Anti-Amy-Chua-Demo

Gestern war ich in einer Anti-Amy-Chua-Veranstaltung. (Wer jetzt fragt, wer Amy Chua ist, der hat keinen Nachwuchs, und sollte zum Blog von Donna Leon wechseln.)

Nun gut. Zwei Worte zu Frau Chua: Amy Chua ist eine amerikanische Juristin asiatischer Herkunft, die, etwas euphemistisch formuliert, der Meinung ist, dass man von seinen Kindern auch etwas fordern kann. Ihr Buch «Tigermom» wurde ein Bestseller. Vor allem, weil sie darin schilderte, wie sie ihrer Tochter androhte ein Plüschtier zu verbrennen, wenn die nicht ordentlich Klavier übte. Da kochten hierzulande die Gemüter hoch. Folter!, wurde proletet, und man entschloss sich spontan, von nun an, jede Veranstaltung mit Kindern zu Anti-Tigermom-Demo werden zu lassen. So macht es den Anschein.

Bei der gestrigen Veranstaltung zeigten die Kinder (unter ihnen auch meine Töchter) was sie in «Akrobatik» (was früher einfach «Turnen» hieß) gelernt hatten. Die Leitern hatte mit herkulischer Arbeit Choreographien eingeübt, und nun zeigten uns die Kleinen, dass sie (hübsch choreographiert) einen Purzelbaum, ein Rad schlagen und ein Kerze machen konnten. Der Saal kochte. Die Blitzlichter flackerten, die Videokameras waren im Anschlag. Frenetischer Szenenapplaus nach einer Kerze. Muttis erhoben sich zur Standing Ovation nach einem gelungen Rad, und Pappis seufzten wohlig nach dem geglückten Purzelbaum, bevor sie die Büropfötchen rot klatschten.

Herrgottsack! Ein Rad schlagen, eine Kerze, ein Purzelbaum!

Ein Hauch Degeneration wehte durch den Saal. Und wer sich vorher unter den Eltern und den Kindern bewegte, konnte die Versagensangst spüren, die Anspannung. Keine Freude, keine Lockerheit, kein Scherz. Aber Konkurrenz. Die Kleinen kamen mit ihren Coaches. Die Coaches beschwerten sich über die Garderobe. Die Kleinen hätten mehr verdient. Wo war denn der Schminkspiegel mit den Lämpchen, den man immer in den Filmen sieht? Und warum war kein Namenschild auf dem nicht vorhandenen Sessel? Und warum wurden keine Plätze reserviert? Wo fand die Aftershow-Party statt?

Einmal habe ich ein paar Minuten bei einer dieser «Akrobatik-Stunden» im Turnsaal zugesehen. Die Kinder wärmten sich auf, und liefen ein paar Runden im Kreis. An den Wänden hockten die Muttis wie Fußballtrainer auf den Bänken. Wenn ihre Kinder eine Saalrunde absolviert hatten und vorbeiliefen, streckten die Muttis ihnen die Wasserflasche hin. Bis die Trainerin sie anblaffte, dies zu unterlassen. Man konnte den Muttis ansehen, dass sie 1. nicht verstanden, 2. sauer waren, 3. um die Gesundheit ihres Kindes fürchteten.

Ich machte, dass ich da raus kam.

Ich finde, die haben allen Grund, sich um die Zukunft zu ängstigen. Und nicht nur wegen der AKW’s.

Eine Antwort auf „Anti-Amy-Chua-Demo“

  1. Was Hans nicht schafft, muss Hänschen schaffen. Oder so ähnlich. Und wenn Hänschen das für Hans erledigt, ist Hans fein raus; das ist doch einen Applaus wert.
    Und wenn es nicht lernen mag: Ein Kind muss nicht Klavierspielen lernen, es gibt auch noch andere Tätigkeiten, wie Telefonieren oder shoppen…

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