Wo gibt’s eigentlich Stefansdome zu kaufen? Oder: Von Kärnten lernen, heißt siegen lernen

Der Finanzminister «hat die Nase voll von Kärnten!». Sacht er, der Neffe, des Chefs von Ösi-County. Tja, soll er halt. Er wird sich wohl einen Nasenspray besorgen müssen. Salzlösungen helfen im Übrigen auch, wenn man grad nicht so liquid ist. Das könnte der Fall sein. Denn der Steuerzahler hat sich gerade eine Bank gekauft. Jedem Ösi seine Bank. Da fahren ein paar solariumgegerbte Chuzperianer so ein Bankilein flott gegen die Wand, und nachdem man alles Wertvolle aus dem Wrack ausgebaut und vercheckt hat, wird die gecrashte Kiste dem Steuerzahler für den Neupreis wieder angedreht.

Das Land Kärnten, bzw. dessen Politiker haben sich – wie die Spezeln der CSU im nördlichen Bayern – dieser Hypo bedient, als wär’s eine offene Ladenkasse. Um die Freunderl bei Laune, die politischen Gegner unten, und den Wähler mit bar ins Handerl abgekackten Geldgeschenken bei der Stange zu halten. Natürlich tragen diese Mannen keine Schuld an dem Crash.

Für diese Einstellung habe ich vollstes Verständnis. Warum sollten gerade die Kärtner, in einem Land das als Nation, sowie als Individuum, niemals irgendeine Verantwortung für irgendetwas trägt, sich in diesem Falle irgendwie mitschuldig fühlen? Das wär doch nachgerade pervers!

Pech für den Steuerzahler, dass das Land Kärnten nun doch 200 Millionen zur Rettung der Bank beitragen muss. Pech, weil Kärnten das nie und nimmer tun wird. Da kann der Finanzminister noch so verschnupft sein. Die Kärntner haben als verschworene verschwörungstheoretische Gemeinschaft zu leben gelernt. Für sie gilt: «Nur wer sich an Gesetze hält, ist wirklich blöd. Und was Gesetz ist, bestimmen im Übrigen noch immer wir.»

Sie haben bewiesen und beweisen es noch, dass Verfassungsgerichtshofbeschlüsse (Zweisprachige Orsttafeln) etwas für den Villacherfasching sind.
Und haben Sie nicht recht?
Als Kelsen die österreichische Verfassung bastelte, war die Alpenrepublik offenbar von edlen, lauteren Gutmenschen besiedelt. Für das Brechen von Gesetzen der Verfassung sind keine Sanktionen vorgesehen. Das ist toll. Das ist so, als dürfte man im Supermarkt nicht klauen, aber wenn man’s trotzdem tut, kommt der Filialleiter und hält einem die Tür auf, weil man beide Hände voll mit Sore hat.

Von Haider lernen, heißt siegen lernen.
Und wenn man ohnehin pleite ist, ist’s doch eh wurscht, wenn man noch 200 Millionen abdrücken soll. Loss ma die in Wien no a bissi schimpfen. Sie können eh nix tun. Und der Restösi wird auch schimpfen. Schimpfen und zahlen. Wie das Lösegeld an einen Geiselnehmer. So sans hoit, da unten, wird er sich sagen. Aber schee isch scho, Kärnten!
Und die Herren Dörfler und Scheuch die «Teitschen», werden Wahlsiege einfahren, dass man selbst in der bayrischen CSU nur noch grün vor Neid wird.
Ich finde, zu Recht. Das sind Leute, die führen können. Auch wenn sie von Rechts wegen entmündigt gehören.

Ich habe gerade vernommen, dass in Wien vermehrt Stefansdome in Modellgröße nachgefragt werden. Bevorzugt wären jene aus Gusseisen. Sind doch echt edle Weihnachtsgeschenke à l’italien, oder?

Im Innern der Siliziumbatterie von David Lynchs Hörgerät

Kleiner Nachbericht zu:

STYX
eine Fuge in Klaengen und Bildern fuer 4 Projektionen und 4 Lautsprechersysteme
Komposition, Akustische Inszenierung & Klangregie: Guenther Rabl

Fotografie & Projektion: Renate Porstendorfer

Franz Doblers Johnny Cash Biografie «The beast in me» beginnt mit einer Episode, in der uns der Autor die Begegnung mit einer Frau erzählt, die er, der Herr Autor, gerne etwas intensiver gestaltet hätte, die aber jäh zu einem Ende kam. Warum? Weil der Autor auf die Frage, welche Musik er sich so anhöre, mit : «Ziemlich viel Countrymusik» antwortete. «Ach, Gottchen», sagte die Frau.

