Bericht einer 1. Autorenlesung

Die  Autorin Gudrun Völk, deren Début «Miststücke» gerade bei Songdog erschienen ist, hat die Erlebnisse und Erfahrungen ihrer 1. Lesung in einen kleinen Bericht gepackt.Dieser Bericht ist nicht ganz unexemplarisch, und diese Erlebnisse können, in der Art zumindest, immer wieder mal vorkommen. Muss nicht, aber kann. Die schlechtesten sind es jedenfalls nicht…

1. Lesung im Cafè Echternacher Hof an der Mosel

Während ich versuche, die leckere Gewürzmischung meiner Schwester Gertraud für die Kartoffel nachzumachen, dusche ich noch mal, sehe in den Spiegel, sehe eine Hexe mit faltigem Dekolleté, ach so, das bin ja ich, und überlege, was ich denn nun schreiben soll. Meine erste Lesung muss ich schon irgendwie festhalten. Lilly erzählt mir von ihrem Schüler VZ- Dialog, wobei ich die Art des Dialogs schwer anzweifle, was den philosophischen Hintergrund betrifft. Gleich kommt Besuch, wir haben wahnsinnigen Kohldampf, weil wir wegen der Hitze den ganzen Tag nix gegessen haben.

Seit gestern sind wir zurück aus unserem Urlaub an der Mosel. Die typischen Moseltouristen sind wir zwar nicht, aber wer je im Echternacher Hof gewesen ist, wird ohne zu zögern einen zweimonatigen Indientrip mit allen dazugehörigen Bum shankas gegen zwei Wochen Hoffmann-Scheuer-Sperzel-Völk-Familientreffen an der Mosel eintauschen

Mein Ex-Schwager und alter Freund, Chris, war auch für eine Woche da – eine Woche der Superlative. In Indien gibt es angeblich mehr Österreicher als in Österreich! Vor allem die Intelligenz wandert aus. Natürlich nicht nur nach Indien. In Anbetracht der 8 Mill. Einwohner Österreichs, stellt sich die Frage, wie einsam sich die Zurückgebliebenen fühlen müssen! Oder ist Österreich ein Land, in dem nur mehr Ausländer leben?! Chris sorgt immer für Unterhaltung. Nicht, dass ich nichts zu sagen habe, aber wer mit Chris an einem Tisch sitzt, erstarrt unweigerlich zur Salzsäule. Wenn dann noch die Oma ihren echten Alzheimer raus lässt, glaubt man sich in einem dadaistischen Theaterstück. Wobei die Oma für den Refrain sorgt:

Sind denn die Türen auch alle abgeschlossen, in der Scheune brennt noch Licht, soll ich morgen Frühstück machen. Rolf, ihr Sohn, der Freund meiner Schwester, ist der Antagonist:

Nein, Mutter, Frühstück machen seit Jahren wir, das Licht bleibt an, wir sitzen ja noch hier. Fünf Minuten später der gleiche Refrain:

Sind die Türen abgeschlossen, in der Scheune brennt noch Licht, ….

Ich habe meine erste Lesung ganz bewusst an diesem Ort angesetzt. Selbst wenn noch ein paar mehr Zuhörer mehr da sein sollten, Chris und die Oma würden mich auf jeden Fall toll finden. Er, weil er die Abwanderung der Intelligenz aus Österreich bestätigt sähe, und sie, weil es ihr endlich möglich wäre, ihr Lied vor Publikum anzustimmen. Obendrein würde mir dieser Umstand alle 5 Minuten eine Zigarettenpause einfahren.

Wir haben den ganzen Nachmittag rum gerödelt, am Programm gearbeitet und Essen gekocht. Vorneweg sollte es Aioli mit Weißbrot geben, und während die Leute essen, würde ich meine erste Story lesen: Ihr dürft Queen zu mir sagen. Wolfgang begleitet mich leise am Bass, und an bestimmten Stellen würde ich eine Pause machen, in der er – dem Text entsprechend – lauter werden sollte. Vornehmlich nach Worten wie Arschloch, blöder Hund und Idiot. Danach würden Chris, Wolfgang und der Drummer 5 Minuten zusammen Musik machen. Letzterer wurde ein paar Tage vorher gefragt, ob er Lust habe, an diesem Abend zu spielen. Ziemlich schnell war klar: Der Kerl braucht Alkohol, um locker zu werden. Na gut, ein Grund mehr, mit dem Lesungsort zufrieden zu sein – entweder er wird nix mitkriegen, oder er wird brüllen vor Lachen, wenn auch an unpassenden Stellen.

Nach diesen 5 Minuten wollte ich „Das Miststück“ lesen, danach würde es eine Pause geben, in der Gertraud und die Mädels die Ofenkartoffel reichen sollten. Wir hatten den Ablauf genau geplant, meine Schwester und ich.

Chris hat in letzter Sekunde vor dem Eingang eine Lotusblüte in eine Kartoffelhälfte geschnitzt, die Mädchen sollten Hollundersekt reichen, den Eintritt kassieren und die Besucher mit Kartoffeldruck auf von ihnen bevorzugten Körperstellen beglücken. Wir rechneten mit 0-30 Personen. Sowohl die Ofenkartoffeln, als auch das Aioli würden reichen.

