Die Knallbar Diaries (1)

Für die, die mich noch nicht kennen – viele dürften es nicht mehr sein -: Mein Name ist Lew-Andre Knallbar. Beruf: (seit neustem) Bestseller-Autor. Verheiratet. Ja, Kinder.

Heute das Konto gecheckt. Gleich nach dem Aufstehen, also nach dem Pissen, das nicht so von der Hand ging – hahahaha, von der Hand ging, checkt ihr’s? – die Prostata, die alte Strumpfkugel, nun ja, was soll man machen, man wird nicht jünger – um mir auch mal eine Binse zu gönnen.
Mach mir also Kaffee, und zwar in so ner Maschine wie der Dingsda sich hat beerdigen lassen, der Bialetti, hol das Scheißschlampen-book (das mein ich nicht so) aus dem Arbeitszimmer, klapp es auf, drück den Knopf, warte, warte und… warte (darum Scheißschlampenbook, und ich meins doch so) und dann komm ich endlich rein, ins Netz, natürlich, und geh mal auf die Bank, und seh und seh und seh: Der Herr Verleger – der alte Schnäbichätscher, wie mein Kumpel und Kollege A. sagen würde – hat den Schuss für mein neues Werk überwiesen. Halleluja!
Wollt ihr wissen, wieviel? Wollt ihr? Na, klar wollt ihr, ich kenn euch doch, ihr seid meine Leser; meine treuen, und irgendwie habt ihr deswegen ein Anrecht darauf es zu erfahren, denn es kommt ja von euch: Ihr habt „Verreckt“ zum Bestseller gemacht. Also gut: Es sind … ach was, ich sags doch nicht. Nur soviel: es hat einige Nullen, und mit einige meine ich nicht etwa  3 oder 4, denn das wären nicht einige, sondern höchstens nicht wenige, bis geht so, aber bei „einige», da könnt ihr schon noch ein paar dazurechenen, okay?

Noch vor kurzem war ich ein armer, aber redlicher Tipper mit einem Haufen Schulden und einem schlechten Ruf. Aber seit „Verreckt“ auf die Bestsellerliste kam und sie seit Wochen anführt, sieht es anders aus. Ganz anders. Es gibt nicht wenige, die mich für eine Art Genie halten. Zumindest für einen tollen Autor. Vor „Verreckt“, hielt man mich für einen bemitleidenswerten Posthippie, der endlich die Schreiberei aufgeben, und sich nach einem Job umsehen sollte. Ein Job der zum ihm passte: Filialleiter in einer Billafiliale, Securitymann vor einer Raiffeisenbank oder Auftragskiller. Warum? Weil ich nicht schreiben kann, sagten sie. Haben sie vermutlich recht. Ich finde, ich kann immer noch nicht besser schreiben, aber jetzt ist es allen egal, und sie tun so, als könnte ich es. Nur hinter meinem Rücken, da wird die Sache natürlich zurechtgerückt. Vorher taten sie es aus Verachtung und Unverständnis, heute aus Neid. Sollen sie.
Ich werde den Tag damit verbringen meinen Kontostand anzuhimmeln und ein wenig über meinen neuen Roman nachzudenken.
Vielleicht noch über Kollegen und Kolleginnen ablästern.
„Irgendwie schön und äußerst lakonisch balancierte er zurückgelehnt auf  einem Klappstuhl…“
Okay. Ich kann ja auch nicht schreiben, aber „lakonisch» ist nun mal ein Wort, dass sich nur auf Sprache beziehen kann.  Ich sag jetzt nicht wers ist. Ist ne Bestsellerkollegin. Die kann vielleicht noch mal was für mich tun. Man kann nie wissen.

Hab gerade wieder einen Blick auf meinen Kontostand geworfen: Der Schnee des Montblanc ist ne Jauchegrube dagegen. Wie schön. Wie beruhigend. Wie zukunftsheischend.
Morgen mehr…