Jörg Herbig (*1975) kommt selten zum Reisen, und deshalb träumt er sich oft weg. Manche seiner Tagträume hält er anschließend in Liedern, Erzählungen, Zeichnungen und Hörspielen fest. Aber seine Gedichte, so sagt er, hätten häufig einen Tagebuch-Charakter.
Auf dem Opernplatz
Trotz Eiseskälte treiben sich
Ein paar Skater auf den Treppen
Herum, springen die Stufen
Herunter, rutschen das Geländer
Entlang, stürzen zu Boden, stehen
Auf, wischen sich den Schweiß
Von der Stirn, trinken Wasser
Am Brunnen veranstalteten
Exil-Iraner eine schwach besuchte
Kundgebung gegen die Unterdrückung
Der Frauen in ihrem Heimatland
Plakatwände informieren über die
Hintergründe, die Teilnehmer sind
Leise, halten nur ihre Schilder hoch
Vor der U-Bahnstation begrüßt ein
Großer Mann eine kleine Frau mit
Einem langen Kuss, anschließend
Überreicht er ihr ein Geschenk
Lächelnd verschwinden sie Arm in Arm
In Richtung Wohngebiet, weg von den
Straßencafés, weg von der Einkaufsmeile
Kaum ein Mensch interessiert sich für
Den anderen, nur den Überwachungskameras
Hoch über den Köpfen der Passanten
Entgeht nichts…
Lieber J:H: Mir bekommt dein Text vortrefflich.
Ich glaube, die kleine Frau
mit dem großen Mann war ich!
Tatsächlich hab ich dein Gedicht
schon mal als Bild gesehen,
bei der Gelegenheit, da frag ich dich:
– hast du zufällig ein gepunktetes Halstuch
an der U-Bahnstation gefunden?
Das hab ich damals verloren!
Behalte es ruhig, ich brauch es nicht.
Der große Mann hat mir ein neues gekauft.
Freut mich, dass dir mein Text zusagt! Danke fürs Veröffentlichen auf deiner Homepage!