Konfession: Bio

Ich bin römisch katholisch. Ich bin es immer noch, obschon ich von der katholischen Kirche angewidert bin. Aber ich habe diese Kirche in ihrer besten Zeit erlebt. In den sechzigern und siebzigern. Die Stunden im Religionsunterricht waren Sparringsrunden in Dialektik. Aber keine Angst. Ich bin nicht Matthias Mattusek.

Heute treten viele aus ihren Kirchen aus, und wenden sich, weil sie irgendwie an ein höheres Wesen glauben wollen müssen sollen, anderen religionsähnlichen Verbänden zu. Oder sie schnitzen sich gleich selber so ein Religionsding oder funktionieren irgendwas zur Religion um. Zum Beispiel die Kunst. Oder die Biokost.

Bio ist heute eine Religion. In meiner Kindheit zogen wir unser Gemüse selber, und alles war Bio. Dann kam der industrielle Gemüseanbau, und mit Bio war Essig. Das wollten ein paar Leute nicht hinnehmen, und sie bauten ihr Zeug wieder so an, wie mein Vater es getan hatte: Mit Liebe, Kenntnis, Hühner-und Pferdescheiße.

Aber dieses Bio wollten die Konsumenten nicht (Inzwischen waren wir von Menschen und Kunden, zu Konsumenten und Verbrauchern gereift). Der Konsument wollte in seinem neuen, glänzenden Audi in keinen schrumpligen Boskopapfel beißen. Das schien ihm unpassend. Er wollte vielleicht Bio, aber nicht so. Und dann machte die Industrie ihm dieses Bio. Es schaut genauso aus, wie das andere Zeug und kostet dreimal soviel. Wenn im konventionellen Anbau z.B. ein Spritzmittel gegen Läuse eingesetzt wird, nennt man das Chemie. Man meint damit, dass der Wirkstoff dieses Mittel z.b. aus Erdöl und Salzsäure synthetisiert wurde. Der Biobauer darf dieses synthetische Mittel nicht verwenden, sonst verletzt er die Biorichtlinien. Er verwendet ein Mittel mit dem gleichen Wirkstoff, das z.B. aus der Rinde einer aussterbenden, capverdischen Zwergeichenart gewonnen wird. Wenn der Konsument das Zeug in seinen Körper kriegt ist es dem Körper wurscht, ob es synthetisch oder natürlich ist. Er kotzt. Wenn er noch kann. Und die capverdische Zwergeiche siecht auch ziemlich angepisst ihrem Ende entgegen.

EHEC hat uns gezeigt, dass Bio-Gurken auch aus Spanien kommen. Oder Biotrauben aus Chile, Bioerdnüsse aus Südafrika usw. Aber viele von uns möchten halt an was glauben. Sie möchten glauben, dass sie keine Schuld an der Unterdrückung und sklavischen Ausbeutung der Menschen und des Planeten haben. Das ist verständlich. Menschlich. Da mag man nicht mehr so genau hinsehen. Man will halt glauben. Und exkulpiert werden.

Aber es hat schon bei der Kirche nicht funktioniert, wieso soll es jetzt bei Bio klappen?

Und überall diese Häretiker.

Vielleicht konvertier ich doch lieber zur Kunst.

Eine Antwort auf „Konfession: Bio“

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