Ich höre auch sehr viel Countrymusik. Folk und Songs. Songs und noch mehr Songs, und zur Abwechslung Songs.
Aber gestern Nacht nicht.
Was hätte die Frau aus der Cash-Biografie geantwortet, wenn der Autor ihr verkündet hätte: «Ich hör mir Günther Rabl an. Und, dazu sehe ich die Dias von Renate Porstendorfer. STYX, heißt das Teil, jawohl.»
Ach Gottchen, wohl nicht.

Rabl nennt seine Arbeit eine Fuge. Ich weiß nicht genau, was eine Fuge ist. Jedenfalls nicht im musikalischen Kontext. Bach und so. Ich kenne ein wenig die Gesetze von Songs. Ich weiß fast nichts über die Gesetze von Fugen. Ich weiß von vielen Dingen fast nichts. Aber besteht nicht der Genius der Musik darin, dass man als Konsument gar nichts zu können braucht? (Glaubt manch einer) Wer sich ein Buch reinziehen will, muss zumindest lesen können. Aber für Musik reichen ein paar halbwegs intakte Gehörgänge.
Und was Rabl einem da hineintut, in diese Gänge, ist von der Art, dass man als alter Hippiesack weiß, dass er damit in den Siebzigern reich geworden wäre. Zu recht. Und Renate Porstendorfer auch. Draußen vor den Toren des Veranstaltungsgebäudes hätten sich Kohorten haschischrauchender Freaks niedergelassen, Verzückte auf LSD und Meskalin, die auf Einlass harren.
Trips. Explosionen in Zinnober. Unedliche Glücksgefühle. Die offenen Münder von Teilzeit-Idioten. Nicht mehr staunend, sondern nur noch glückselig fassungslos.
Aber LSD und Meskalin waren die Mitgift der Götter an die Unschuld. Verprasst und durchgebracht. Die Tore vernagelt. Dahinter ein gähnender Abgrund.

Aber ich sass dann da, halbwegs nüchtern, und hörte und sah. Was hörte und sah ich? Ich wusste es nicht. Ich strengte mich an, dahinter zukommen. Aber hinter was?
Nach 5 Minuten stand fest, dass ich nicht mal mehr wusste, wo ich war. Das schmeckte mir nicht. So ohne LSD. Ich will wissen, wo ich gerade bin.
Gut. Ich hörte und sah.
War das nicht der Schrei eines Blattes, das der Wind vom Aste riss? Und hier das Blubbern von gärenden Pilzen am Rande eines Morasts? Hörten wir nicht gerade das tausenfach verstärkte Seufzen einer Sicherheitsnadel beim Zuschließen? Und waren die großen Dias nicht Mikro-Aufnahmen vom aufgesprungenen Lack einer Lippenstiftverschlusskappe aus Lynchs Film «Mulholland Drive»?

In meinem Gehirn tat es tun, wie man im Berner Oberland sagt. Ich bin Schriftsteller. Semi-trockener Wortalkoholiker. Und dieser musste was unternehmen. Tat er auch. Er nahm mich bei der Hand und flüsterte mir ins Ohr: «Fürchte dich nicht. Wir sind im Innern der Siliziumbatterie von David Lynchs Hörgerät. Was du hörst ist nur das wundersame Stöhnen, Ächzen, Juchzen, Gluckern und Blubbern der Atome. Das «Make Love, not war» der hüpfenden Elektronen auf ihren Bahnen des leuchtenden Nichts in den Reflexionen eines letzten Schlucks Wein. Das Kreisen der Kreise und das selbstvergessene Knirschen des Knirschens. Hör zu, mein Lieber, hör zu, du oller Countryfan.»

Mitten drin wünschte ich mir, dass zwei Boxer auftauchen würden, sich einen sekundenschnellen Schlagabtausch lieferten, um sich daraufhin in Luft aufzulösen. Sie kamen nicht. Na klar, kamen sie nicht. In der Oper «Aida» schwebt auch nicht der Geist Johnny Cash’s auf die Bühne und zeigt uns allen seinen jüngst gehäkelten Topflappen.

Als es vorbei war, und wieder das Licht im wunderbaren Kuppelsaal der Technischen Uni Wien, anging, hatte ich das Gefühl, das alle irgendwie glücklich waren, und der eine oder die andere sich fragte, wo er/sie gerade gewesen war.
Aber vielleicht war das allen anderen vollkommen klar, denn so viele Countryfans gab es vermutlich nicht in diesem Publikum.
Und die «Ach Gottchen-Lady», war auch nicht zu sehen. Vermutlich war sie schon früher gegangen, weil der Babysitter nur bis 21 Uhr konnte.

