Das Sprüchemuseum (40)

«Falls Sie zufällig antifaschistisch eingestellt sind und in Österreich vor Gericht gestellt werden, vergegenwärtigen Sie sich, dass das Fehlen von Beweisen für die Ihnen zur Last gelegten Taten, sich als besondere Schwere der Schuld, und auch als Ausdruck von Heimtücke und Niedertracht, strafverschärfend auswirken werden.

Sollten Sie aber dem rechten oder dem ÖVP-Lager zuzurechnen sein, so werden die wasserdichten Beweise Ihrer Schuld als  Milderungsgrund gewertet. Denn es zeigt dem Richter, dass Sie Charakter haben, ein richtiger Österreicher sind und somit per se unschuldig.»

Dr. med. Anna Rainesen

Wir sagen: Damit steht Österreich an erster Stelle als Aufnahmekandidat für Putins eurasische Union.  Wir gratulieren.

Das Sprüchemuseum 39

«Strache liest seit Jahren Coelho.»

Wir sagen: Fauler Strache. Mit dem Geschreibsel dieses Schriftsteller-Darstellers, ist man – wenn man es denn  unbedingt lesen will – in ein paar Tagen durch.

Eine gute Geschichte (Zumindest der Anfang)

Also: Ein Haus im 2. Wiener Bezirk, absolut gentrifizierfähig die Ecke, aber im Haus leider nur oide Habschis, die nicht freiwillig gehen wollen.  Was macht er, der Hausbesitzer, er holt sich ein Rudel Punks, überlässt denen die restlichen Wohnungen, in der Annahme, dass deren Anwesenheit genügen würde, die alten Mieter zum Auszug zu bewegen.
Aber das Gegenteil geschieht: Solidarisierung zwischen Punks und den Alten. Logo. Punks gehen mitunter liebevoll mit alten Leuten um. (Erinneren sie vielleicht an ihre Großeltern, die nicht ganz so oasch waren, wie die Eltern.) Und Punks lassen sich auch nicht gerne missbrauchen. Und schon gar nicht, um einem Specki zu einem Reibach zu verhelfen.

Aber heute ist es so weit: Das inzwischen besetzte Haus, wird polizeilich geräumt. 1700 Bullen (in Worten: eintausensiebenhundert) mit Hubschraubern, Wasserwerfern und Sondereinsatzkommandos machen den Job. Mit 34-facher Übermacht.
Die Punks machen ihnen die Räumung schwer. Saubere Merhfachverbarrikadierung, verschweißte Türen usw.

Nach dem Urteil für Josef S., jenem Anti-Burschaften-Demonstranten, der kürzlich einige Monate Knast ausgefasst hat, ohne dass ihm Straftaten nachgewiesen werden konnte, ist anzunehmen, dass nun im Justizministerium die Drähte heiß laufen, die ÖVP-Hülsen glühen und der Geifer von den Lefzen trieft, während man nach der Wiedereinführung der Todesstrafe schreit. Denn: Dies ist Widerstand!
Und Widerstand, das weiß auch die SPÖ, ist nur erlaubt, wenn er sich auf Geschehnisse von vor 80 Jahren bezieht. Gell …

Von Viktor zu Hartmann

«Von Viktor zu Hartmann»
Wege – Hanteln – Worte

so heißt mein neues Buch, dass ab nächster Woche erhältlich ist.

Es dreht sich, könnte man sagen, irgendwie um Sport. Aber auch wieder nicht. Es geht um mein Quartier in Wien. Und auch wieder nicht. Aber ganz bestimmt geht es um den Weg von der Viktorgasse (Wohnung) zur Hartmanngasse (Gym). Ums Gewichtestemmen und Bibellesen, ums bösartige Schimpfen und Einstecken von Bösartigkeiten. Um russische Saatkrähen und Wiener Mani Matter-verhunzer, um Zeitungsdiebe am Sonntag, um Schweigsamkeit und Schwanzvergleiche, um Stalkerinnen und die Götter die uns verarschen, um Hilfsbereitschaft, das Alter, den Tod. Und um Ray Chandler … und vor allem um den wunderschönen Park des Palais Schönburg …

Leseprobe:
http://songdog.at/84.html

Zu bestellen beim Songdog Verlag. Oder beim pösen Amazon oder der netten Buchhandlung ums Eck. Oder als E-book.
Softcover 104 Seiten. MIt Fotos von Antonia Niedermann.
€ 14.- /  sfr. 18.-

Morissey,

bullfighting is none of your business, and do not talk about things you cannot understand! Capisch?

