Nur Kleinigkeiten

Auf dem Weg ins Geisteszentrum kämpfe ich mit meinem Grant. Es ist ein Wienergrant. Den gibt es nur hier in dieser Reinheit und Ausformung. Er verwandelt uns alle, nach und nach, in resignierte Masochisten.
Nun, ich sagte: Kämpfen. Ich kämpfe dagegen an. Die Götter haben mich auf dem Prüfstand. Sie fordern Gelassenheit und Souveränität, Übersicht und die Halbierung der Betablocker-Dosis.
Aber vielleicht sind es gar nicht die Götter.

Was einen wie mich permanent aufbringt? Kleinigkeiten. In Permanenz.

Eine oder zwei kleine Geschichten:
– Ein Bekannter (Schweizer) war mal Juror beim Bachmann-Wettwerb. Als seine Nominierung bekannt wurde, erhielt er hunderte Manuskript-Zusendungen aus allen deutschsprachigen Ländern. Da er aber seine beiden Favoriten schon gewählt hatte, schickte er den Einsendern ein vorgedrucktes, bedauerndes Ablehnungsschreiben. Daraufhin, so erzählte er mir, erhielt er aus Österreich eine Menge Postkarten von Autoren die sich dafür beedankten, dass er sich – wennn auch ablehnend – bei ihnen gemeldet hatte.

– Ein Buch mit der Postadresse : XY, Lagerstraße 1, 1030 Wien, kommt zurück zum Verlag. Falsche Adresse. Die Adresse stimmte. Ich schickte das Buch wieder los. Es kommt wieder zurück. Falsche Adresse. Ich recherchierte: Der Name stimmte. Richtiger Bezirk. Richtige Hausnummer. Und dann sah ich es: Es hieß nicht LagerSTRAßE, sonder LagerGASSE!
Kostete mich 3 mal 1,25 €.
Das ist wahre Bosheit.
Ich habe selber lange bei der Post gearbeitet. Und ich weiß was für ein Wichser da am Werk war. Solche Dinge passieren einem hier jeden Tag. Kleinlicher Terror. Missachtung, Unfreundlichkeiten in Permanenz. Nie was wirklich Großes, nur dieser Kleinshit, als würde man die ganze Zeit über mit kleinen Aluminiumkügelchen aus dem Blasrohr beharkt.

Lassen wir noch den Schauspieler und Filmemacher Peter Kern zu Worte kommen, der die Dinge auf den Punkt bringt: An Wien, wo der Faschismus in Permanenz ist, sei er krank geworden, hier verkomme er. Und dann: » Wenn ich Sie anschreie, bitte seien Sie nicht gleich verletzt. Wenn ich Sie beschimpfe, nehmen Sie es als Liebesbeweis. Bedenken Sie, ich bin Österreicher, unzurechnungsfähig, hysterisch, verlogen und undemokratisch.»

Allright, sage ich da. Nur, wenn mich jemand anschreit oder beschimpft, sage ich sehr höflich, er möge sofort damit aufhören. Andernfalls ich ihm was auf’s Maul gebe. Denn: Er möge bedenken, ich bin Schweizer, demokratisch, freiheitsliebend, korrekt, nüchtern, und vor allem einer der auch meint, was er sagt. Und tut!

4 Antworten auf „Nur Kleinigkeiten“

  1. Jawohl, der Schneckerl! Hellelujah!
    Der Bellos bringt es in seinem Standardwerk ‹Futebol› (Edition Tiamat,Berlin 2004) genau auf den Punkt: «Die rauhe Kälte seiner neuen Umgebung vermag seine warmherzige Ausgelassenheit nicht zu bremsen. Ich frage ihn, ob er an Wochenenden ausgeht.
    Nicht mehr, antwortet er, mit dem Bus dauert es eine Stunde bis Torshavn, und dort ist auch nichts los. Anfangs wurden wir noch zu Partys eingeladen, aber die sind hier wie… Totenwachen».
    Man sieht, auch die Leute im dortigen Block haben schon ihre Probleme. Und wenn man ihnen 20 CHF überwiese, würde das auch nicht viel ändern. Aber gut, man steckt halt dann letztlich doch wieder nicht ganz drin.

  2. Mein Lieber
    dir fehlt einfach ein bisschen die Distanz.
    Leb mal ein paar Jahre anderswo.
    Außerdem, ist das der Originalkommentar eines Originalwieners, von denen es – ins gleiche Horn stoßend -, zwölf auf’s Dutzend gibt…

    Es gibt, grob gesagt, zwei Arten von Wienern: Hans Krankl und Herbert «Schneckerl» Prohaska.

    Ich liebe Schneckerl. Und in diese Kategorie fällst auch du, ob’s dir gefällt oder nicht.

  3. Die Götter haben weder Dich noch irgendeinen anderen Menschen auf dem Prüfstand, die wissen nicht mal, dass es uns gibt.

    Österreicher und Schweizer.
    Scheren wir wieder alle über einen Kamm?

    Zu was macht mich das dann?

    Ich bin Österreicher, auch demokratisch und freiheitsliebend.
    Korrekt, wie Du aus eigener Erfahrung weißt.
    Nüchtern, wenn ich nicht gerade besoffen bin und jemand, der auch sagt, was er meint (ja ich weiß, dass ich es umgedreht habe, war Absicht).

    Nichts ist nur schwarz oder weiß, denn wenn man nicht bei»Alice hinter den Spiegeln» lebt, ist die Welt kein Schachbrett. (Bevor mir irgendein Klugscheißer damit kommt: Ich weiß , dass das Schachbrett in obengenanntem Buch schwarz-rot und nicht schwarz- weiß ist!)
    Auch Österreich und die Schweiz sind da keine Ausnahme.

    Ach ja, und was die österreichische Post betrifft, lieber Niedermann, hast Du natürlich Recht; ich fand nur die Überleitung etwas gewagt.

    Solltest Du vielleicht einem Postler was aufs Maul geben wollen, nimm bitte den meinen und steck ihm die Post für meine längst verzogene Ex-Frau und meinen noch länger verstorbenen Großvater, sowie für einen Mann, der zwar meinen Nachnamen trägt, aber eine andere Stiege und Türnummer sein eigen nennt, in den Arsch. Ich bin es nämlich leid, die Dinger zurückzuschicken oder umzuschlichten bzw. wegzuwerfen.

    Rock on!

  4. Verehrter Herr Niedermann,

    da kommt mir noch ein ganz hinterhältiger, gemeiner und hässlicher Gedanke:
    Wenn ich Ihnen (wie auf http://songdog.at/blog/?p=2786 offeriert) 20 CHF überwiese und mir wünschte dass Sie genau über dieses Thema (Ihre Meinung bzgl. Honorierung Ihrer Arbeit und Ihre ehrlichen Gedanken über die nur-gratis-Konsumenten) blogten – wäre das rausgeworfenes Geld oder würden Sie wirklich Ihre Meinung schreiben (ich erinnere da an die Spitzen der Eisberge wie in http://songdog.at/blog/?p=2809 oder http://songdog.at/blog/?p=2813).

    Ihr neugieriger und durchaus spendierwilliger Frank

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