Der Irokese der Ironie

Der Ex-Chefredakteur des «Blick» Schweiz, Peter Übersax ( «Blick» ist nicht wirklich mit der Dreckschleuder «Kronenzeitung» oder dem Blatt für Anal-fabeten «Österreich» zu vergleichen, aber in dieser Angelegenheit tickt man unisono) tat mal den verdienstvollen Ausspruch: «Blick-Leser und Kinder verstehen keine Ironie».
Das habe ich mir gemerkt. Und es an meinen Kindern ausprobiert. Ich habe ihnen das Ding mit der Ironie auseinandergesetzt, und meine damals gerade schulpflichtige Tochter kam relativ schnell auf den Trichter, und die Tochter eines Freundes ebenfalls, denn sie sagte von mir: «Er macht immer so Witzli!»

Also Kinder verstehen Ironie. Blick-Krone-Österreich-Leser verstehen wohl noch ganz andere Dinge nicht, und viele von ihnen sind bereits überfordert mit dem Finger auf ihren Arsch zu tippen, wenn man ihnen die Augen verbindet.

Nun ja, was ist eigentlich Ironie? Man könnte sagen: Eine Lüge. Eine Lüge als Werkzeug, um die Wahrheit besser herausarbeiten zu können.
Die Ironie hat einen großen Bruder. Er ist ein wenig grob, liebt derbe Späße und schert sich wenig um die Gefühle der anderen. Er hat einen großen Hammer mit einer scharfen Schneide auf der einen Seite. Sein Name ist Sarkasmus.
Und während die Ironie sich Mühe gibt, kühl und sachlich zu erscheinen, trabüttelt der große Bruder Sarkasmus gerade heraus, er hat sozusagen ein Emotions-Problem, das er oft mit Hohn und Spott zu kaschieren versucht. Oder auch nicht. Denn eigentlich mag er keine Kaschur. Nicht mal Broschur, und überhaupt nicht die Glasur oder Sanduhr.

Ich mag beide gerne. Sie sind mir immer hochwillkommen.

Nun begab es sich aber, dass ich langsam immer mehr den Eindruck gewinnen musste, dass die Welt weniger aus Kindern, aber dafür umso mehr aus «Blick»-Lesern besteht. Fast nur noch «Blick»-Leser?
Denn neulich bekam ich eine Mail, mit der freundlichen Aufforderungen, etwas gegen einen rassistischen Kommentar zu einem meiner Blogeinträge zu unternehmen. Es handelt sich um Florian Vetschs Gedicht als Kommentar zu meinem Blog: «Notwehr-Demos unterm Halbmond».
Der Kommentar beginnt so:

Das folgende Poem habe ich im September 2006 geschrieben und “Das neue Asyl- & Ausländergesetz, fortgedacht” tituliert; hier und jetzt heisst es:

“Die Anti-Minarett-Initiative, fortgedacht”.

Schlagt die Moslems in die Knie
Dass ihnen die Beine wegknicken
Soll weich werden in der Beugehaft
Soll Anstand lernen, das Pack
Verbietet den Moslems das Beten & Dudeln…

usw. (Blog vom 30.11.09)

Nun, das ist – für meine Ansprüche – gut genug als ins sarkastisch Abdrivende gekennzeichnet und als schon fast höhnische Übertreibung erkennbar, auch ohne Giftschein oder Hinweis: Achtung Sarkasmus!

Der Kommentar ist substantiell nicht mein Ding, wie man so schön sagt, is ein bisschen dicke, aber ich bin ein Scheißliberaler, und wenn jemand zu meinen Blogs etwas zu vermelden hat, sei er herzlich eingeladen, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Die Texte sprechen für sich selber. Aber offensichtlich nicht.
Könnte es sein, dass hier Gutmenschen überfordert sind?
Mir schwante dann, dass man den ganzen Blog vielleicht nicht richtig verstünde? Vielleicht sogar alle Blogs? Vielleicht überhaupt mein gesamtes, schmales Werk, meine Person, mein Leben und Wirken???

Denn um Ironie inhalieren und genießen zu können, braucht es ein Minimum an Sach-Kenntnis; die Fähigkeit – inklusive des unbedingten Willens – zu lesen, bevor man gleich E-Mails mit Rassismus-Vorwurf in die Tasten töggelt.
Und wenn ich schreibe: «…der sanftmütige und grundgütige Revolutionär Ghaddafi…» oder das nun » …in allen muslimischen Ländern christliche und jüdische Gotteshäuser nicht nur gebaut, sondern auch erwünscht sind; der feinsinnige Kunstfreund aus dem Iran, Herr «ich will doch nur Israel vernichten»-Ahmadinejad sein Atomprogramm das Klo runterspült, die Todestrakts mit den politischen Oppositionellen öffnet, jetzt wo die Beschneidung der Frauen ab sofort eingestellt und die Burka in europäischen Städten abgelegt wird…» , nun, wenn ich das tue, dann tue ich dies in der Absicht meine Ansicht kundzutun und einen Sachverhalt darzustellen, wo jede/r sofort weiß: Aha, das stimmt so nicht. Obacht Ironie! Der Herr Autor zwickt mich in die Nase und zieht daran.

Aber warum sagt er’s denn nicht einfach geradeheraus, und zeigt uns, wo ihn der Schuh drückt? Und wieso nimmt er den Umweg über die Ironie?
Das ist eine gute Frage.
Über die werde ich noch ein wenig nachdenken müssen, liebe «Blick»-Leser. Ganz unironisch.

4 Antworten auf „Der Irokese der Ironie“

  1. ich möcht mich nicht auf die Technik festlegen, aber es ist tatsächlich eine Aufschrift, eine auf die Wand gemalte. Oder? Ist schon wieder eine Weile her, aber morgen fahr ich dran vorbei, dann guck ich mal genauer.
    … nur mal so am Rande.

  2. «Kein Phantom, sondern Realität: Jesus!» Hab ich heute auf einem Banner an einer Kirche in Hamburg gelesen. Schön blöd, hab ich gedacht, aber für einen Blogkommentar zum Thema «Sarkasmus» reicht’s.

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