Pepita liest ein Buch

Als unser Redaktionskorrektor, Marky Mark, dessen Lieblingscomputermaus noch immer beim Virendoktor liegt, Pepita mit einem Buch in der Hand in der Tür lehnen sah, war ihm die Überraschung anzusehen. Pepita? Mit Buch? War denn der Papst zum Islam konvertiert? Lachten Islamisten über Charlie Hebdo Karikaturen?

Er lächelte auf seine stille Art in sich hinein, das erste Mal seit Tagen, denn die Sorgen um seine Maus drückten doch sehr. Aber gerade als er sich zu seinem Schreibtisch begeben wollte, wankte Oldie, von Wand zu Wand torkelnd,  durch den Flur. Wir alle wussten, was das zu bedeuten hatte. Es war wieder mal „Kotz auf die Kulisse“-Gedenktag. Jährlich gedachte Oldie dem vor 45 Jahren verlorenen Job beim Theater, weil er sich betrunken auf die Kulissen erbrochen hatte. Dies soll seinem Leben die entscheidende Wendung gegeben haben. Lady hält das für baren Unsinn, aber sie spielt immer mit, und lässt Oldie an diesem Feiertag eine Extraportion Meth aufziehen.

„Was lies’n da?“ lallte Oldie, und hob Pepitas Buch an.
„Alter! Weg mit die Wixxgriffel, aber subito!“
„Leitfaden für Misanthropen?“, las er laut.  «Spinnst du?“
„Warum?“, sagte Marky Mark und schüttelte traurig den Kopf. „Warum, warum?“
Lady, die gerade ihr Methsackaufstechbajonett ableckte, hielt inne und lauschte.
„Was is?“, sagte Pepita gereizt. „Geht’s weiter, hier gibts nichts zu sehen, und wenns was gäbe, würdet ihr Troglodyten es eh nicht schnoin.“
„Keine verbalen Schweinereien vor neun Uhr“, sagte Lady. „Bitterscheen!»
Oldie kicherte. „Troglodyten, hehe.“
„Warum nur?“, wiederholte Marky Mark und blickte Pepita unverwandt an. Da erbarmte sie sich.
„Also gut“, nölte sie, „ich sag’s euch. Aber keiner kommentiert das, ja?“
Wir alle nickten.
„Das Buch is von meim Shrink. Er ist der Ansicht, dass ich einen etwas fatalen Hang zur Misanthropie habe, was er an und für sich okay findet, denn Misanthropie, so sagt er, ist irgendwie gerecht und Anti-rassistisch und so, na, capisch? Aber jetzt, wo wir alle die Flüchtlinge lieben sollen, wenn wir keine Rassisten und so sein sollen, habe ich natürlich ein Problem. Wie erkläre ich der Welt, dass mir alle auf den Zeiger gehen, nicht nur die, die gerade neu hinzukommen. – Darum das Buch. Zufrieden?»

Natürlich waren wir nicht zufrieden. Und jeden und jedin juckte es, irgendwas zu sagen, zu widersprechen, zuzustimmen, was auch immer. Aber wir hatten nun mal versprochen, keine Kommentare abzugeben. Und so verzog sich jeder an seinen Arbeitsplatz, um wie üblich Arbeiteifer vorzutäuschen. Nur Oldie blieb an der Tür hängen und murmelte lächelnd „Troglodyten, Troglodyten“ vor sich hin.
Tja.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert