An diesem gewöhnlichen Tag (Für Polo und die Stilz)

Heute erfuhr ich aus den Nachrichten, dass im Meer von Krk (Kroatien) eine Österreicherin beim Tauchen verstorben ist.

Krk. Da war ich mal. 1975, glaube ich. Es war das erste Mal in meinem dummen Leben, dass ich das Meer gesehen, gerochen, gespürt habe. Und jetzt dachte ich daran, wie lange es schon her war, seit dem letzten Mal. Sooo scheißlange, und eine irre Sehnsucht überkam mich, und ich konnte das Pinienharz riechen, sah das Mittelmeerlicht, roch Salzwasser, Kerosin, ganz so, wie ich es in meinem vielgelobten Roman «Die Katzen von Kapsali» beschrieben habe:

Die ganze Nacht über Vibration und Gebrumm. Ich versuchte etwas Schlaf zu finden. In einem Pullman-Sessel. Inmitten all der Deutschen, die gleich eine Art Camp errichtet hatten. Mit Schlafsäcken, Decken, Rucksäcken, Kulturbeuteln und Plastikflaschen. Die paar Griechen, die es hier ebenfalls gab, hatten sich in die Sessel gefläzt und losgeschnarcht. Das können die. Ich dagegen kriegte kaum ein Auge zu. Irgendwann wurden die Vibrationen noch stärker und das Brummen ging in ein hohes Winseln über. Wir legten irgendwo an. Ich glaube es war Corcula. Im Morgengrauen. In der Dämmerung eher. Ich ging auf Deck. Der Geruch war betörend. Pinienharz, Salzwasser und Diesel. Ich meine, wer könnte nicht für diese Mischung sterben? Die Erinnerung an unser verfehltes Leben. Richtiges Leben gibt es nur am Mittelmeer. Selbst richtiges Essen ist nur hier zu bekommen. Wein. Alles andere ist zweite Wahl. Das sagt uns der Geruch nach Pinien, Meer und Diesel. Naja. Aber so empfand ich es. Als die Fähre wieder ablegte, blieb ich an Deck. Auf die Reling gestützt, sah ich den ersten Tag der Schöpfung heraufziehen. Wie die Schattenrisse von gigantischen, schlafenden Urtieren tauchten kleine Inseln vor dem flammenden Horizont auf. Ich war allein auf Deck. Alle anderen schliefen noch. Ich war der erste Mensch. Ich war der letzte Mensch. Zwei Delphine pflügten neben dem Schiff durch die Bugwellen. So weit unten. So an die 6 Stockwerke. In der Ferne verwandelte sich die silbergleißende Straße des Kielwassers wieder in Unendlichkeit. Oder so.

Oh, Mann, so eine Sehnsucht. Und wenn ich an die schönen Dinge dieser Erde denke, denke ich ans Sterben, und je schöner diese Dinge, desto mehr Sterben. Dann setzte ich mich hin, schrieb einen bewegenden Bettelbrief an eine Kulturinstutition in meiner alten Heimat. Ich habe meinen Mädchen versprochen, einmal mit ihnen mit der Fähre von Trieste nach Patras zu schippern. Als ich von der toten Frau im Meer las, wünschte ich es mir nur noch mehr.

Nach dem bewegenden Bettelbrief, machte ich ein Nickerchen, dann stand ich erfrischt auf, buk einen Zwetschenkuchen, und schrieb diesen tollen Blog. Jetzt warte ich nur noch auf die Penunze für die Fähre…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert