Wenn ich durch den 1. Bezirk gehe

Jetzt hör ich schon wieder Lucinda Williams. Diesmal «World without Tears». Aber vorher war ich durch den lenzenen Sonnenschein in die Innenstadt gewandert. Als Pilger, Verleger und Autor, der eine Lieferung Bücher auszutragen hatte, direkt in die Buchhandlungen:»Guten Tag, ich hab hier eine bestellte Bücher-Lieferung.» So was lohnt sich nun allemal, bei den neuen Ösi-Posttarifen, die mich erstmals ans Aufhören denken ließen. Denn die Tax-Erhöhungen seit 1. Mai – die natürlich nicht als Erhöhungen, sondern als gnadenloser Service am Kunden deskribiert sind -, sind so schmerzlich, dass ich mir was einfallen lassen muss.

Und wenn ich in den 1. Bezirk komme, denke ich an die Zeit von 89-90. Als ich in einem 120 qm großen Badezimmer wohnte und nichts besaß, außer einer 9 Kilo schweren Underwood, Kredit im «Nachtasyl», und einem faustgroßen, blauen Radio, mit dem ich zwischen 15 und 16 Uhr die Musicbox hörte, und mir vornahm, dass auch ich einmal Studiogast bei Fritz Ostermayer sein werde, irgendwann mal, wenn ich nicht mehr hungern, und nicht mehr die Kippen von der Straße zusammen sammeln musste.

Das war nicht immer nicht lustig. Aber manchmal schon. Wenn ich mal zu etwas Geld gekommen war (keine Ahnung wie…?) pilgerte ich in den Wurstel-Prater, schoß Tontauben und fuhr mit lahmarschigen Go-Carts Rennen. Ich aß Hot Dogs mit Zwiebelsenf und trank Ottakringer vom Fass. Das war die Fiesta Viennese. Dann, in der Nacht, schrieb ich an meinem zweiten Roman, während unter mir im «Nachtasyl» die tschechischen Dissidenten betrunken an den Tischen schliefen. Wenn ich dann Punkt Mitternacht runterging, spielten wir oft «Grabitschki», das die Jungs in den Knästen der Kommunisten gespielt hatten. Man schnippte eine Streichholzschachtel von der Tischkante in die Luft. Landete sie hochkant gab’s 10 Punkte. Die Reißflächen gaben 5, und die Breitseiten, je nach dem 2 oder Punkte.

Ein Pils kostete umgerechnet € 1,80, und aus einem Huni (Schilling) ließen sich genau 4 Große schnitzen.

Daran denke ich, wenn ich durch den 1. Bezirk gehe. An diese Henry Miller-Tour, den Blick auf den Asphalt gerichtet, nach weggeworfenen Kippen und Kleingeld schielend, nach dem Wunder schlechthin, und auch auf die Hintern der Frauen, die alle so unerreichbar schienen, wie ein Begräbnis in der Kaisergruft.

Und nun kommt Lucinda zu ihrem letzten Song «Words Fell» (sinnigerweise), und es hat zu regnen begonnen. Ich denke an die letzte Seite aus Henry Millers «Wendekreis des Krebs», die ich mal auswendig gekonnt habe, wie die von Hemingways «Tod am Nachmittag», das Wunder reiner Prosa, und ich nur den Wunsch hatte, ein einziges Mal so eine Seite hinzukriegen, nur eine.

Ich werde noch öfter durch den 1. Bezirk gehen müssen…

Lucinda ist auch fertig.

I am Blessed

Ab 3 Uhr morgens Bauchkrämpfe.

Später, auf dem Weg ins Geisteszentrum streift mich ein pesender Radfahrer auf dem Gehsteig, und schreit: «Arschloch, hearst!» Ich ruf ihm nach, er soll stehen bleiben und herkommen, der Feigling. Aber da er Wiener ist, und es für die Legung eines Hinterhalts schlecht aussieht, tritt er noch stärker rein, und fährt beinahe eine Mama-Kind-Hund-Troika übern Haufen. Das hätte ich mir nie verziehen.

Kurz vor dem Geisteszentrum fällt mir ein, dass ich kein T-Shirt eingepackt hatte. Linksum. Der Adrenalinspiegel wird oben bleiben. Auf dem Rückweg denke ich daran, dass die meisten Zeitgenossen es nie gut sein lassen können, und aus purer Langeweile und nagender Stupidität, immer weiter fummeln und stösseln müssen, bis der gute Groove (jawohl! Groove. Ich bin Hippie) neuem Ungemach gewichen ist.

Zu Hause lese ich, dass es Autor/Innen gibt, die der Ansicht sind, dass der Verleger ein Vater ist, der sich zugunsten seiner Kinder einer pointierten Meinung zu enthalten habe. Nichts könnte falscher sein. Berufsverfehlung?

Und dann am Kurzromanillo weitergeschrieben. Sehr schön. Schreib ich nur zu meiner eigenen Unterhaltung das Ding. Die Geschichte eines jungen Kerls, eines Diebes, dem alles, außer den Songs von Nick Drake und Sex, egal ist, und der einen alten Kerl, dem auch alles egal ist, trifft, und der ihm hilft seinen Coup durchzuziehen. Aber nicht umsonst. Claro. Wo wär da sonst der Witz?

Im Briefkasten lag die «Zeit», die ich nicht abonnieren wollte, und die man mir mit Rechnung doch immer weiter zusendet. Wut. Aber verborgen unter dem ausladenden Rock der «Zeit» fand ich das Amazon-Päckchen, und darin lag das neue Album von Lucinda Williams «Blessed».

Oh yeah, Lord. Happy Hour. Ich war «Blessed».

Am Freitag den 13. Mai 2011.

Zack, eine Amsel

Ich saß im Biergarten und wartete auf meine Lesung. Es war ein schöner Tag, ein schöner Biergarten mit schönem Bier und freundlichen Menschen. Einige Hunde waren auch dabei, aber nicht so viele, dass ich mich ekeln musste. Ein Spazierweg teilte den Garten, und eine Menge Ausflügler pilgerten zwischen den beiden Biergartenteilen durch. Schwule Pärchen in Nike-Hiking-Klamotten, Familien mit Kinderwägen in der Preisklasse von drei gut bezahlten Lesungen nach dem AdS-Lesehonorarschlüssel, Joggerinnen mit hüpfenden Brüsten und Jogger mit hüpfenden Brüsten, aber, und das fiel mir seltsamerweise auf: Keine Nordic Walker. Interessant. War also schon durch, der Trend oder was? Aber dann entdeckte ich doch noch einen. Ein prächtiges Exemplar von einem Dilettanten. Miesgelaunt schlurfte er über den Kiesweg, und seine Stecken zogen zwei dünne Schlangenlinien in den Staub. Er sah aus wie Henk. Und als er näher kam, sah ich, dass es Henk war. Das war schön. Er trug gewöhnliche Straßenkleidung, keine Sportklamotten. Auf dem T-Shirt stand: FOLSOM PRISON 1968.

War klar, dass er mich gesehen hatte. Er wollte einfach an mir vorbeiziehen, aber ich ließ ihn nicht.

  "Hey, Henk!" Er blieb stehen und schnaufte verdrossen.
  "Was gibt's?", sagte er, so überhaupt nicht überrascht,
mich so viele hundert Kilometer von zu Hause anzutreffen.
  "So ein Zufall", sagte ich.
  "Es gibt keinen Zufall", antwortete er und zeichnete mit dem
Stecken etwas in den Kies. "Es gibt nur das Scheißkarma."
  "Versteh ich jetzt nicht, aber setz dich und trink was."
  "Du zahlst. Ein Wort zu den Stecken, und stech dir ein
Auge aus."
Da saßen wir nun. Ich fand's äußerst schwierig, nichts zu den
Stecken sagen zu dürfen. Die Biere kamen. Wir schluckten den
Schaum weg, und blickten rüber zur Ach und den großen Weiden.
Man hörte für eine Weile nur das Knirschen von Schuhen im Kies
und das Trillern von Vögeln.
  "Scheißvögel", sagte Henk, "Scheißamseln. Superscheißamseln.
Ich hasse sie. Hört sich jedes Mal an, als wanke ich um halb 4 nach
Hause. Des mog i net."
Tatsächlich. Amseln.
  "Was kann man nur gegen Amseln haben? Selbst bei dir erscheint
mir das ein wenig eigenartig."
  "Hörst du's denn nicht?" Ich horchte. Eine Amsel machte
Bipbipbip. Zugegeben, keine große Sangeskunst.
  "Amseln, die tepperten Viecher, imitieren die Geräusche ihrer
Umgebung. Und diese, hör nur zu, die ist offenbar geschlüpft, als
ihr Nachbar, ein Wappler vor dem Herrn, zu einem Wochenende nach
London aufgebrochen ist. Dabei hat er vergessen, den Wecker
auszuschalten. Und während der ersten Tage ihres Lebens hörte
dieser Vogel das BipBipBip des Dämlichen Weckers und lernte es."
Es stimmte. Es klang wirklich wie ein elektronisches Wecksignal.
Nun begann es mich auch zu nerven. Und es hörte nicht mehr auf.
Ich hörte nur noch das Amselwecksignal. Nicht mal mehr das
Kiesknirschen. Ich ging auf den Abort. Als ich zurückkam, war
Henk weg. Nur die beiden Stecken waren noch da. Sie lehnten am
Stuhl. Ich trank noch ein Bier. Und dann noch eins. Ich hörte
den Amseln zu. Es gab noch andere. Ich dachte mir Geschichten
über die Umstände ihres Aufwachsens aus.
Die Lesung war so na ja.

