Die Knallbar Diaries (2)

Für die, die mich noch nicht kennen – viele dürften es nicht mehr sein -: Mein Name ist Lew-Andre Knallbar. Beruf: (seit neustem) Bestseller-Autor. Verheiratet. Ja, Kinder.

Mail von T. Er möchte mich sehen, bittet um ein Treffen. Kann mir vorstellen was er will. Schätze, er glaubt, ich bin sein Freund. Vermutlich, weil ich an so einem Autoren-Dingsbums freundlich zu ihm war. Nun ja. Ich bin freundlich. Das ist meine Natur. Freundlich und unverbindlich. Ich bin nicht sein Freund. Ich habe keine Freunde. Schon gar keine unter Kollegen. Zu anstrengend. Es gibt Ausnahmen, aber dazu sage ich nichts.
Was T. von mir will, kann ich mir vorstellen. Es kursiert das Gerücht, dass der Umbau seines Hauses in dieser Weingegend, in die jetzt alle hinziehen müssen, die mal ein Exposée für’n Filmscript verfasst haben, etwas üppig ausgefallen sei. Und seine große Zeit als Dramatiker liegt hinter ihm. Außerdem geht er allen Regisseuren auf die Eierstöcke mit seiner Forderung nach Texttreue, und seiner „Der-Autor-ist-der-Chef“-Attitüde.
Ich verstehs nicht. Wenn ich was schreibe, kann jeder damit machen, was er will. Hauptsache, er zahlt.Ich meine, wieviele gute Dramen gibt es? Neuere, meine ich. – Na, eben.
Wenn du’s nicht schaffst die Leute zu berühren, dann spielts doch keine Rolle, wie’s der Regisseur anpackt. Und da kannste noch soviele Flüchtlinge auf die Bühne wuchten. Das ist doch nur erbärmlich.
Wie auch immer: T. will vermutlich moralische und pekuniäre Unterstützung. Der Typ hat vor drei Monaten noch nicht mal gewusst, das es mich gibt. „Knallbar? Wer zum Teufel ist Knallbar?“
Jetzt weiß er’s.

Mail ihm zurück, das es okay geht. Zwischen 15h30 und 16h. Nach meinem Nickerchen, hätt ich Zeit für ihn.
Dann mach ich meinen Morgenspaziergang. Denke über ein Filmscript nach. Mein Verleger meint, ich soll den Film nicht vernachlässigen. Hab da ne kleine Idee. Ein Selbstmordattentäter in spe, hat den Plan sich in einem Zoo in die Luft zujagen. Bei seinen Recherchen verliebt er sich in einen homosexuellen Schimpansen, verwirft seine Pläne und will den Schimpansen befreien. Weiter ist die Idee noch nicht gediehen, und meine Gedanken werden abrupt unterbrochen, weil mein Blick auf ein Kaffeewerbungsplakat fällt.
Kaffeewerbung! Und groß der Spruch: «Mehr Poesie in die Politik.“
Das ist die Malakovtorte für unsere Weichbirnen. Mehr Poesie in die Politik? Drehs mal um, und du weißt, was rauskommt.  In einem vornehmen, deutschen Wort ausgedrückt: Scheiße.
Es würde reichen, wenn sie einfach ihre verdammte Arbeit machen würden. Die Politiker. Und auch die Poeten.

Weiter geht’s. Stopf meinem Lieblingsbettler einen Zwani in den Pappbecher, genieße seine Überaschung, und weiß im selben Moment: das war ein Fehler. Dem kann ich jetzt nicht mehr mit einem Euro kommen. Na gut, selber schuld.
Zuhause mach ich mir ’n Kaffee und trinke ihn, während ich liebevoll meinen Kontostand betrachte.
Das Schreiben kann warten…