1. Urlaubstag

Das Auffallende gleich zu Beginn: Hier ist ein Urlaubstag wie ein Arbeitstag, nur ohne Arbeit.
Die Sonne kommt immer später und die Mädchen schlafen immer länger, nur ich bin immer gleich.
Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll, aber der Wechsel der Jahreszeiten berührt mich tief. Schon seh ich bei der Nachbarin Frau Heeb die letzten Sonnenstrahlen des Abends durch die ersten farbigen Blätter fallen.

Ein Gefühl? Ja, schon. Wie ein Blues. Langsam und glücklichmachend in seiner schweren Traurigkeit. Das alles ein Ende hat. Und einen Anfang. Und wieder ein Ende.

Wie las ich gerade bei Fauser, dessen 1600 Seiten journalistische Arbeiten (Strand der Städte, Alexander Verlag) ich mir zum Urlaub gönne: «Unser Grundgesetz sagt im ersten Satz, die Würde des Menschen sei unantastbar, aber das Leben wird immer würdeloser, nur selten trifft man noch einen, der allein mit der unendlichen Schmach des Menschen fertig wird, der verurteilt ist zur Gesamtschule, Gesamtkultur und dem ewigen Gedröhn der Menge…»

Ja. Vor allem Gedröhn. Der Schweizer hat einen Zwang zur Höflichkeit, der Österreicher zum Linkmicheln, und die Jugend zum Lärm. Heute im Bad, wohin ich mit den Mädchen fuhr, droschen zwei Bubis mit Plastikteilen auf das Wasser ein. Es ist das Gedröhne allerorten, das die Welt zersetzt wie die Fäulnisbakterien den Kadaver.

Naht bereits die Cohensche Zeit fürs buddhistische Kloster? So alt bin ich schon wieder? Dabei gäbs doch noch einiges zu tun. Nach dem Urlaub. Denn jetzt liest man im Feuilleton vom Sterben kleiner Verlage. Muss doch auch noch ein kleiner durchhalten. Nicht nur durchhalten, sondern lustvoll durchhalten. Bitter, aber mit einem rechten Hammer ausgestattet wie Lennox Lewis. Hoffnungslos, aber ohne einen Gedanken daran, den Löffel vorzeitig abzugeben. Traurig, aber mit einem Keller voll guten Weins.

Tja, die Verlagsgeschichten. Vielleicht hört ja mal dieses Auflagengelüge auf, vielleicht sieht der eine oder andere dem Unabänderlichen ins Auge? Und was ist das? Vielleicht ein Armutsgelübde? Im Kloster ist sowieso Sense mit allem Materiellen. Frage: Was könnte uns denn abgehen? Das TV? Die «Kultur»? Der neue VW Golf? Die Stiefeletten von Prada? Das besoffen lallende Gedröhne am Wochenende in St. Gallens Straßen?

Heute ist Urlaub. Punkt. Heute grillt der Papa für die Mädchen. Und für sich selber. Er wird kühlen Zweigelt dazu trinken. Sich vielleicht ein kleines Bier gönnen. Sie werden den Brunnen plätschern hören. Die Sonne wird hinter Frau Heebs Busch sinken, rot, wie auf Capri. Die Blätter werden in der leichten Brise rascheln. Der Duft der Bratwürste wird bis nach Wald ziehen. Und wenn ich Glück habe, werden die Mädchen friedlich sein und sich erst nachher beim Zähneputzen tüchtig streiten. Manchmal hat man ja Glück. Auch im Urlaub.