Nostalgie und Tradition

Im Schweizer Film «Der 10. Mai» von Franz Schnyder von 1957, gibt es eine Einstellung, in der kurz das Emailschild eines Schweizer Bahnhofs ins Bild kommt. Das steht wunderliches darauf. Nämlich: «BIGLIETTA und ABORT.

Biglietta sind Fahrscheine oder zu deutsch: Tickets. Und Abort? Ja, wir ahnen es alle. Es ist natürlich nicht das Hinweisschild für Tickets und Abtreibungen oder der Wegweiser zu einer Lokalität wo man Frühgerburten los wurde, sondern der Abort war schlicht und einfach das Scheißhaus. Oder Klo. Oder feiner: Toilette. Oder richtig deutsch: Rest Room.

Aber wenn ich bei meinen Großeltern war, ging man auf den Abort. Auch meine Tanten und Onkel hockten auf dem Abort. «Er ist gerade auf dem Abort», hieß es, wenn einer nicht auffindbar war. Er saß dann auf dem von Chlor weißgelaugten Holzrahmen mit dem kreisrunden Loch, (durch das ein kleines Kind problemlos durchrutschen konnte,) und sein Arsch wurde von der Leere und Kühle des Abortalls umweht. Der Schiet fiel, wenn er fiel, tief. Wenn man sich versäuberte und das Papier ins Loch warf, konnte man zusehen wie es auf den kleinen Berg, der sich wie eine braun-weiß-gesprenkelte Miniatur des Matterhorns ausnahm, segelte.

Das Ding war zum Fürchten. Und es hieß Abort. Es hieß auch noch eine Weile Abort, als es schon ein Klo nach heutigen Präferenzen war. Aber irgendwann hieß es nicht mehr Abort. Dann hieß es «Hüsli». Aber eigentlich war das «Hüsli» der Vorläufer des Aborts gewesen, und war draußen neben dem Schweinestall gestanden. Und wenn man in der weichen Dunkelheit des «Hüsli» hockte, konnte man die Schweine grunzen und forcheln hören, ihren Blasatem, und manchmal quetschte eine Sau ihren borstigen Rüssel unter der Hüslikante durch. Gacken war ein kleines Abenteuer.

Die Freundinnen meiner Tochter haben unserem Klo auch einen Namen gegeben. Es heißt «Georgie», und alle haben ein bisschen Angst vor dem Ding.

Das gehört zur Familientradition.

Anti-Amy-Chua-Demo

Gestern war ich in einer Anti-Amy-Chua-Veranstaltung. (Wer jetzt fragt, wer Amy Chua ist, der hat keinen Nachwuchs, und sollte zum Blog von Donna Leon wechseln.)

Nun gut. Zwei Worte zu Frau Chua: Amy Chua ist eine amerikanische Juristin asiatischer Herkunft, die, etwas euphemistisch formuliert, der Meinung ist, dass man von seinen Kindern auch etwas fordern kann. Ihr Buch «Tigermom» wurde ein Bestseller. Vor allem, weil sie darin schilderte, wie sie ihrer Tochter androhte ein Plüschtier zu verbrennen, wenn die nicht ordentlich Klavier übte. Da kochten hierzulande die Gemüter hoch. Folter!, wurde proletet, und man entschloss sich spontan, von nun an, jede Veranstaltung mit Kindern zu Anti-Tigermom-Demo werden zu lassen. So macht es den Anschein.