Sunday moaning comin› down – Poetry

Franz Dobler (*1959) hat sein ganzes Leben an Lech oder Isar verbracht und denkt manchmal schon darüber nach, ob das gut so war. Und was er schreiben muss, damit er sich ein kleines Appartement in Nashville leisten kann. Vielleicht bekommt sein dritter Gedichtband deshalb den Titel „Dracula und andere Vampirgedichte“. Warum eigentlich nicht?

WARTEN AUF WAITS

tom waits zum sechzigsten

Als ich 20 war
wollte ich sein wie Tom Waits.
Ich mochte seine Musik
ich mochte sein Image
vor allem sein Image mochte ich.

Auf Partys saß ich allein
in der Ecke, betrank mich und
versuchte den Eindruck zu machen
man solle mich besser nicht ansprechen
wenn man keine interessante Frau war.

Mein Freund, der Dichter Thomas Palzer
nannte mich, war er in Stimmung
mit nem doppeldeutigen Grinsen
Tom Waits – hey, du kannst aber
jetzt noch gar nicht gehen, Tom Waits!
Auch wenn ich gar nicht mehr ging.

10 Jahre später
war mir dieses Image längst
viel zu romantisch geworden
und meine Seele wollte nur
noch mit Prince oder Cramps schlafen
und außerdem war ich Vater geworden.

Ich schaffte es auf gewissen Partys
ohne einen Tank voll Bier, Wein, Schnaps.
Etwa zu dieser Zeit
(der Staub, der beim Mauerfall tobte
hatte sich in den Lungen abgesetzt)
verschwand Waits´ in meinem Hintergrund

zuviel Theater
zuviel Kunst
zuviel Pose, jetzt viel
zuviel Pose.

Aber ich nahm´s ihm nicht übel.
Ich versteh den Künstler, der sich ändert.
Manchmal hörte ich eine alte Platte.
Ihre Wirkung war immer noch groß
doch die Wirkung von damals
kam nie wieder, konnte nicht
ging doch nicht und machte nichts.

Als ich dann, wieder 10 Jahre später
gefragt wurde, ob ich mit Waits
in Kalifornien sprechen wollte
sprang ich also nicht an die Decke
doch erinnerte mich gut
dass ich 20 Jahre zuvor
bei diesem Angebot mehrere Decken
durchschlagen und durchschossen hätte.

„California, here I come!“

Tom Waits´ Stammkneipe war
ein allein stehender, lang gestreckter
schlecht verputzter eingeschoßiger Bau
halbe Stunde weg von San Francisco
an diesem Highway, auf dem schon
die erste Generation der Hell´s Angels
so gern gebrettert war.

Vom Basislager der Journalisten in Petaluma
fuhren mich die Männer der Plattenfirma hin
High Noon und die Sonne feuerte erbarmungslos
und er kam nicht, warten auf Waits
5 Minuten, 10 Minuten, 30 Minuten.
Doch ich blieb ruhig, weil ich sah
dass die Männer von Anti-Records
vollkommen ruhig blieben.

Es war auch so genug los.
Der holländische Wirt der Restaurant-Bar
die bei uns keine Lizenz
von der Restaurant-Polizei bekäme
zeigte mir sein von Jeanne-Claude
und Christo gestaltetes Gästebuch.
Sie hatten auf den Weiden in der Nähe
monatelang einen Zaun verkleidet
der dann meilenlang weiß im Grün strahlte
weil sie vielen Menschen nicht nur Abenteuer
sondern auch Arbeit gegeben hatten
während hinter dem nächsten Hügel
der See lauerte, an dem Hitchcock
seine Vögel gedreht hatte.

In der letzten Ecke des großen Parkplatzes
lagerten drei abgerockte Wohnwägen
und davor ein paar Leute.
Ich schlenderte rüber, blieb stehen
bei ihnen, sagte Hallo, war bereit, mich
als deutscher Journalist vorzustellen –
Hello, sagten sie vorsichtig, die White Trash-Leute
der weiße Menschenmüll.

Was ist denn hier eigentlich los?
sagte der eine Müllmann
gestern auch so viele Fremde, ist was?
Tom hat ne neue Platte gemacht
sagte der andere, der nah bei der Frau.
Ja, sagte die Müllfrau auf dem Stuhl
mit dem schlafenden Baby im Arm
neues Album von Tom, glaub ich, ganz neu.
Okay, sagte der erste Müllmann
Tom hat wieder ne neue Platte
okay, dann ist mir das klar.

Und dann fuhr ein riesiger
schwarzer Jeep auf den Parkplatz
und der Kies brüllte, als er hielt.
Da war er also, ihr Tom
und hob die Hand zum Gruß.