Schweiz. Fauser.

Wir wissen es alle: Heute wäre Jörg Fauser 70 Jahre alt geworden. Dass er es ist nicht geworden ist, ist ein weiterer Grund, den Tod zu verabscheuen. Jörg Fauser fehlen wuchtige 27 Jahre.

1980 hatte ich eine Nacht in einem Basler Knast verbracht, weil man mich um 3 Uhr morgens beim «öffentlichen Verrichten der Notdurft» erwischt hatte. Dass ich in der Zelle landete, hatte wohl auch damit zu tun, dass ich mich nicht besonders kooperativ verhielt. Als ich rauskam, feierte ich den ganzen Tag meine Entlassung und landete schließlich in der Wohnung des Schriftstellers und Verlegers Matthyas Jenny. Er hatte gerade in seiner «Nachtmaschine» Jörg Fausers «Requiem für einen Goldfisch» herausgegeben. Ich las das Buch noch in derselben Nacht.

Es war keine Offenbarung. Aber genau das Richtige für einen jungen Kerl, der sich etwas darauf einbildete, gerade aus dem Knast zu kommen. (Später kam ich dann noch mal rein. Weil ich die Buße nicht bezahlt hatte. Aber diesmal war ich schon nicht mehr stolz darauf.)

Fauser blieben noch 7 Jahre. Seine Produktion war enorm. Die Marlon Brando Biographie lese ich immer wieder mal. Für mich – und Fauser selber – sein bestes Buch. Und natürlich «Rohstoff». Nicht seine Stories. Aber die Essays, die Buch-Rezensionen, die Aufsätze zur «Kultur» der BRD.
Einer der so viel schrieb, der konnte nur zuhause sitzen und schreiben. All day long. Und nächstens machte er sich dicht. Wie man so hörte. Eine Produktion wie Fassbinder – und einen ebenso frühen Tod. Oder wie Joseph Roth, den er verehrte und dem er einen seiner schönsten Texte gewidmet hat. Das volle Fauser Rohr: Melancholie, Kosequenz, Zweifel, Widerstand, Individualismus, Literatur.

Zum Schluss noch ein Hinweis auf die überaus lesenswerte Ausgabe des «DRECKSACK», der die eine Nummer ausschließlich Jörg Fauser gewidmet hat. Mit vielen, vielen Autoren, die etwas zu Fauser zu sagen haben.

Das wars mit «Schweiz….» Adieu.

Schweiz. Israel.

Während des Sechstagekriegs 1967, verkauften wir Kinder – von der Schule angeregt – Jaffa-Orangen und Jaffa-Grapefruits auf der Straße. Israel war gut. Israel war klein und von Feinden umzingelt. Israel hatte eine Superarmee. Die zweitbeste der Welt (die beste hatten natürlich wir, die Schweizer). Israel kämpfte um seine Existenz. Israel war genau wie wir. Israel war die Schweiz des Nahen Ostens. Man lachte über die Araber, die, um besser flüchten zu können, auch ihre Sandalen zurückließen.

1972-73 wurden viele meiner neuen Freunde, Kommunisten. Wir waren 16-Jahre alt, weg von zuhause und etwas einsam in der «großen» Stadt. Sie erzählten mir, dass Israel ein echtes Schwein war, der zionistische Büttel des aggressiven Imperalisten USA, ein Armeestützpunkt des Klassenfeindes im Nahen Osten. Ich wusste nicht so recht.
Damals waren die Kommunisten mit ihrer Meinung noch in der Minderheit. Diese Minderheit bestand aus meinen Freunden  – und ihren Chefs, die sie Abend für Abend in Marxexegesen drängten. Wenn sie zwischendurch mal einen Joint rauchten, zogen sie nun die doppelte Paranoia auf. Einmal ihrer Chefs und Eltern wegen und zweitens sahen ihre ideologischen Führer die Kifferei nicht besonders gerne.

Heute gibt es keine Schweizerkinder mehr, die Jaffa-Orangen für Israel verkaufen würden. Die Meinung der Kommunisten der 70-iger hat sich mehrheitlich durchgesetzt. Der europäische Antiamerikaner ist auch Antiisraelisch. Folgerichtig, irgendwie.

Israel gilt nicht mehr als die Schweiz des Nahen Ostens. Die Schweizer Armee ist auch nicht mehr die Beste der Welt. Manchmal frage ich mich, ob es sie überhaupt noch gibt, die Armee? Den berühmten Schweizer Wehrwillen? Braucht man nicht mehr, heutzutage.  Bisher war ja der Ami der Garant, dass der Russe hinter der Oder blieb. Aber den brauchen wir auch nicht mehr, den Ami.
Was wir brauchen ist eine ordentliche Internetverbindung und Fahrradhelme für unsere Kinder. Bei der Vorstellung, dass wir tagtäglich Raketenbeschuss ausgesetzt sind, wie die Israelis, kriegen wir eine Wut. Auf Israel. Gäbe es Israel nicht, gäbe es auch keinen Raketenbeschuss. Ohne Schwule, müsste auch Putin keine schwulenfeindliche Gesetze erlassen. Ohne Asylwerber kein Flüchtlingsproblem.
Wer hätte ahnen können, dass es so verdammt einfach ist. Aber da muss man erst mal draufkommen …

Schweiz. Sommer.

Heute, der verirrte Regenwanderer vor meiner Hütte: Ich lud ihn auf einen Tee ein.
Wir saßen draußen auf der Veranda, tranken Tee und sogen den narkotischen Duft der gewaltigen Linde ein und blickten freundlich in das Nebelgespinst, das aus dem Tal die Steilwand hochgeschoben wurde. Dann sagte er: «Ja, der Sommer. Das ist nur noch was für Verrückte. Wie im Fernsehen. Erst siehst du die Leute bei den abartigen Hitzewellen in den Freibädern um einen Kübel Wasser kämpfen, in dem sie stehen können, dann, ein bisschen später, siehst du sie wieder, wie sie mit dem Kübel den Schlamm aus ihren Kellern schöpfen.»

«Stimmt», sagte ich. «Das hat was. Aber wenigstens steht ihnen beim Schlamm schippen, keiner auf den Zehen. Wollen Sie noch einen Tee?»
Er wollte. Dann ging er. Ich sah ihm nach, wie er bei den Schafen stehenblieb und mit ihnen sprach. Diese Schafe! Stehen seit Tagen in dem Dauergeschütt und glotzen einen an, wenn man vorbei geht. Aus meiner Laborzeit weiß ich, dass Wolle zwanzig Prozent ihres Gewichts an Wasser aufnehmen kann, ohne sich feucht anzufühlen. Wie meine Kehle, dachte ich, ging wieder rein und legte ein Buchenscheit nach und hörte weiter dem Rauschen des Regens zu …

Schland,

war das eigentlich nötig? Diese Torgier? Kein Gefühl für Mäßigung, was? Irgendwann hört der Sportsmann doch auf, auf seinen Gegner einzudringen. Seht euch den Kampf Larry Holmes-Muhammad Ali an. Holmes hätte Ali zu Klump hauen können, tat es aber nicht. Aus Respekt. Er wartete darauf, dass der Ringrichter den Kampf abbrach. Das ist guter Stil.

Vielleicht braucht der Fußball auch die Möglichkeit des Spiel-Kampf-abbruchs.

Aber, Schland, du wirst sehen: Holland wird Weltmeister.
Wir kennen dich, Schland, so einen Sieg stehst du nicht durch. Wie heißt es beim Theater: Gelungene Generalprobe, verpatzte Premiere.

Das hast du nun davon, Schland. Tut mir wirklich leid. Ehrlich.

P.S. Blogeintrag vom 6. Juli 2010:

«Aber in dieser Tonart gings weiter. Nachdem Schland, der alte Gierschlund, wieder mal nicht genug bekam und die Katholentruppe der “Gauchos” mit 4 Kohlrabis ins Gemüsekistchen gesegnet hatte, gings zur Lesung.»