Bei der gestrigen Veranstaltung zeigten die Kinder (unter ihnen auch meine Töchter) was sie in «Akrobatik» (was früher einfach «Turnen» hieß) gelernt hatten. Die Leitern hatte mit herkulischer Arbeit Choreographien eingeübt, und nun zeigten uns die Kleinen, dass sie (hübsch choreographiert) einen Purzelbaum, ein Rad schlagen und ein Kerze machen konnten. Der Saal kochte. Die Blitzlichter flackerten, die Videokameras waren im Anschlag. Frenetischer Szenenapplaus nach einer Kerze. Muttis erhoben sich zur Standing Ovation nach einem gelungen Rad, und Pappis seufzten wohlig nach dem geglückten Purzelbaum, bevor sie die Büropfötchen rot klatschten.

Herrgottsack! Ein Rad schlagen, eine Kerze, ein Purzelbaum!

Ein Hauch Degeneration wehte durch den Saal. Und wer sich vorher unter den Eltern und den Kindern bewegte, konnte die Versagensangst spüren, die Anspannung. Keine Freude, keine Lockerheit, kein Scherz. Aber Konkurrenz. Die Kleinen kamen mit ihren Coaches. Die Coaches beschwerten sich über die Garderobe. Die Kleinen hätten mehr verdient. Wo war denn der Schminkspiegel mit den Lämpchen, den man immer in den Filmen sieht? Und warum war kein Namenschild auf dem nicht vorhandenen Sessel? Und warum wurden keine Plätze reserviert? Wo fand die Aftershow-Party statt?

Einmal habe ich ein paar Minuten bei einer dieser «Akrobatik-Stunden» im Turnsaal zugesehen. Die Kinder wärmten sich auf, und liefen ein paar Runden im Kreis. An den Wänden hockten die Muttis wie Fußballtrainer auf den Bänken. Wenn ihre Kinder eine Saalrunde absolviert hatten und vorbeiliefen, streckten die Muttis ihnen die Wasserflasche hin. Bis die Trainerin sie anblaffte, dies zu unterlassen. Man konnte den Muttis ansehen, dass sie 1. nicht verstanden, 2. sauer waren, 3. um die Gesundheit ihres Kindes fürchteten.

Ich machte, dass ich da raus kam.

Ich finde, die haben allen Grund, sich um die Zukunft zu ängstigen. Und nicht nur wegen der AKW’s.

Ich sag jetzt mal nix

Ich sag jetzt mal nix:

Zu Bin Ladens Tötung
den äußerst seltsamen Äußerungen von Frau Merkel
nix zum 193. Geburtstag von Karl Marx
oder zum bevorstehenden 70-er von Bob Dylan
Nix, nix, nix
und nochmal nix
dass einem, je älter man wird, die Menschheit am
Glutaeus maximus vorbeigeht
genauso wenig sag ich was zum Spruch: Man ist immer
nur so alt wie man sich fühlt, der zu den dämlichsten der
Menschheitsgeschichte zählt
noch verlier ich ein Wort über die Wetterkapriolen
oder gebe zu, dass ich mit den Burschen bin,
die gestern ins AKW Fukushima einsteigen mussten
oder dass ich es für eine Schande halte wie man
die jungen Tunesier behandelt
und ganz bestimmt sag ich nix zur
österreichischen Innenpolitik und auch nichts
zur realsatirereifen Dummheit der Schweizer Behörden
die damals sogenannte "Fichen" über uns angelegt haben
und ich sag auch nix zum 100. Geburtstag
von Max Frisch am 15. Mai, und ich werde mich hüten
zu sagen, dass es gut war, einen wie ihn zu haben
und ganz bestimmt werde ich nicht sagen, dass
die heutigen Autoren nur noch nach den Verkaufszahlen
schielen und dumme Krimis für ein dummes Publikum tippen,
aber eigentlich würd ich nie sagen, dass das Publikum
dumm ist, nein, ganz bestimmt nicht, denn man würde
einem Dummen mit diesem Vergleich nur Unrecht tun.
Ich sag jetzt mal nix.

Aus der Welt der komplett dämlichen Vergleiche (l.)

Heute: Der Cowboy

Wenn sich heute ein gemieteter Schreiberling daran macht einen Artikel, Kommentar, eine Glosse oder Kolumne zu verfassen, und das Objekt seiner launigen Betrachtung ist a) männlich, b) Amerikaner, c) nicht weiblich, d) ein handelnder Mann, e) ein dummer Mann, f) ein dumm handelnder Mann, g) ein dumm und schnell handelnder männlicher Amerikaner der nicht weiblich ist, dann umschreibt der gemietete Schreiberling die Taten des Handelnden nicht selten als «Cowboy-esk».