The End –

(geschrieben, und vom Mitteldeutschen Rundfunk in einer kürzeren Version gesendet, am Geburtstag, 7.12.2009, und fünf Tage später für Sunday Moaning Coming Down frühmorgens, als ich im Fenster allmählich den ersten Schnee erkennen konnte, stark überarbeitet)

Bin ich Gut Mensch?

Ich erhielt neulich eine Mail von einem intelligenten Menschen. In dieser Mail bezog er sich auf den, oder die Blogs, in denen ich mich über den polizeilich in den Rücken «genotwehrten» Einrecher im Kremser Supermarkt ausgelassen hatte.

Er schrieb u. a. folgendes:
«Du malst einen Sachverhalt auf und man sieht einen kleinen Jungen, durchsiebt von Polizeikugeln, in einer Blutlache liegend, mit einem Lolly in der Hand.
Kein Wort von der Vermummung mit Sturmhauben oder der Bewaffnung mit Schraubenzieher und Gartenkralle.»

Da hatte er recht. Kein Wort davon. Warum? Weil es nicht wichtig war. Die Untersuchungen haben ergeben, dass der Polizist weder Gartenkralle noch Schraubenzieher gesehen haben konnte, da diese unter der Jacke steckten.

Gut. Weiter schrieb er:
«Kann sein, dass die Streifenbeamten mit der Situation überfordert waren. Kann sein, dass man taktisch anders reagieren hätte können. Kann sein, dass der Tod des Jungen hätte verhindert werden können. Aber als Beispiel für staatliche Willkür und Rassismus, taugt die Geschichte verdammt wenig. Doch der politische Mensch braucht immer ein Feindbild.»

Das stimmt auch. Zumindest zum Teil. Es ist aber nicht nur dieser eine Fall, sondern beinahe quartalmäßig werden in Österreich Leute von der Polizei erschoßen. Und niemand mag sich damit auseinandersetzen und die Verantwortung dafür übernehmen.

Ich zitiere mich – schändlicherweise – selber.
Aus «Das Flackern der Flamme bei auffrischendem Westwind» (2006)
Innerhalb weniger Monate wurden in Wien 3 Männer von der Polizei zu Tode gebracht. Zwei starben durch Kugeln, einer wurde erstickt. Man fackelt nicht lange. Es bestand – so wurde später festgestellt – in keinem Fall die Notwendigkeit zu töten. Es kam zu Prozessen gegen die beteiligten Beamten. Die Urteile fielen ebenso lachhaft, wie – für die Angehörigen der Opfer – demütigend aus. Das überaus gnädige Urteil für einen Beamten, der einen mit Plastikflaschen bewaffneten Mann durch Schüsse in den Bauch getötet hatte, macht geradezu schwindeln: Der Richter folgte der Begründung des Verteidigers, der die Schuldlosigkeit seines Klienten damit argumentierte, dass dieser im Schusswaffengebrauch nicht richtig ausgebildet sei.
Aber die Republik ist nicht klagbar.
Der Faschismus im Rechtsstaat: Bilde die Beamten überhaupt nicht mehr aus! Seither ist mit allem zu rechnen. Man soll sich vorsehen. Keine Widerrede.
Ach ja, ich vergaß: Bei den Getöteten handelt es sich um die Adressaten des vielleicht doch nicht so speziellen Wienerrassismus: Der Tirk (Türke), der Bimbo (Schwarzafrikaner) und der Tschusch (Südosteuropäer).

Seither wuchs die Liste der Abgeknallten:
Ein Dealer, im Auto sitzend. Von hinten.
Ein Rumäne auf einer Autobahnraststation, ebenfalls im Auto sitzend. Auch von hinten.
Ein Motorraddieb. Von hinten.
Alles Notwehr?

Der Mann, der mir die Mail schickte, ist in gewisser Weise ein Privilegierter. Er ist nämlich Deutscher. Und es gibt kein mir bekanntes Land, das sich in den letzten 30 Jahren so erfolgreich Richtung Rechtsstaat und Coolness entwickelt hat, wie Deutschland. Man hat den alten Untertanengeist sehr erfolgreich gedimmt. Es gibt eine Öffentlichkeit. In Österreich gibt es «Krawallblätter» (© Hans Rauscher).
Das ist, finde ich, nicht ganz unerheblich.

Weiter war in der Mail zu lesen:
Egal Andreas, ich denke, dass du ein guter Mensch bist. Dich kotzt einfach nur der soziale Faschismus an, der in jedem zweiten Menschen steckt. Aber weder du noch ich werden die Welt ändern. Nicht mal zusammen. Und wenn doch, wird man uns vielleicht irgendwann mal erwischen, wie wir unsere eigenen Freunde foltern…als wären wir die Che´s aus Berlin und Wien…..

