Die Knallbar Diaries (5)

Für die, die mich noch nicht kennen – viele dürften es nicht mehr sein -: Mein Name ist Lew-André Knallbar. Beruf: (seit neustem) Bestseller-Autor. Verheiratet. Ja, Kinder.

Dystopie. Dystopie. Dystopie.
Ein Wort, das man nun in jedem Feuilleton  antrifft. Dystopie. Kannte ich gar nicht. Aber jetzt ist es da, wie Bosnien auf der Landkarte. Und es wird nicht mehr weggehen. Weder formal noch inhaltlich. Nach der Utopie des vergangenen Jahrhunderts, nun die Dystopie des jetzigen.
Aus dystopischer Sicht ist Schwangerschaft natürlich eine Art „Pfeifen im Walde“, und steht nicht für Hoffnung, wie ich so gerne annehme. Annahm. Werde die Schwangerschaftsgymnastikbesuche etwas zurückfahren.
Bin heute ruhelos. Vermutlich eine depressive Verstimmung.
Auch der sonst stimmungsaufhellend wirkende Anblick meines Kontostandes, mein digitales Prozac, zeigt heute kaum Wirkung.
Ich denke über Hans und den Schimpansen nach.
Hans hat erfahren, dass sich sein Freund Feisal am Sonntag im Affenhaus in die Luft sprengen will. Die Zeit für die Befreiung von Schorsch -so heißt der Schimpanse-  wird knapp. Hans fasst den Entschluss, sich über Nacht im Zoo einsperren zu lassen, und Schorsch zu befreien.
Wie? Weiß ich noch nicht. Das ist es, worüber ich nachdenke.
Verleger Moss ruft an, und will wissen, wie’s dem Roman geht. Ich lüge ihn an und sage: bestens, er wächst und gedeiht.
Hab bei Amazon ein paar Bücher bestellt. Eindeutig ein Zeichen von Depression. Bücher von anderen.
Alte Geschichten, abgebrochene Stories entern meinen Kopf. Sie überfallen mich, wie unangekündigter Besuch von Bekannten. Halb freut man sich, halb ist man angepisst, weil sie einen von der Arbeit abhalten. So viele Geschichten. Erstaunlich.
Ich werfe sie nach einer halben Stunde raus. Und ergehe mich in Kriegsfantasien, spüre der Angst nach, schiele nach dem Armagnac auf dem Regal – lasse ihn unagetastet. So, Freunde, läuft das nicht, nicht bei Lew-André Knallbar…