Neulich las ich, dass die Kärtner oder zumindest jener Teil der Kärtner, die es immer noch nicht verwinden können, dass ihre Großväter den Krieg verloren, und dass sich der «teitsche» Herrenmensch nicht gebührend durchsetzen konnte, und die deswegen ihrer slowenischen Minderheit das Recht auf zweisprachige Ortstafeln verweigert hatten, als «Cowboys» bezeichnet wurden. Dämlicher würd’s schon noch gehen. Aber da müsste man richtig suchen.

Wer etwas über Cowboys wissen will, der lese gefälligst H.J. Stammels Bücher. Zum Beispiel:

«Das waren noch Männer» Die Cowboys und ihre Welt

Lassen wir einen von ihnen zu Wort kommen:

„Von 1875 bis 1882 gab es sicherlich wenige Männer in Amerika, die während des großen Herdentreibens mehr Erfahrungen mit Indianern, Pferdedieben und Halsabschneidern gemacht haben als ich. Ich habe stets achtzehn von den vierundzwanzig Stunden eines Tages im Sattel verbracht. Als ich 1882 aufgab, brütete ich keinen einzigen Dollar in der Tasche aus, hatte aber für viele tausend Dollar Spaß am Leben gehabt. Jetzt bin ich einundsiebzig und sitze noch auf einem Pferd wie vor vielen Jahren. Ich würde nichts anderes tun, als ich es getan habe. Geld ist nichts – Leben ist alles.“
Gus Black, Eagle Pass, Texas

Das, Freunde, könnte auch Jörg Fauser geschrieben haben.

Rückkehr eines Fußgängers

Kurz vor Rosenheim wurde der Himmel gleichmäßig grau und sah aus, als hätte Rin-Tin-Tin Humphrey Bogart die Hutkrempe abgebissen, und dann begann es zu regnen und ich sah zu, wie die resche Regenmaid mir das Zugfenster schraffierte und war augenblicklich glücklich. Die Klimaanlage pumpte den Duft nach hervorragend gekühlter Schweinejauche in die Waggons, Gülle on the Rocks, niemand redete, kein Handy spielte einen Song von Pink, die Mitreisenden sahen ernst und gefasst aus dem Fenster, eine geradezu menschlich anmutende Szenerie die den «bekennenden Misanthropen» (©Bene M. Kramer) milde stimmte und auch hofffnungsvoll froh, denn es machte plötzlich den Anschein, als wär sie doch eine Möglichkeit, diese Menscherei, und als der Zug auch noch pünktlich war, schwang das Pendel meines Glücksgefühls bereits in Unschickliche. «Das musste jetzt aushalten, alter Sack!», sagte ich zu mir, «NImm es, und schluck es!»

Dann sann ich über meinen alten Freund nach, der wie ich, ein Fußgänger ist, und dachte daran, was wir schon alles abgewandert hatten, immer wanderten wir, wenn wir uns sahen, und ich dachte auch, wie fein es war, einen Freund zu haben, dem es Freude machte stundenlang zum Biergarten zu gehen. Eine Rarität ohne Führerschein. Fußgänger (nicht Spaziergänger, nicht Nordic-Walker, Jogger, Pinguin-Watschler). Burschen, die die Welt auf ihren Beinen durchschritten, und dabei klug über die Probleme der Welt sprachen und dann gehörig dem großartigen bayrischen Bier zusprachen.

Manchmal lesen wir auch zusammen, mein Freund und ich, und die Lesungen gehen von «kaum zu überbieten» bis «Naja». Wenn’s «Naja» wird, dann ist es mein Fehler. Kann sein, dass ich etwas im richtigen Mischungsverhältnis von Gehen und Bieren durcheinander gebracht habe. Unlust, Müdigkeit, Grant. Aber am nächsten Tag gehen wir schon wieder, und wir gehen das abverreckte Ding aus uns heraus.

Nach Rosenheim kam das bahnhoflose Salzburg und es begann richtig zu gießen. Eine Dose Bier kostete am Kiosk 2,70, und als ich im Zug nach Wien saß, sagte der Lautsprecher: «Meine sehr verehrten Damen und Herren. Auf Grund von Bauarbeiten in Deutschland haben wir leider eine Verspätung von 10 Minuten…»

Da wurde mir wieder bewusst, was die Deutschen vor einigen Jahrzehnten an den Österreichern wirklich verbrochen haben.