Nun, bin ich ein guter Mensch? Glaub ich nicht. Jedenfalls nicht mehr, als jeder andere, der sich ein wenig bemüht. Warum ich dann dauernd «rumkreische», wie das mal jemand ausgedrückt hat?
Purer Selbsterhaltungstrieb. Wenn’s durchgeht, dass man den «Bimbo», den «Tschuschen», den «Tirken» einfach konsequenzenlos niederballern kann, wie lange dauert’s wohl, bis ich, der ich vielleicht nicht gerade vor Ehrfurcht aus den Latschen kippe, wenn der Herr Polizeioberkommerzialhofrat mich anspricht, genotwehrt werde?

Ich habe nichts gegen Polizisten. Im Gegenteil. (Und das, obschon ich persönlich ein paar kannte und sie beim Gewichtestemmen und danach erleben durfte.) Sie haben einen oft heiklen, gefährlichen Job. Ich empfinde keinen Hass gegen sie. Warum sollte ich?
Es kann vorkommen, dass die Dinge beschissen laufen. Und es gehört zum Berufsrisiko eines Kriminellen, dass er eine Kugel abkriegen kann.

Aber es gibt auch etwas anderes. Und dies hat mir der Mann aus Deutschland ebenfalls zukommen lassen, nämlich die Worte David Kronenbergs :
„
«Die Basis ist eine existenzialistische Sicht der Realität. Das bedeutet: Es gibt keine absolute Realität. Es gibt nur ein oder zwei Tatsachen über das Leben: – die eine ist der Tod, eine weitere das Leben. Dazwischen müssen wir alles selbst erfinden und hervorbringen.»

Aber das ist nicht alles, das hat seinen Preis oder eine Prämisse:

«Die Verantwortung dafür ist ganz und gar unsere eigene, –niemand nimmt uns das ab.»“

Das war die Predigt für Freitag. Ab zum Gebet!

Ich bin Hitler!

Vor einigen Jahren bezeichnete der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger Saddam Hussein als Hitler. Enzensberger ist ein kluger Mann. Er wird sich etwas dabei gedacht haben. Aber was?
Ich war bislang der offenbar irrigen Ansicht, dass nur Hitler Hitler ist, und dass es für Saddam Hussein reichte, Saddam Hussein zu sein. Aber dem ist nicht so.
Eigentlich strunzdumm, dieser Sager. Aber Enzensberger gilt nun nicht gerade als Champion im strunzblöd daherreden. Also was?

Nun, es könnte sein, dass es wieder mal mit der guten, alten «Notwehr» zu tun hat.
Hitler ist so schlecht, dass selbst Satanas in der Hölle kalte Füße bekommt. Hitler war mächtig und böse. Im Kampf gegen Hitler ist alles erlaubt. Da gilt keine Genfer Konvention. Die Regeln der Fairness sind im Klo zu entsorgen. Hitler muss man treffen, bevor er einen trifft. Hitler muss genotwehrt werden, wo’s und wie’s nur geht, und zwar subito und mit allem was man drauf hat. Im Vergleich mit Hitler, sind alle anderen Opfer. Und Opfer dürfen alles.

Seit gestern haben wir einen neuen Hitler. Er heißt Oskar Freyinger und ist «der neue Hitler Europas». Er ist auch noch zufälligerweise Schweizer und von der SVP. Assan Tamimi vom Londoner Institut für islamisches politisches Denken hat ihn, im TV (Aldjasira) so bezeichnet. Und die Schweiz hat dazu auch noch «Das Tor zur Hölle für alle Muslime in Europa geöffnet…»
Hört, hört. Hier schreit ein Opfer. Es klagt an.
Freyinger antwortete: «Hitler hätte über die Minarette nicht abstimmen lassen.»
Das stimmte. Mit größter Wahrscheinlichkeit. War er nun doch nicht Hitler?
Doch er war es. Was war Saddam Hussein, der hunderttausende umbringen ließ, gegen einen Schweizer Politiker der eine Initiative mitlancierte?

Hitler sagte dann: «Es geht nicht um Muslime, es geht um Integration.»
Sowas konnte nur Hitler sagen. Nun war es absolut klar.
Und mir wurde schmerzlich bewusst, dass auch ich Hitler war. Irgendwie. Damit werde ich mich auseinander zusetzen haben. Alle können mich nun notwehren, wie es ihnen beliebt.

