Henk und Kinder und Handwerk

Henk hat recht. Es gibt tatsächlich keine dicken Kinder hier. Ich habe mich heute beim Schwimmen wieder davon überzeugen können. Die Jungs sehen aus wie wir damals ausgesehen haben. Jede Rippe vom Schiff aus zählbar. Es ist fast unglaublich.

In meiner Zeit als Fitness -und Krafttrainer kamen hin und wieder Schulklassen zu uns, um sich den Laden anzuschauen. Diese Teenies müssten, im Vergleich zu denen in Heiden, als behindert gelten. Keiner schaffte einen Klimmzug, keiner einen Barrestütz. Entweder waren sie «ausgfressen» und «blaad» oder sonst solche «Zniachtl», dass man wegschauen wollte.
Aber im Boxraum gings immer gleich zur Sache. Immerhin.

Nun, seit zwei Tagen denk ich daran, etwas über den letzten Montag Abend (Heftvernissage: Obacht/Kultur «Handwerk» in Appenzell) zu schreiben. Über ‹Handwerk›. Der Vortrag, den ich darüber zu Ohren bekam, hinterließ doch einen äußerst zwiespältigen Eindruck. Das Ding ist komplexer, als es auf den ersten Blick aussieht. Wie so viele andere Kisten auch.

Ich glaube nicht ans Handwerk. Nicht mal an eine Renaissance. Es wohnte ihm einst ein Zauber inne, und von dem konnte ich mich in der Werkstatt des Herrn Fässler mehr als überzeugen. Was für toller Kram! Aber dieser Zauber weht aus einer versunkenen Welt zu uns herrüber.
Meine Bewunderung für jenen Böttcher, den ich in der Doku «Der Letzte seines Standes» gesehen habe, ist geradezu fanartig; für ihn und seine völlig abfallfreie Welt, sein atemraubendes Geschick im Umgang mit rasiermesserscharfen Äxten.
Ihn dann später auf irgendeinem Bauermarkt sitzen zu sehen, wo er seine Arbeiten feilbietet, vor allem die kleineren Tröge, ist nicht mal mehr ernüchternd, sondern schmerzlich. Niemand kann damit was anfangen. Und was er dafür kriegt, entspricht im Verhältnis dem Lohn, den ein leidlich beachteter Roman einem Autor einbringt. Man spricht lieber nicht davon und verdrängt.
Nun, niemand schlachtet mehr seine Schweine im Hof und braucht deswegen Bottiche um darin das Schwein zu sieden. Die kleineren Bottiche landen, wenn überhaupt, in überladenen Wohnzimmern als Blumentopf. Es ist vorbei. Let it go!

So schaut’s aus. Und wir müssen es aushalten. Wir, die wir unsere Babies in Plastikwannen baden und ihnen Superschuhe aus Goretex an die Füße binden.
Heute begegnet uns das Handwerk im glitzernden Büßergewand der Kunst.