Chris unterhielt uns während der Arbeit mit Geschichten aus Österreich – die Menschen dort sind alle mit 20 bereits Frührentner und drogenabhängig. Ich stellte mir vor, wie die österreichische Intelligenz kopfschüttelnd von außen auf ihr Land sah. Gott sei Dank, lebten die meisten Österreicher ja in Indien! Auch an meine armen Eltern zuhause dachte ich. Die mussten sich doch ziemlich fremd fühlen: alle weg, und die, die noch da waren, 20-jährige Frührentner, der Rest wahrscheinlich Inder.

Die zweite Runde sollte dann mit Musik eingeläutet werden und den Besuchern etwas Erholung von meiner schweren Kost verschaffen – sowohl von den Ofenkartoffeln, als auch den vielen Arschgesichtern aus der vorhergegangenen Story. Als Letztes lese ich dann „Kalifornien!“, und zum Abschluss bekommt jeder ein Eis am Stiel – passend zur Geschichte. Und dann: Applaus und Open End mit Musik.

Wir warteten also erwartungsvoll, schweinemäßig geil herausgeputzt – vom kleinen Schwarzen bis zum kussechten Lippenstift war alles da. Auch unsere Mädchen, Marie und Lilly, haben sich unglaublich schick gemacht – hammersexy und zuckersüß!!

Der Drummer hat nur Wasser bekommen, dafür wollte er nun Chris überreden, mit ihm noch schnell einen durchzuziehen. Ich habe mich im Hof hinten verschanzt, um von da aus auf die Bühne zu gehen, wenn denn der Raum voll war. Es kam aber niemand, also mischte ich mich wieder unter meine Familie. Wir ergaben immerhin, zusammen mit dem Drummer, 10 Personen. Die Oma hatte Lippenstift aufgetragen und sich eine Perlenhalskette umgelegt, die Tage später noch im Lokal rum lag, weil sie die irgendwann zwischendurch unpassend fand. Kein Wunder. Ihre Perücke saß, wie immer, total schief, aber ansonsten benahm sie sich ganz gut.

Es kamen dann doch noch ein paar Leute: ein Schwulenpärchen – zwei wirklich hübsche, interessante Männer – eine stockbesoffenen Astraltante in weitem Kittel, und zwei Winzerinnen, die etwas betreten in die Runde guckten.

Während ich die erste Story las, musste ich dauernd zur Astraltante schauen, die sich das Aioli ständig ins Gesicht stümperte und den Mund als Empfänger immer erst nach mehrmaligem Anlauf fand. Ich war so verwirrt, dass ich vergaß, an den Arschlochstellen auf Wolfgangs Bassgehämmer zu warten. Als die Musiker dann gemeinsam ihre geplanten 5 Minuten spielten, war klar, dass ich die jetzt stoppen musste, wenn ich mir „Das Miststück“ nicht in die Haare schmieren wollte. Wehe, wenn sie losgelassen!

Der Drummer wollte dann auch wieder einen durchziehen, während ich die Winzerinnen mit den Kraftausdrücken des Miststücks verschreckte.

Ich fand eine Möglichkeit, den Anblick der mittlerweile völlig verschmierten Astraltante zu umgehen – ich lernte, mal nach links und mal nach rechts zu sehen. Was ich heute noch im Genick spüre. Links die zwei Männer, rechts meine Großfamilie. Auf diese Seite sah ich nicht so gerne, denn da gab es immer eine gewisse Unruhe: Rolf, der seine Mutter davon abhielt, ihr Lied vom Lichtausmachen anzustimmen. Ich vermute, er hat sie vorübergehend mit der Perlenkette stranguliert.

In der Pause musste ich rauchen und trinken, den Blick meiner Tochter ertragen – also, echt, Mama – und das erste Mal in meinem Leben eine gewisse Scheu des Publikums gegenüber dem lesenden Autor feststellen. Ich war die, wegen der sie gekommen waren, und ich war die, die immerhin ein Buch geschrieben hat. Komisch.

In der zweiten Hälfte hat der Drummer nur noch Scheiße gespielt – mit rotem Kopf und ohne Rhythmusgefühl, dafür umso lauter und mit großer Begeisterung. Die Oma wurde unruhig, erklärte nun doch noch allen, dass das ihr Haus ist, in dem mal Benediktiner gelebt haben, die ganz genau gewusst haben, wo es sich leben lässt, und dass nun, bitte sehr, alle gehen möchten, weil sie jetzt abschließen wolle. Die Astraltante war plötzlich weg, und die Winzerinnen sind aus ihrer Starre aufgetaut. Sie haben sich sehr gefreut über den amüsanten Abend, haben je ein Buch gekauft, das ich signieren sollte (das erste Mal!!)

Und dann haben sie mir noch einmal die Frage gestellt, die mir schon die aioliverschmierte Betrunkene während der Lesung, mitten hinein, gestellt hatte:

Wie sind Sie denn zur Schriftstellerei gekommen?

Ich hatte mir vorher überhaupt nichts überlegt. Solche Fragen mussten ja kommen!

Keine Ahnung, habe ich gesagt, mit dreißig habe ich beschlossen, kein Frührentner zu werden und bin aus Österreich weggezogen. So fing alles an.

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