Sarkasmus? Nein danke!

Vor einigen Jahren sagte ein berühmter Sohn dieser Stadt – er schrieb gerade an einem Buch – zu mir: «Ich möchte nicht mehr zynisch sein.» Ich verstand nicht genau, was er damit meinte, ich meine, ich verstand es schon, aber irgendwie auch nicht. Denn damals war ich noch ein normaler, nicht mehr ganz junger Autor, der Romane über Typen schrieb, die irgendwie viel arbeiteten, viel tranken, viel lachten, Schwierigkeiten mit Frauen hatten, und deren Probleme oft nur darin bestanden, irgendwie anständig über die Runden zu kommen. Da war nichts zynisches dabei. Aber ich fand den Zynismus meines berühmten Kollegen gut, denn der war gscheit und echter Dichter und berühmt und irgendwie cool versoffen.

Heute, viele Jahre danach, weiß ich, was er meinte, und ich schließe mich ihm an: Ich möchte nicht mehr sarkastisch sein (müssen). Aber es ist unendlich schwer, vor allem, wenn man wie ich, ein angeborenes Interesse an Politik hat und in Österreich lebt.

Heute hat im Zuge der Telekom-Affäre (Korruption, Korruption, Korruption), der frühere Bundesbenediktiner, Wolfgang Schüssel, sein Mandat als Nationalrat zurückgelegt. Mit anderen Worten: Er ist zurückgetreten. (He stepped down, wie es im angelsächsischen heißt) Unschuldig ist er. An allem. Natürlich. Was sonst. Ist denn Österreich nicht international bekannt für seine Rücktrittskultur? Treten hier nicht beinahe täglich ÖVP-Leute zurück? Einfach nur, weil sie vergessen haben ihre Schuhe zu putzen?

Sehen Sie. Ich schaff es nicht, meinen Sarkasmus zu zügeln. Ich glaube, mein Bekannter hätte es mit seinem Zynismus auch nicht geschafft. Aber er hat die Notbremse gezogen, und einfach sein Buch nicht fertig geschrieben.

Das kommt für mich nicht in Frage. Ich bin irgendwie ein bisschen verzweifelt…

Das mit dem Denken kriegen wir auch noch hin…

Wer gerne kranke, kaputte Arschlöcher in einem kranken, kaputten Land in Aktion sieht oder lallende Crackhuren in verdreckten mexikanischen Hütten, der kann sich richtig freuen. Denn der neueste österreichische Film bedient diese Gelüste auf’s Vortrefflichste. Zum einen mit «Michael» von Markus Schleinzer, der uns mit viel Liebe und Kunst vorführt, wie ein krankes Arschloch, ein Pädophiler, sich einen Jungen hält, ihn schlägt, einsperrt und missbraucht. Das muss man, falls man’s nicht selber erfahren hat, einfach gesehen haben.

Zum anderen zeigt uns Meister Glawogger am Venediger Lido, seinen neuesten Dok-Film «Whores› Glory», und vor allem auch sich selber; posierend mit seidig gebürsteter Altmännermähne, 4,75 Tagebart und angetan mit schwerem Goldgeschmeide, so dass jeder gleich auf Anhieb erkennt: Aha, ein Künstler oder: Aha, ein Zuhälter, und fürwahr, Glawogger könnte so ein bisschen beides sein, warum auch nicht?, anstatt die Nutten selber zu knallen, schau ma sie im Kino an, da haben wir was gespart und sauber ist es auch.

Und natürtlich irrt die New York Times, wenn sie Wien als «Welthauptstadt der «feel-bad-movies» bezeichnet, denn das Gegenteil ist wahr. Es sind «feel-good-movies». Wo sonst, als im Angesicht solch freundlich und gekonnt aufbereiteter Horrorstories kann man sich als waches, an den Problemen der ganzen Welt interessiertes Individuum fühlen, als Mensch unter Kinogehern, einer, der sich den heutigen Problemen stellt?

Und wie die Filmemacherin Barbara Albert treffend anmerkte: «…manchmal wollen wir dem Zuschauer auch weh tun und ihn zum Denken anregen…»

Was wieder einmal trefflich gelungen ist.

(… und nichts ist schöner, als wenn der Schmerz nachlässt. Das mit dem Denken, kriegen wir dann auch noch hin…)

Und zum Glück gibt es auch noch Aki Kaurismäki.

A bisserl Korruption gehört halt dazu

Eigentlich mag man’s ja nicht mehr kommentieren, aber wie heißt es so schön: Eins geht noch. Aus Nostalgie.

Man hat schon gedacht, es wird nicht mehr, aber nun hat Österreich doch endlich wieder das, was es selber als «Skandal» oder «Riesenskandal» bezeichnet. Aber natürlich ist es kein richtiger Skandal, denn ein Skandal ist es, wenn ein korrupter Politiker von einem Gericht verurteilt wird, das ist ein Skandal. Dieser Skandal ist eine so genannte «Erregung», ein kurzes, schnelles Hochkochen des Grolls, bevor man wieder zur Tagesordnung übergeht. Nun, um was geht’s? Ach ja, da ham einige Politiker, Manager und Lobbyisten bei der teilverstaatlichten Telekom die Aktienmärkte a bisserl manipuliert und sich bereichert, und einige notorische Politos waren auch nicht faul, und haben die Ladenkasse für sich und die Freunderl geöffnet gehalten. Zur freien Entnahme.

Das wäre eine Wahnsinnsschweinerei, eigentlich. Aber isses das? Man tut jetzt so, als wäre es das, aber man hat auch vor 2 Jahren ein Gesetz, das Beamtenkorruption unter Strafe stellt, wieder ausgehebelt. Warum? Tja.

Der erregte österreichische Wutbürger, dem man ins Börserl gelangt hat, wird bei der nächsten Wahl hauptsächlich jene Partei wählen, die ihre Fingerchen am längsten im Trog hatte. Warum? Schwer zu sagen. Weil er’s halt mag, vermute ich. A bisserl korrupt sollt ma scho sein, oder. Besser korrupt als Ausländer. Oder so.

Vor nicht allzulanger Zeit hat jemand den Vorschlag gemacht den «Wiener Charme», also jene Mixtur aus weinerlicher Unterwürfigkeit, Hinterhältigkeit und schlecht verhohlener Verachtung, zum Weltkulturerbe zu machen. Bin ich dafür. Mach ma doch a Packerl, und nehmen die Korrumpiertheit auch mit hinein. Des wär schön…