Der Tag ist nicht mehr fern, an dem es auch meiner kleinen Tochter offenbar werden wird.
Eines Abends, nachdem ich sie mit einem 1-stündigen Fernsehentzug bestraft haben werde, wird sie voller Wut zischen: «Papa, du bist Hitler! Zu sowas ist nur Hitler fähig!»
Ja, das habe ich nun davon, dass ich Schweizer bin, und das Tor zur Hölle geöffnet habe.
Das wird mir zu denken geben.
Irgendjemand muss es ja tun.
Assan Tamimi tut es jedenfalls nicht.
Er ist beleidigt. Er bereitet die Notwehr vor.

Das Wort zum Sonntag und Ben Becker

Gestern ging ich, wie beinahe täglich, an der Elisabethschule vorbei. Rechts davon befindet sich die Bank, und vorne die Kirche. Bank, Schule, Kirche: die Trinität des Abendlandes, die Dreifaltigkeit unserer Hemisphäre. Und was musste ich da sehen? Angepappt an die Lithfassäule, dort, wo vor einiger Zeit der Plakatständer mit: «Daham statt Islam» der FPÖ stand, den ich mit einem E-Mail an die Bezirksvorsteherin entfernen ließ; was stach mir da ins Holzauge wie der mit Curare vergiftete Pfeil eines ausgestopften Amazoniers?
«Ben Becker liest die Bibel».
Ben Becker, der sich für einen Schauspieler hält – Gott weiß vielleicht, warum -, tourt durch die Lande und liest dem geneigten Publikum aus der Bibel vor.
Damit des Glückes nicht genug, denn ich durfte ihn dann später noch im Fernsehen sehen, kurz bevor wir das 4-fach gemoppelte Wort zum Sonntag genießen durften, das man in Ösi-County eine Diskussion nennt. Zum Thema: Minarette, Islam, usw.
Das Ding war so entsetzlich lahm, dass ich mich auf der Seite von Andreas Mölzer fand, obschon sein Christen -und Heimatfimmel mir fürchterlich zuwider ist, aber auch zuwider war mir die ins Keifen driftende Stimme von Frau Vassiliakou, und das Geknete der rosa-fleischigen Metzger-Hände von Anas Schakfeh.
Aber wurscht. Wer Ben Becker mit der Bibel sieht, der hat auch alles andere verdient.

Ben Becker im Gespräch mit einem Herrn der Kirche. Ben Becker mit Hut. Ben Becker mit 4 (in Worten: Vier) Backgroundsängerinnen, und einem etwas unterbesetzten Symphonieorchester.
Man wurde das Gefühl nicht los, dass er sich für Nick Cave hielt, der die Offenbarungen des Johannes las. Aber er kam eher wie Andy Borg rüber, der als Joseph Beuys aufgebrezelt, aus den Memoiren vom Ratzinger Karl vortrug. Ach, was! Es gab schlimmeres. Nur was?

Ich dachte daran, was so ein Orchester mit 4 Backgroundsängerinnen auf Tour wohl so kosten könnt, all die Hotels und Dinners und Gagen und Taxis und Flüge und Duschgels und Klarinetteplättchen und Sektgläser und 4-fache Whiskeys und die kalten Buffets?
Ich kam damit nicht richtig weiter, aber eins wurde mir klar: Die Suche nach Erbauung musste groß sein. Was heißt hier groß? Enorm. Riesig. Massiv. Mega. Giga.
Nicht, dass die nach Erbauung Dürstenden sich die Bibel vom Regal krallten (so dort eine stünde), nein, sie zahlten massiv Eintritt um sich das Teil von einem Schauspieler-Imitator vorlesen zu lassen, wie kleine Kinder die Gute-Nacht-Geschichte.
Als ich mir das alles vergegenwärtigt hatte, war ich wieder mal soweit es mir einzugestehen: Alles, was auch geschehen mag, wir haben es verdient.

Sunday moaning comin› down – Poetry

Urs Böke (*1975), lebt in Essen. Veröffentlichungen in D, A, CH.
Laut seinem Debutverleger Schweisthal «der einzige richtige
ruhrpott-rimbaud.» Ansonsten: Poetry, Rot-Weiss Essen, Zyankali.

Beute für die Ewigkeit

Außerhalb des Schattens liegt kein Getreide.
In dieser Stadt wächst heute nichts. Fünf Kinder
kommen zu viert nach Hause zurück.
Nirgendwo Eltern, die sich noch wundern.

Nah der Brücke ihre Kreidereste auf der Straße.
In der Köttelbecke ein Brief ohne Leser.
Anne sagt Es geht kein Butzemann mehr
ohne Kalashnikov vor die Tür. Es wird spät.

