei, und die Freude, sich draußen frei zu bewegen, und das Besitz nervt und belastet.

Sie lernen mit Freude und mühelos. Es wird ihnen nichts nützen. Nepotismus ist die Herrschaft der Dummen und Unfähigen. Und wenn sich die Klugen und Fleißigen davon nicht schrecken lassen, und trotzdem was auf die Beine stellen, bringt man sie am Besten um, wie man in Götz Alis neuem Buch «Warum die Juden, warum die Deutschen?» nachlesen kann.

Es kann sein, dass sich bald nicht mehr alle diese Chancenlosigkeit gefallen lassen. Ich empfehle den Nepotisten und Korruptolitikern genügend große Gefängnisse zu bauen.

(Diesen Block schrieb der Autor wie Peter Handke)

2 Antworten auf „Nur ein Rat“

  1. Ich stimme diesem Blog fast ausnahmslos zu.

    Ich darf mir selbst gerade wieder bewundern, wie die SVA es schafft, mir das Gefühl zu geben, dass ich nur für meine ach so tolle Sozialversicherung arbeiten gehe.
    Selbstständige scheinen dem Staat irgendwie suspekt zu sein; anscheinend sind die hohen Sozialversicherungsgebühren als Geldstrafe dafür anzusehen, dass man sich keiner Firmenhierachie unterordnen will und lieber unabhängig ist.

    Aber bitte: Schreib nicht wie Handke, schreib wie Niedermann!

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