Die Kinder sind froh

Seit Neuestem arbeite ich als Koch. Von Gratis-Blogs und dem Lob für das neueste Buch, kann man nicht leben. Nicht mal ich. Es müsste auch jemanden geben, der das gelobte Buch käuflich erwerben möchte. Nun, jetzt bin ich eben Koch. Ich koche gesundes, gutes, vitaminreiches Mittagessen für Schulkinder. Ich entwerfe einen wöchentlichen Speiseplan und ziehe ihn durch. Es gibt jeden Tag eine Suppe als Vorspeise. Die Kinder mögen Suppen. Sie verschaffen mir auch die Möglichkeit, ihnen ein paar Vitamine aus frischem Gemüse unterzujubeln. Wenn ich ihnen ein feines Krautstiel-Gemüse baue, lassen sie es stehen. Wenn ich es in die Suppe püriere und ein paar frische Croutons drüberstreue, verlangen sie eine zweite Portion.

Heute gibt es z.B. eine Gemüsesuppe mit Krautstielen, Fenchel und Pastinaken, Serviettenknödel mit Gemüselaibchen und Nachspeise. Obst und Rohkost.

Die Kinder stammen aus Familien, in denen noch gekocht wird, und in deren Wohnungen es noch Küchen gibt. In England werden bereits Wohnungen ohne Küchen gebaut. Irgendwo neben dem Fernseher steht eine Mikrowelle. Jamie Oliver, und Wissenschaftler, haben rausgefunden, dass sich das Aggressionspotential in Schulen mit gutem, vitaminreichen Essen drastisch senken, und im Gegenzug die Aufmerksamkeitsspannen – die jenen von Stubenfliegen ähnelte, auf die eines durchschnittlichen Teenagers, steigern ließ.

Ich selber habe die Ernährung umgestellt. Keneas kreas, parakalo! Wie ich als Griechenland-Reisender oft sagte: Kein Fleisch, bitte! Und nur Obst bis zu Mittag. Das kommt richtig gut. Die ganze Schwere hat sich aus meinen Knochen verflüchtigt, ich fühle mich nur noch wie ein normales Schwergewicht.

Jetzt muss ich rüber in die Küche, und die Serviettenknödel zimmern. Sie sind eine Premiere für die Kids. Für mich nicht. Sie werden gut werden. Ich glaube, die Kinder sind froh, dass meine Bücher nur gelobt, und nicht gekauft werden…

Eine Antwort auf „Die Kinder sind froh“

  1. Mir geht es gut, denn ich habe eine Familie, und ich bin nie allein. Mir geht es schlecht, denn ich habe eine Familie, und ich bin nie allein. Und das ist kein Widerspruch!
    Seit 25 Jahren koche ich beinahe jeden Tag. Ich habe Glück, denn ich koche gerne. Um aber Anerkennung dafür zu bekommen, müsste ich dieses Glück heimlich genießen, sollte es ausschließlich hinter vorgehaltener Hand meinem Spiegelbild mitteilen. Denn gern ausgeführte Handlungen werden nicht belohnt. Will ich fürs Kochen belohnt werden, muss ich leiden. Ich darf nicht zugeben, dass ich glücklich bin. Nicht vor meiner Familie, die das Glück hat, eine glückliche Köchin zu haben, bei der man sich nicht bedanken muss. Ich glaube, meine Familie denkt inzwischen, ich muss ihnen dankbar sein, dass ich sie bekochen darf. Das ist gut und das ist schlecht.
    Ich bin nie allein. Das ist toll. Aber ich verfluche es manchmal, vor allem in Tagen wie diesen, in denen ich total zugeschleimt am liebsten mit meiner verschwitzten Bettwäsche verschmelzen würde. Ohne das ganze Brimborium wie Wäschewaschen, einkaufen, kochen, Kinder holen, und ohne scheele Blicke von Gesunden, wenn ich geräuschvoll Schleim hochziehe und Schnäuztücher rumliegen lasse, die ich, lebte ich allein, nach einer Woche ohnehin entsorgen würde. Ich habe mich entschieden, meine Aufgaben auf das Notwendigste zu reduzieren. Ich koche zwar, aber ich kaufe nicht mehr ein. Ich wasche zwar, aber ich lege die Wäsche nicht zusammen. Ich wasche mich, aber ich putze keine Waschbecken. Usw.
    Interessanterweise macht mir das Kochen immer noch Spaß, obwohl ich inzwischen für alles immer irgendetwas vermisse. Es ist momentan die einzige kreative Handlung, die auszuüben bleibt. Ich finde einen Kürbis unter dem vergammelten Erdbeerkraut und erfinde einen völlig geschmacksfremden Kürbiseintopf, spiegle den Kindern falsche Tatsachen vor, indem ich behaupte, sie äßen Kartoffel mit Curry, verwende Minze statt Petersilie, mische Sauerkraut mit frischem Kraut, zerschnipple süßes Milchbrot und mache daraus Semmelknödel, die ich dann mit einer Eiermilchmasse, ordentlich Zucker und Zimt untergemischt in Butter röste, und verwende Mayonnaise im Kartoffelbrei, weil ich keine Butter und keine Milch mehr habe.
    Was immer aus mir raus will, ich lasse es raus, verhalte mich wie ein Hausschwein, das freundlich grunzend seine Brut um sich schart und zwischendurch eins der Nervtöter wegbeißt, um sich in Ruhe röchelnd seiner Hauptaufgabe zu widmen: Ich bin ein Schleimproduzent. Und ich muss bis heute Abend halbwegs fit sein, denn ich lese in meinem Wohnort. Ich habe kleine süße Miststücke vorbereitet, die mir nicht geglückt sind. Aber gut, es sind eben Miststücke. Ich erwarte einen Haufen Menschen, von den guten Freunden, über die Fleischfachverkäufer und faulen Buchhändler bis hin zu den Nachbarn. Und alle wollen kommen und meine Bücher kaufen. Was sie natürlich nicht tun werden, denn man kann das Buch ja inzwischen in der Bücherei ausleihen. Das ist billiger.
    Aber immerhin: ich bin nicht allein. Und meine Familie wird da sein.

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