Im Radio hören wir ein Surren. Eine Mutter
vergewaltigt ihren letztgeborenen Sohn. Er ist 17
und muß sich von ihr frottieren lassen.
Seine Scham liegt blank wie kein Entsetzen.

Als der Tag dann geht, lösen wir die Spannung.
Im Fernsehen werden wir Zeugen des Alltags.
Ich weiß von nichts und buchstabiere Erlösung.
Diese Welt lebt in mir. Nicht andersrum.

Gastblogger Günther Rabl vermeldet:

Die Kommentare zu den «Notwehr»-Blogs waren nicht gerade überschießend, und vor allem bei «Notwehr-Demos» wollte sich erst niemand die Finger verbrennen. Das hat sich geändert.

Heute gibt es Texte des Songdog Autors, Musiker, Komponisten und Pilzesammlers Günther Rabl zu lesen.
Im Frühling 2009 erschien bei Songdog sein kleines, famoses, geist -und witz sprühendes Buch «MAIL FÜR HIOB».
Es gibt noch einige wenige Exemplare.
Los geht’s!

Sehrverehrte Redaktion !

Mit Entsetzen haben wir vernommen, dass der allseits beliebte österreichische Schauspieler Tobias Minaretti in der Schweiz ein Auftrittsverbot bekommen hat. Mein Mann hat sich daraufhin sofort erkundigt und von einer Cousine in St.Gallen erfahren, dass das aufgrund einer Volksverstimmung geschehen sein soll.
Wir können es einfach nicht glauben !
Ausgerechnet Minaretti, den wir seit vielen Jahrzehnten so sehr schätzen ! Alle Lassie-Filme, in denen er mitwirkt, haben wir auf Video !! Soviele schöne Abende hat er uns mit seinem unnachahmlichen Humor darin bereitet.
Wir sind aufrichtig erschüttert. Soetwas darf man sich als österreichischer Patriot, wie es mein Mann und ich sind, nicht gefallen lassen. Wir werden eine Petition an die schweizerische Justizministerin Ariadne Widmer-Schlumpf verfassen, die, wie man uns gesagt hat, doch auch selber schon oft in Zeichentrickserien mitgewirkt hat.
Wir hoffen dabei auf Ihre werte Unterstützung.
Mit vorzüglicher Hochachtung !
Waltraut u. Herbert Hryblicka, 1220 Wien

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Bravo Schweiz ! Ein Marionettenverbot, auf sowas muss einer erst mal kommen, und dann auch noch im Parlament durchsetzen!! Na, da könnte sich unsere olle Bundesregierung gleich mal nach einem neuen Betätigungsfeld umschauen. Hoffentlich findet das auch hier an der Spree Nachahmung.
Wir rufen ein dreifaches Jawoll !
Kegelklub ‹Zum alten Fritz›, Oberlausitz

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Ich persönlich verwende Disketten ja kaum mehr. Meine favorite songs hab ich alle auf dem Ipod. Die Technologie schreitet unaufhaltsam voran und manches, das gestern noch der letzte Schrei war, gehört heute schon zum alten Eisen. Da muss man mitmachen, wenn man nicht hoffnungslos zurückbleiben will. Ein Diskettenverbot, wie man das jetzt von der Schweiz hört, halte ich allerdings für übertrieben. Aber eigentlich ist es mir egal.
Alex Vasdracil aka Aligator, Graz

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Ich stamme aus einer traditionsreichen Schweizer Uhrmacherfamilie, in der religiöse Toleranz immer gross geschrieben wurde. Moderenen Ideen gengenüber sind wir stets aufgeschlossen, wenn sie sich mit unseren traditionellen Werten und unserem Brauchtum vereinbaren lassen.
Ich sehe grundsätzlich kein Hinderniss für die Errichtung eines Minarettes in unserer Ortschaft, solange man sich an die Bauverordnungen hält und sich das Bauwerk in das gewachsene Ortsbild einfügt. Ich hätte, sagen wir, kein Problem mit einem Minarett in Fachwerkbauweise, das mit Lärchenholzschindeln gedeckt ist und grüne Fensterläden hat, wie alle anderen Gebäude runderhum auch.
Den Gesang eines Muezins kann ich mir inmitten unserer ehrwürdigen Zinshäuser aber nur schwer vorstellen. Der Beginn der Gebetsstunden, für die wir grosses Verständnis haben, müsste da eher mit einem Juchezer oder durch ein Alphorn angekündigt werden.
Ferdinand Huegli jun., Appenzell

