Das Sprüchemsueum (65)

„… Wenn jemand ohne Sprachkenntnisse, Geld und Kontakte dir den Job wegnimmt, bist du vielleicht einfach nur Scheisse.»
Masterjam

Wir sagen: Besser hätte es nicht mal Pepita, unsere 17-jährige Türstheherpraktikantin sagen können. Oder etwa doch? Sie hätte bestimmt das „vielleicht“ noch weggelassen …

Ehe für (wirklich) alle

Heute wurde in der Redaktion der „Sober-Day“ begangen. Das traf sich gut, denn die Lady die die Methschälchen befüllt, hat sich krank gemeldet. Hitzschlag oder sowas. Also kein Meth, aber dafür aufputschende Diskussionen über die „Ehe für alle“, über die in der Schweiz demnächst abgestimmt wird.

Es war dann unser Redaktionsoldie der sich als erster zu Wort meldete. Aber was heißt, melden: Er sang.
Den alten André Heller Gassenhauer: „Wenn der Hirte sein Lamm liebt, soll er es lieben, wenn er es liebt … denn ich will, dass es das alles gibt, was es gibt!“
Einige, vor allem die aus der hinteren Ecke, dort wo noch der letzte Fingernagelschnitt von Jim Morrison rumliegt, sangen wacker mit.
„Ich will Chris heiraten“, sagte unser Oldie, und für einmal wussten alle sofort, wen er meinte. Natürlich das Merino-Schaf, das man eben von über 40 Kilo Wolle befreit hatte, das arme Schwein. „Ich glaube, ich liebe ihn. Es ist Liebe auf den ersten Blick, versteht ihr?“ Wir verstanden.
Soll er den geschorenen Bock doch heiraten und viele Schafkinder mit ihm adoptieren.
Marky Mark, unser Korrektor, sagte schüchtern, dass er seine Computer-Maus heiraten möchte, sie habe schon eingewilligt. Aber nach Hindu-Brauch, denn er möchte, dass sie nach seinem Tod mit ihm zusammen eingäschert werden soll. Er sei halt so irre eifersüchtig und er könne den Gedanken nicht ertragen, dass ein anderer seine Hand auf sie lege.
Na, warum denn nicht? Wenn schon Ehe für alle, dann für alle.

Natürlich hatte Pepita, unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin, auch etwas beizutragen: „Ich will mich selber heiraten. Das wird dann eine der wenigen echten Liebesheiraten, und, was auch nicht zu verachten ist: Die unvermeidliche Scheidung wird nicht so wahnsinnig teuer.»

Wie man sieht, geht es auch ohne Meth. Lang lebe der Sober-Day!
Da kommt wenigstens mal was gescheites dabei rum …

Emotion

Alles nur noch Emotion.
Zwanzigtausend demonstrieren in Wien „gegen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen“.
„Gebt uns endlich Frieden“, singen sie den alten Danzer-Hadern, in dem gegen die Macht der Mächtigen protestiert wird. Der perfekte Untertanensong. Denn nur der Mächtige hat die Macht zu geben. Etwas strange, aber wurscht. Die Kirche ist auch voll. Von Mächtigen und Selbstermächtigten. Die Kirche ist sonst nicht gerade überpräsent in der Flüchtingssache, aber der Kardinal hat einen Kronenkolumne und Worthülsenkitsch.  Sowas kommt gut an. Ist schon die halbe Miete.

Ich weiß nicht, wer hier die Flüchtlinge mit Absicht unmenschlich behandelt. Ich glaube, niemand. Und auch die 71 im Lastwagen, die darin soviel Platz hatten, wie ein Huhn in einer Legebatterie, sind nicht gestorben weil sie verfolgt, mit dem Tode bedroht und unsicher waren. Sie starben, weil sie nicht dort um Asyl ansuchen wollten, wo sie gerade waren. Das Erschütternde ist die vollkommene Sinnlosigkeit ihres Todes. Werden alle Überlebenstriebe außer Kraft gesetzt, wenn es darum geht, nach Deutschland zu kommen?

Das Ende der Ironie, schrieb Georg Diez. Na gut. By by Ironie, hello Emotion?
Geht nun gar nichts mehr ohne?
Emotion ist geil. Emotion ist der neue Geiz. Hass. Oder Mitgefühl. Und die Millionen Empathischen haben auch noch die Gewissheit, dass sie die Guten sind. Ist das so sicher?

Enttäuschung ist die hässliche Tochter der Empathie.

Vielleicht etwas mehr gedankliche Kühle, Pragmatismus?
Oder ist das bereits Ketzerei?

Der Letzte (Sommer)tag

Ich weiß, es ist verboten. Ironie ist verboten, keine Emotionen zeigen ist verboten, nicht gleich ausflippen ist verboten, konservativ-liberal zu sein ist verboten, nicht dieselben Ansichten wie die Peer zu haben ist verboten und – vom Wetter reden ist in diesen 1-Thema-Zeiten sowieso verboten.

Ich tu’s trotzdem.
Denn heute ist der letzte Sommertag. Das ist die letzte gute Nachricht, seit … ja, beinahe … der Auferstehung von Lazarus. Ich habe ihn durchgestanden, diesen Sommer, ziemlich mannhaft (ich weiß: verbotene Wortwahl), wie ich finde. Ohne großes Wehklagen, ohne großes Geschimpfe, nur viel vertrödelte Zeit, das große Warten. Fuck you, Sommer, fuck you!

Ein Drei-Finger-Rye und ein Budweiser, zur Feier des Tages. Aus der Flasche. Heute Abend. Und ein beidhändiges Mittelfinger Luftstechen. Und gleich nochmal: Fuck you, Sommer, fuck you!