Sarkasmus? Nein danke!

Vor einigen Jahren sagte ein berühmter Sohn dieser Stadt – er schrieb gerade an einem Buch – zu mir: «Ich möchte nicht mehr zynisch sein.» Ich verstand nicht genau, was er damit meinte, ich meine, ich verstand es schon, aber irgendwie auch nicht. Denn damals war ich noch ein normaler, nicht mehr ganz junger Autor, der Romane über Typen schrieb, die irgendwie viel arbeiteten, viel tranken, viel lachten, Schwierigkeiten mit Frauen hatten, und deren Probleme oft nur darin bestanden, irgendwie anständig über die Runden zu kommen. Da war nichts zynisches dabei. Aber ich fand den Zynismus meines berühmten Kollegen gut, denn der war gscheit und echter Dichter und berühmt und irgendwie cool versoffen.

Heute, viele Jahre danach, weiß ich, was er meinte, und ich schließe mich ihm an: Ich möchte nicht mehr sarkastisch sein (müssen). Aber es ist unendlich schwer, vor allem, wenn man wie ich, ein angeborenes Interesse an Politik hat und in Österreich lebt.

Heute hat im Zuge der Telekom-Affäre (Korruption, Korruption, Korruption), der frühere Bundesbenediktiner, Wolfgang Schüssel, sein Mandat als Nationalrat zurückgelegt. Mit anderen Worten: Er ist zurückgetreten. (He stepped down, wie es im angelsächsischen heißt) Unschuldig ist er. An allem. Natürlich. Was sonst. Ist denn Österreich nicht international bekannt für seine Rücktrittskultur? Treten hier nicht beinahe täglich ÖVP-Leute zurück? Einfach nur, weil sie vergessen haben ihre Schuhe zu putzen?

Sehen Sie. Ich schaff es nicht, meinen Sarkasmus zu zügeln. Ich glaube, mein Bekannter hätte es mit seinem Zynismus auch nicht geschafft. Aber er hat die Notbremse gezogen, und einfach sein Buch nicht fertig geschrieben.

Das kommt für mich nicht in Frage. Ich bin irgendwie ein bisschen verzweifelt…