Am Tag, als John Lennon starb

Morgen vor dreißig Jahren, wurde John Lennon von Mark Chapman vor dem Dakotabuilding in N.Y erschossen. Als 1963 John F. K. in Dallas gemeuchelt wurde, saß ich zusammen mit meiner Mutter im Wohnzimmer vor dem Radio. Zwei meiner Brüder waren damals noch Babys. Es war irgendwie schlimm. Ein Gefühl, als könnte nun alles geschehen. Ein Krieg ausbrechen. Zum Beispiel. Damals kamen Attentate in Mode. Martin L. King, Robert Kennedy, Sadat usw.
Als John Lennon starb, lebte ich in Basel und hing meistens in der Stadt-Bibliothek herum, weil man dort lesen und manchmal einen Kaffee schnorren konnte. Ich hatte ein kleines Zimmer in einem ehemaligen Mädchenpensionat. In den Fluren plätscherte das Wasser aus dem Deckenstuck, und in meinem Zimmer wuselten die Schaben in Hundertschaften über die Wände. Ich fing sie mit Doppelklebeband. Die Vorstellung, dass sie mir nächtens in die Nasenlöcher kriechen könnten, war mir unangenehm.
Vermutlich war ich unglücklich verliebt.
Ich weiß noch, wie ich, nachdem ich die Nachricht im Radio gehört hatte, auf die Straße trat und mir meine letzte Gauloise ansteckte. John Lennon war tot. John Lennon war ein obszön reicher Mann. John Lennon war ein daumennuckelndes Weichei. John Lennon wollte die Welt retten. Wie ich. Und außerdem wollte ich noch rausfinden, wie man schreibt. Wie man ein Dichter wird. Das schien mir schwieriger, als die Welt zu retten.
Ich rauchte meine letzte Zigarette und stiefelte in den «Birsfelderhof». Es ging gegen elf. Wenn ich Glück hatte, traf ich eine gute Seele, die mir einen Kaffee spendierte oder mir einen Zehner lieh. John Lennon war tot. John Lennon war mir wurscht. Immer schon. Immer noch.

Psycho-Western

Es ist soweit. Ich habe mein erstes Theaterstück geschrieben. Es ist gestern, nach einem letzten Arbeitswochenende im Waldviertler Gasthof Huber, fertig geworden. Ich habe es nicht alleine geschrieben, sondern zusammen mit meinem großartigen Kollegen, Valentin Hitz. Eine reife Leistung für einen wie mich, der Theater nicht ausstehen kann. Aber neulich habe ich Harald Schmidt im Gespräch mit dem Schauspieler Gert Voss gesehen, und der erzählte, dass er Theater entsetzlich langweilig fand. Und trotzdem ist er vermutlich der größte lebende Theaterschauspieler deutscher Zunge. Und was für Schauspieler recht ist, sollte für Autoren nur billig sein.
Nebenbei habe ich auch noch ein Genre erfunden: Den «Psycho-Western». Das Stück heißt (für die Interessierten): «Grubliner».

Und am Abend sah ich dann bei «Giacobbo und Müller» den Schriftsteller Martin Suter und den Musiker Stefan Eicher antanzen, die über ihre Version des Musicals «Ewige Liebe» – die natürlich anders heißt, aber der gleiche feuchte Kitsch sein wird – plauderten und witzelten. Tja, die Eidis hams nötig. Sie wollen nun mit Gewalt in der geistigen Provinz heimisch werden, und jetzt steuern Suter und Eicher auch noch ihr Scherflein dazu bei. Grundgütiger, was’n Auftritt! Suter und Eicher! Saturiert und schwul, wie ein Foulardknotenbindeseminar mit Karl Lagerfeld und Elton John. Da sag ich nur: «Grüezi mit dä Hand!», blicke in meinen verschneiten Hinterhof, in den feingrauen Himmel, der so tief hängt, dass ich nicht mal die Jets sehen kann, und bin mit dieser elenden, unfreundlichen Stadt aufs Tiefste ausgesöhnt…

Mein bester Freund

Ich verabschiede mich für ein Arbeitswochenende in den Winter. Und wo ist hier im Osten am meisten Winter? Im Waldviertel, natürlich. Man mag mich für verrückt halten, aber so ein Winter söhnt mich mit fast allem aus.

Der Sommer ist ein von sich selbst besoffener Hurenbock auf Viagra, der am Liebsten in der Sauna vögelt. Der Frühling, ein zerknittertes, in die Jahre gekommenes Mädchen, dass aus Geiz die Intimrasur versemmelt hat, und der Herbst ein goldiges Kerlchen, das dir die Rechnungen für Viagra und Intimrasur präsentiert. Aber der Winter! Der Winter ist ein wahrer Freund. Großzügig, warmherzig, nachsichtig und kühl-vernünftig. Ein Spaßmacher auch, ein Bursche, der nicht viel von Konventionen hält, ein gutmütiger Anarchist, der den jungen Wein genießt und Schneebälle auf Autos wirft. Wie gesagt: Mein bester Freund!