Hofer und Kraus

Was dem Tiroler der Hofer Andreas, ist den Wienern ihr Karl Kraus. So ein Hofer ist praktisch. Wenn ein Tiroler Touristen-Konsortium den letzten jungfräulichen Gletscher mit Clustern von Skiliften überziehen will, sich aber Widerstand dagegen regt, dann berufen sie sich auf Andreas Hofer, den Freiheitshelden. Die Gegner der Lifte beziehen sich ebenfalls auf Andreas Hofer, den heiligen, trunksüchtigen Landesrebellen. Und immer sind die anderen die schiachen Bayern und die rothösigen Franzmänner. Das gleiche Spiel gibt es auch bei Abtreibungsgegnern – und Befürwortern, und so weiter und so fort. Jeder Tiroler ist Andreas Hofer.

Die Wiener, diejenigen zumindest, die außer der Krone auch noch was anderes lesen, die haben ihren Karl Kraus. Jeder der das Gras wachsen hört, sagt: «Ich hör das Gras wachsen. Kraus hat auch das Gras wachsen hören. Und ihr hört es nicht, es Wappla.»

Das ist, wie gesagt, ziemlich praktisch bei Auseinandnersetzungen. Und so sparsam. Kein unnötiges Herumgesuche. Nemma den Kraus. Der passt immer.

Dass diese Form der Auseinandersetzung tatsächlich funktioniert, liegt vor allem daran, dass es immer die anderen sind, die unrecht haben. Ist ja klar, oder? Geht mir auch so. Und es sind auf jeden Fall die anderen, die den Hofer, den Kraus, missbrauchen und /oder falsch auslegen. (Darum bezieh ich mich nie auf jemand anderen, capisch?)

Wer schon einen Film gesehen hat, weiß, dass ein Filmbösewicht sich selbst nie als böse, sondern als äußerst liebenswert, altruistisch und feinfühlig empfindet. Und wenn er weiß, dass er der Böse ist, dann wird der Charakter immer als Psychopath eingeführt (beliebt ist John Malkowich in diversen Rollen). Das ist ein Menschenbild, das ich selten teile, denn es impliziert, dass der Mensch, im gesunden Zustand, gut ist. Isser aber nicht. Sag ich. Vielleicht sagt es auch Kraus. Oder Hofer.

Aber bedeutet dies vielleicht, dass Bewusstheit um die eigene Schlechtigkeit, krank ist? Zumindest, wenn es keinen Versuch gibt, diese wieder loszuwerden?

Eigentlich müsste man Buddhist werden. Alles ist Maya (Täuschung), und muss überwunden werden. Oder sich einfach Mühe geben, ein guter Mensch zu sein?

By the way: Heute hat mich der Papst gelobt. Mich, und die anderen zwei, drei Agnostiker. Ich finde, er ist einfach ein Pfundskerl, oder?