Akrobatik-Atavismus

Beim Akrobatik meiner kleinen Tochter. Ich war gerade dabei, ihr zwei Gummiringe auf die Pippi-Langstrumpf-Zöpfe zu knutzeln, als ich von einer vorbeigehenden Mama hörte: » Brauchen Sie Hilfe?» Tschechischer Akzent.
«Ja», sagte ich scherzhaft, und setzte ein Grinsen auf. So ein Papa ist ein hilfloses Wesen. Und natürlich war ich immer noch der einzige, der sein Kind zur Akrobatik brachte. Very hilflos!
Die freundliche Mama stoppte ihren Gang, um mir zu Hilfe zu eilen. Und bevor sie mir wirklich die Gummiringe aus der Hand zupfen konnte, gab ich mich zu erkennen und zeigte meine Marke: «Kleiner Scherz. Aber danke!»
Sie lächelte etwas säuerlich, und ging ihrer Wege.

Es war dieser tschechische Akzent.
Vor mehr als zwanzig Jahren. Als ich ein Jahr lang unter tschechischen Dissidenten gelebt habe. Und Dissidenten sind auch nur Männer, denn eines Abends hörte ich die Fama der tschechischen Frau. Nicht jener, die bereits hier im Westen heimisch war, sondern von demjenigen sagenhaften Wesen, das ganz frisch durch den eisernen Vorhang geschlüpft war.

Einer der Jungs erzählte mir ohne Umschweife, was es mit diesen Frauen und Mädchen auf sich hatte: Sie waren äußerst begehrt. Und zwar aus Gründen, die wir heute eher in Zusammenhang mit Kleinasien bringen würden, mit Islam und Zwangsheirat.

Die Mädchen, verriet mir mein «Mann», waren nämlich noch nicht durch den Westen verdorben, und waren es durchaus gewohnt einen Job zu haben, den Haushalt zu schmeißen und eine brave Gattin abzugeben, während der Meister all das tat, was ein Mann tun musste: Rumsaufen, Rumhängen, Rumbumsen.

Tja, so ein Westen hatte doch auch seine Nachteile. Die Freiheit brauchte klarerweise Grenzen. Freiheit in der Kneipe, und Kommunismus zu Hause.

Ich gebe es zu: Ich war schockiert. Aber ich glaube, dass ich in jener Zeit, wohl jeden zweiten Tag schockiert war.

Und diese tschechische Mama war vielleicht eines jener Mädchen, die blutjung durch den Vorhang gekommen waren.
Und da fuhrwerkt ein hilfloser Mann mit einem Gummiband an den Haaren eines 6-Jährigen Mädchens…

Ihre Reaktion war möglicherweise das, was man gemeinhin mit Atavismus bezeichnet. Das Zurückfallen in alte Stammesriten, das Verhalten unserer Vorfahren.

Die zweite Möglichkeit ist so wahrscheinlich, wie eine Mutti, die einen 30 kg-Kilo-Koffer ins Gepäcknetz wuchtet: Die sieht auch einfach so aus, als pack sie’s nicht.

Es gibt noch eine Möglichkeit.
Die ist äußerst charmant und würde mir von allen am Besten gefallen…

2 Antworten auf „Akrobatik-Atavismus“

  1. Tja, da hätten wir sie dann wieder mal, die Muttis: Wenn’s nicht genau so gemacht wird, wie sie sich das vorstellen, ist’s einfach nicht richtig.
    Aber es gibt eben auch einen Mutti-Chauvinismus, und ich finde, sie sollten sich mal damit auseinander setzen. Die Muttis. Oder nicht?

  2. Ihr hat deine Tochter so gut gefallen?!
    Aber ich tippe auf Atavismus. So wie auch die Brustbehaarung beim Manne ein Rudiment ist, haben auch Frauen immer noch das Bedürfnis, Männern mit kleinen Kindern beizuspringen, bevor so ein Oimel das Kleine grunzend, schnaufend und behäbig zottelnd verletzt. Nebenbei bemerkt: Das Kämmen und liebevolle Zöpfchen flechten bei meiner Tochter hat mein privater Oimel übernommen: Ich bin grob und er hat Zeit!

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