ruth weiss (1928-2020)

Hier ein äußerst lesbarer Nachruf von Thomas Antonic über die kürzlich verstorbene Beat-Poetin der ersten Stunde ruth weiss.

Ihr letztes Buch Death Becomes Light Is The Bird of Our Love erscheint bei Edition BAES.

https://www.derstandard.at/story/2000119335126/ruth-weiss-19282020

Countryside

Ich bin – wie man so sagt – auf dem Land. Zur Zeit.
Ich habe davon gehört, dass es Leute geben soll, die der festen Überzeugung sind, dass es auf dem Land ruhig und in der Stadt lärmig sein soll.
Ich bin nun zur Einsicht gelangt, dass diese Leute weder das Land noch die Stadt kennen. Man könnte sich fragen, wo diese Leute in Wirklichkeit leben. In Fantasien?
Vielleicht ist ihr fester Glaube, dass dem so ist, ein Wahn, der alles so scheinen lässt, wie sie es glauben. Ich weiß es nicht.

Auf dem Land gibt es viele Geräte, die einen herkömmlichen Benzinmotor haben. Hier hält man nichts von Akku betriebenen Kettensägen, Motorsensen, Schneepflügen, Kreissägen, Elektorautos und anderen Geräten des modernen Klein-Bauernstandes.
Gleich hinter unserer Hecke, gibt es ein Karussell. Es besteht aus einem alten Traktor. Auf der Ladefläche sitzen Mutter, Opa und Schwester, während der Bua das knatternde Teil in ewigen Runden über das Grundstück rumpeln lässt. Der Opi brüllt dazu Etzes in den Abend.
Nachher gehts zum Holzschneiden. Mit der Motorsäge. Das macht der Opi. Zum Glück ist der Opi schon etwas dick und alt, und er hält nicht mehr Stunden durch – wie früher.

Und um viertel nach sechs am Morgen, muss ein anderer Opi irgendwas auf seinem Grund – vor unseren Fenstern – mit dem Kangohammer bearbeiten. Aber nur so bis ca. 7 Uhr. Bis er sicher sein kann, das wir auch alle wach geworden sind.

Aber vermutlich sind auch diese Opis, Mütter, Schwestern und Buas der absoluten Überzeugung, dass die Stadt ein lärmendes Drecksloch ist, während es am Land ruhig und gemütlich zugeht.

Es könnte sich bereits um eine Verschwörungstheorie handeln …