Wenn die Sonne scheint … Teil V

Als ich in die Blechturmgasse einbiege, greift mich die Sonne frontal an, tief und geduckt, ein gleißender Morgenstern, und ich kann nicht umhin, die Augen zu senken. Welch Demütigung! Aber damit nicht genug: Sie zwingt mich die Straßenseite zu wechseln, rüber in den Schutz des dünnen Schattenstreifens, und mit einem Mal verstehe ich Lurche, Salamander, Grufties und Vampire; ich will mit ihnen zusammen in feuchten dunklen Höhlen und Särgen leben. Die Sonne soll «scheißen gehn», bitteschön, und ich denke mit Ingrimm an die menschlichen Idioten die diese Zumutung auch noch anbeten, und mit Verachtung gedenke ich jener zeitgenössischen Schattenparker und Coelho-Bücher-Verschenker, die einem bei jeder Gegelegenheit mit ihrem Wunsch nach Südsee und Wärme in den Ohren liegen. Haut’s endlich ab! Und kommt wieder, wenn ihr auf Kosten der Allgemeinheit euren Hautkrebs behandeln wollt oder vertschüsst euch auf die Donauinsel, auf der – und da geh ich jede Wette ein – schon die ersten Irren in den Liegestühlen, das Alupapier unters Kinn drapiert, wie geisteskranke Insassen eines Freilufthospiz›, ihrem Krebstod entgegen dämmern.

Sei’s drum. Idioten fallen wohl nicht ins Gewicht. Dafür las ich den mehr als wunderbaren Anfang des Tagebuchs des Malers Delacroix: » Nun setze ich meinen so oft gefassten Plan, ein Tagebuch zu führen, in die Tat um. Es ist mein glühendster Wunsch, nicht zu vergessen, dass ich nur für mich selber schreibe. So werde ich, wie ich hoffe, stets die Wahrheit sagen und mich dadurch bessern …»

Oh, Mann, oh Mann! Ein wahres Wunder!