Nainilewen

Heute ist Nainilewen. Ich werde ihnen ersparen, wie ich es erlebt habe. Ich erinnere mich an die jubelnden Palästinenser, die tanzten und Salutschüsse abfeuerten. Ich erinnere mich natürlich noch an viel mehr, und auch an die Behauptungen, dass unser aller Leben danach nicht mehr dasselbe war und ist. Nun, das stimmt. Aber unser Leben ist immer wieder ein anderes. Es geschehen permanent Dinge, die z. B. mein Leben verändern. Nur schon, dass die Kinder größer werden, und sich sehr verändern während dem sie es tun. Eine Binse, würde ich sagen. Aber sonst?

Eine wirkliche Veränderung in einem Leben geht vor sich, wenn jemand aufhört zu rauchen oder sich sonst einer Sucht entledigt. Oder nach einer Scheidung. Nach dem man sich neu verliebt hat oder mit einem Mal im Rollstuhl sitzt. Wenn man jemanden getötet hat und ins Gefängnis muss. Aber die zwei eingestürzten Towers?
Für die direkt Betroffenen, ja, für alle New Yorker. Wie nach einem Tsunami den man nicht hat kommen sehen und der wieder kommen kann, aber gegen den man etwas unternehmen könnte. Auch wenn man nicht so genau weiß, was.

Ich war damals erschüttert. Ich schrieb ein Tagebuch. Ich habe es zum Glück verloren. Es ist erstaunlich, wie alles im Leben immer einer Mitte zustrebt und nie im Extremen verweilen will.

Hin und wieder gehe ich durch die Innere Stadt Wiens und erinnere mich, inmitten der Touristen und des öden klassizistischen Prunks, den Kaffeehäusern in denen ein großer Brauner € 4,50 kostet, an die Zeit als ich ohne Geld, hungernd und ohne Zigaretten durch diese Straßen lief, immer auf der Suche nach einem Wunder. Es geschah immer. Früher oder später.

Heute habe ich 5 Kilo Kartoffeln für € 0,99 erstanden.
Das ist etwas, das ich absolut nicht begreifen kann.
Das hat’s damals, in meiner Hungerzeit, nicht gegeben.
Das wär schon ein Wunder gewesen.

Eine Antwort auf „Nainilewen“

  1. Yeah.
    Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Auch ich hab mich über 9.11 (übrigens völlig hirnrissig diese Schreibweise, die sich da eingebürgert hat; man könnte ja fast glauben, die Türme wären im November zusammengekracht) nicht gefreut, aber mein Leben hat das Ganze nicht verändert, da gab es weit einschneidendere Erlebnisse.

    Aber über eine Sache stolpere ich im Zusammenhang mit 9.11 (schon wieder dieser Scheiß) immer wieder.
    Nämlich über den Anti- Amerikanismus, der sich nachher verstärkt zeigte, und der war für mich fast genauso schockierend wie der Anschlag selbst. Immer wieder musste ich seitdem mit Freunden diskutieren, die mir ernsthaft verkaufen wollten, dass die Amerikaner die eigentliche Bedrohung der Welt darstellen, und das mußte ich von Leuten hören, die dabei Cola tranken und Burger mampften. Willkommen im Paradoxon.

    Aber was red ich da; ich Primitivling sollte einfach lernen, dass die Amis böse sind.
    Wenn die nicht wären mit ihrer blöden Einmischerei könnten wir jetzt unter der Flagge der Diktatur marschieren und wunderschöne Marrrrrrrrrrrrrrrschmusik hören anstatt dieses öden Rock n Rolls.
    I rest my case.

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