Rede eines ehrlichen Politikers

Liebe Wählerinnen und Wähler

wer sich bei der «UBS» (Schweizerbank) als Privatperson um einen Kredit bemüht, der, so ließ ich mir sagen, hat sich vollständig zu entkleiden und einer Leibesvisitation zu unterziehen. Natürlich nur im übertragenen Sinn, aber trotzdem verschafft es dem Kreditansuchenden die brennende Erfahrung, wie sich ein unschuldig Vorverurteilter fühlen muss. Absolute Kontrolle. Aber die, wie wir gerade erfahren durften, nicht für Angestellte der Bank gilt, denn denen ist es möglich, 2 Milliarden zu verzocken, ohne dass dies jemandem in den Teppichetagen auffällt. Ja, sagten wir vor einigen Jahren, die UBS ist «Too big to fail», und wir pumpten Stützbeton aus Steuergeldern in die Fundamente, damit uns die himmelhohen Türme der Finanz nicht auf unsere Häuschen fiel und diese, mitsamt uns und unseren Familien, zermalmte.

Ein knapp 30-jähriges Bürschchen, der, ausgestattet mit dem Milliardenspielgeld der UBS gegen den Euro gewettet, und somit gegen die Schweizerwirtschaft spekulierte, anders formuliert, richtige Arbeit von Unternehmern und Angestellten in den Spielhöllen der internationalen Finanz lustig und dumm vergeigte, hat mir persönlich die Grenzen der Politik aufgezeigt.

Wir Politiker, werte Mitbürgerinnen und Mitbürger, sind nahezu machtlos. Es machte keinen Sinn, wenn Sie uns ihre Stimme geben. Wir haben, wie wir jetzt am Beispiel der UBS gesehen haben, keinen Einfluss auf die Gebahren der Finanz und der Märkte, auch wenn die Ihr Steuergrettungsgeld gerne nehmen, werden sie keine Regeln, die von den gewählten Volksvertretern ausgearbeitet und aufgestellt werden, akzeptieren. Es sind Banken, und Banken handeln wie Banken und nicht wie Menschen, die eine richtige Arbeit haben und versuchen, damit sich und ihre Familie durchzubringen. Und wir, die Politiker, können daran nichts ändern.

Was wir tun können, ist, Ihnen das Rauchen verbieten, die Glühbirnen wegnehmen, noch mehr Steuern einheben, und, Sie werden es bemerkt haben, ihnen einen der letzten Troste vergällen, nämlich den, dass wir Ihnen aus Gesundsheitsgründen und zu Ihrem Wohl, den Alkohol unerschwinglich teuer machen. Wir können auch noch ein paar andere Dinge, aber die werden Ihnen ebenso wenig gefallen.

Liebe Wählerinnen und Wähler, bitte wählen Sie mich nicht mehr. Ich bin es leid, Sie mit meinen Ausreden und Lügen zu peinigen und zu beleidigen. Ersparen Sie es mir, und sich selber auch. Der Grund, warum ich nicht einfach zurücktrete oder mir eine Kugel in den Kopf schieße, ist der gleiche, warum Sie ihren dummen Job nicht hinschmeißen, auf die Straße gehen und den ganzen verdammten Laden kurz und klein hacken: Es ist die Hoffnung. Nicht die Hoffnung, dass es besser wird, sondern die Hoffnung, dass wir die ganze Scheiße irgendwie überstehen werden. Ganz gleich, wie. Nicht, dass wir es glauben, aber wir hoffen es.

Also, liebe Wählerinnen und Wähler, vergessen Sie nicht, mich das nächste Mal NICHT zu wählen. Sie ersparen mir damit einen demütigenden Rücktritt, der nur einen Rattenschwanz an weiteren dummen, kränkenden Lügen nach sich ziehen würde.

Glauben Sie mir, ich habe es nicht böse gemeint. Aber, wie Taittinger in Josef Roths Roman «Die Kapuzinergruft» sagte: «Man verirrt sich halt.»

Manchmal wird man auch verirrt.

Halten Sie durch

Ihr Politiker

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