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Also, das mit dem Fridattenverbot in der Schweiz kann ich einfach nicht nachvollziehen. Das klingt schwer nach einer Fehde innerhalb der Gourmet-Mafia, die uns wirklich nichts angeht. Dann nennen wir sie halt Palatschinkenstreifen !
Die Spezialitäten unserer heimischen Küche, die eine wichtige Voraussetzung für den Tourismus sind, lassen wir uns so nicht madig machen.
Remuald Trawöger, Haubenkoch, St.Pölten

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Werte Redaktion !
Eine veraltete Nahkampfwaffe wie ein Bajonett hat an einem modernen Sturmgewehr nichts verloren. Auch in der Nahverteidigung bedient man sich heute ganz anderer Methoden, in denen neue, saubere Technologien, wie zum Beispiel Laser oder Pfefferspray, zum Einsatz kommen. Ein Bajonettverbot, zu dem sich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung durchgerungen hat, ist daher aus militärischer Sicht nur zu begrüssen.
Oberstleutnant Semmler, Berg Isel

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Gerade in einem gebirgigen Land wie der Schweiz, ist binaurales Hören ganz wichtig. Nur so können die vielfältigen Echoerscheinungen richtig gedeutet werden und ist eine sichere Orientierung in unserer schönen Landschaft möglich. Natürlich müssen wir in Zeiten wie diesen sparen, wo wir nur können. Aber mit einem Binauralitätsverbot sparen wir an der falschen Stelle. Es gibt so viele andere unnötige und geldaufwendige Gewohnheiten, die wir getrost weglassen könnten: Das Rauchen von zwei Zigaretten gleichzeitig, um nur ein Beispiel zu nennen. Hier müsste man einmal beginnen !
Dipl. Ing. Schausgruber, Schruns

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Es ist beleidig das Minotauros und Labyrinth in Schweizer Unternehmen der Hotel verkauf werden sollen. Minotauros ist der Markenstein von das Kreta. Dort gehört es dort und es soll dieses bleiben. Von den allen anderen Meinung ist es die Meinung, dass die Schweiz geteilt werden soll ihre Anliegerstaat.
Vlakis Polymeridis, Iraklio

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Es ist erwiesen, dass unsere Jugend immer dicker wird. Viele ernsthafte Studien belegen diese erschreckende Tatsache. So lag zum Beispiel das durchschnittliche Verhältnis von Körperbreite zu Körpergrösse bei den unter Fünfzehnjährigen im 19.Jahrhundert noch konstant bei 10%. Ab der Mitte des 20.Jahrhundert stieg das Verhältnis sprunghaft auf 35%. Nach den Prognosen namhafter Marktforschungsinstitute wird es 2025 die 100%-Marke erreicht haben, wenn wir nichts dagegen unternehmen ! In diesem Sinne ist ein Nougettenverbot, wie es das Schweizer Gesundheitsministerium empfiehlt, zwar lobenswert, aber doch nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Man muss die Ursache bei der Wurzel finden !
Mag. Gudrun Winterbichler, Tamsweg

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Wie ich höre, sollen die Baguette in die deutsche und in die italische Schweiz verbot werden. Das finde ich richtisch. Die Deutsche und die Italier könne back gute schwarz Brot, aber back eine gute Baguette, dass sie könne nisch.
Jacques Bretzlinger, maitre boulanger, Neuf Chatel

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Nur dem tatkräftigen Einsatz unserer Burschenschaft ist es zu verdanken, wenn heute nicht Halbmonde anstelle der Gipfelkreuze auf allen unseren Berggipfeln prangen. Nun bedroht eine neue Attacke islamischer Fundamentalisten und ihrer linken Sympartisanen unsere christlichen Werte. In unserem Bruderland will man alle Kirchtürme durch Minarette ersetzen ! Wir werden auch das zu verhindern wissen. Und wir werden nicht ruhn, bis endlich auch der Halbmond am Firmament seine angestammte Kreuzform wiedererlangt.
Wotan Stricherl, Bruderschaft zur Ewigen Paranoia

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Wir werden nicht ruhen, bis unsere Kamele in den saftigen Oasen von Helvetien weiden und ein Elefant das Wappen der Metropole Bernuntum ziert !
Hannibal, Feldherr, Karthago

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Kunden, die sich für Minarette interessiert haben, haben sich auch für folgende Produkte interessiert:

Der Koran – in einer Neuübersetzung durch Martin Buber
Die Welt der Moscheen – ein etwas anderer Reiseführer
Mini-Set – alles in einem
Manierismus – Knaur’s Kunstgeschichte Bd.33
Minimalismus – Knaur’s Kunstgeschichte Bd.2
Minotaurus – Mythos oder Wirklichkeit ? Taschenbuch
Florettfechten für Anfänger, Perlenreihe
Unterm Halbmond – beliebte Märsche (2 CD-set)
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