Schweiz. Ankommen.

Der Zug hält. Die Türe des Railjet 160 (Wien-Zürich) geht auf. Es ist Buchs. Ich steh oben auf der Treppe. Krass Gepäck. Vor der Türe steht auch jemand. Mann, Frau. So um die Siebzig. Feineres Tuch. Nicht ganz fein, aber so fein, dass man annehmen darf, dass sie etwa eine halbe Mille auf der Kante und ihren Kindern ein Haus gekauft haben. Da stehen sie. Sehen zu mir hoch. Ich warte noch ein wenig, um ihnen Zeit zu geben, den Weg freizumachen. Nichts geschieht. Sie bleiben unbeweglich, mit großen Augen, vor der Tür stehen. Es kommt ihnen nicht in den Sinn, dass sie mir den Weg versperren. Denn sie haben noch nie im Leben, jemandem den Weg versperrt. Sie sind Schweizer. Schweizer tun sowas nicht. Sie tun es nicht mal dann, wenn sie es tun.
Aber vielleicht sind sie auf Drogen. Was weiß man denn schon von Schweizern? Sediert. Kastriert. Frisch operiert. Unterminiert. Borniert.
Wie auch immer. Sie gehen nicht weg.

Ich entschließe mich zur Unhöflichkeit. Ich bin ungern unhöflich. Das sind die vitalen Reste einer christlichen Erziehung. Aber jetzt überwinde ich mich. Gebe mir einen Ruck. Nehme die Treppe, und schiebe sie mit dem großen schweren Trolley einfach beiseite. Gehe weiter. Ohne mich umzusehen. Kein Wort von ihnen. Ich spüre, wie ihr stilles, sorgenvolles Unverständnis an meinen Rücken brandet wie Wellen und wie die Gischt ihrer Empörung meinen Gang umwölkt.

Das nächste ist die Frau am Fahrkartenschalter. Sie hat ein Handy. Wir hören es alle. Sie bespricht live mit einer Angehörigen die Reise, die sie ihr spendieren will. Maturareise, oder so. Wohin willst du? Wann willst du fahren? 1. oder 2. Klasse? Vorwärts oder rückwärts sitzen? Großraumwagen oder Abteil? Und so weiter.
Wir stehen in der Schlange. Warten. Die Frau weiß nicht, dass es außer ihr und ihrer Nichte, noch andere Menschen auf dem Planeten gibt. Es ist ihr wurscht. Sie hat ein Handy. Dsa berechtigt sie zu all dem.

Dann sitze ich im Bus von Altstätten nach Heerbrugg. Diese Gegend muss man gesehen haben! Es regnet. Die Vorstellung, was man in einer solchen Gegend tun kann, bringt einen der restlosen Verzweiflung nahe. Es regnet. Wir fahren an einer Kirmes vorbei. Der Regen saftet von den Planen der Stände und plätschert auf die Regenschirme.

Das Mittelland der Schweiz erinnerte Andrzej Stasiuk, so schrieb er in seinem Buch «Dojcland»,  an Rumänien. Dieses Formlose, Hässliche, Stillose. Und dann die Enge, in der diese Hässlichkeit stattfindet. Er hat recht. Ich weiß genau, was er meint. Was bleibt einem da übrig? Arbeiten, ja.
Sonst nix. Goa nix.

HDS: PARTLY FICTION

Wer den großartigen Film von Sophie Huber über Harry Dean Stanton – «Partly fiction» – gesehen hat, der wird es nicht vergessen. Wie Harry Dean Fred Neils «Everybody’s talkin'» performt hat. Ja, performt. Im riesigen Lehnstuhl sitzend, sonst nichts. Im off die Gitarre von Jamie James, und sonst schon wieder nichts.

Und jetzt ist es da. Das Debut. Eines 87-jährigen.
Wenn jetzt einer fragt: Wer ist dieser  Harry Dean Stanton?, der fängt eine lebenslange Sperre für diesen Blog, und eine Clockworkorange-Zurichtung für  Florian von Henckel Donnersmarck-Filme.

Wenn es Harry Dean nicht völlig wurscht wäre, würde ich jetzt sagen: Schnappt sie euch! Die CD!

«Wehret den Anfängen»

Gestern habe ich etwas verstanden. Ich habe verstanden, was die österreichische Sozialdemokratie unter «Wehret den Anfängen» versteht.
Bislang war ich der Meinung, dass es um das Erkennen von aufblühenden totalitären Tendenzen geht, das Widerstandleisten gegen Diffamierung von Andersdenkenden, gegen die Unterdrückung der Opposition und damit die Ächtung von Diktatoren.
Geht es auch.
Aber – und das ist es, was mir gestern beim Anblick  der flotten Reblaus-Party mit Putin, mit der feixenden Bundesomi und den versammelten Entrepreneuren der heimischen Wirtschaft, blitzartig eingeschossen ist: Man muss das «Wehret den Anfängen», nicht nur skandieren, man muss es auch erfolgreich gestalten. Und wie macht man das? Ganz einfach: Man wehrt den Anfängen von vor 80 Jahren. Mit dem Widerstand gegen das Naziregime in den 30-ger Jahren, ist man heute, 2014, ziemlich erfolgreich.
Diese Anfänge sind gemeint.
Das habe ich jetzt kapiert.
Wer hat uns verraten?
Genau.

Der Wladimir und die Omi

Der nächste Despot reitet in Wien ein, es folgt Schlag auf Schlag, in der beliebsten City der Rechtsradikalen, SS-Philosophen, Tyrannen, Despoten, OLigarchen und den einheimischen Geschäftemachern.
Heute ist der Wladimir dran, der Putin Wladimirowitsch, dem man den roten Teppich ausrollt, die halbe Stadt absperrt, damit er von Demonstranten unbehelligt, ins Büro der Bundesomi, dem Fischer Heinzi, findet.
Österreich erweist sich wieder mal als verlässlicher Partner. Nein, nicht für die EU – für Russland.

Der leisen Kritik der anderen EU-Staaten gedenkend, hat Heinz Fischer versprochen, dass er bei Putin «für friedliche Lösungen werben» und eine «faire, klare, deutliche Sprache sprechen, zu verschiedenen Themen, die auf dem Tisch liegen».

Uns wurde – von zuverlässiger Quelle – folgender Dialog aus der Hofburg zugespielt:

Bundesomi: «Eins muss ich dir schon noch in aller Deutlichkeit sagen, Wladimir …
Wladimir: «Sprich dich aus, Omi …»
Omi: «Also, weng der Ukraine, Wladimir, – waasst eh, odrrr?»
Wladimir: «Kloa, waass i eh.»
Omi: «Supa! Und? Wie gfallt dr mei Büro?»
Wladimir: «Eh supa!»

Dolly und der Fußball

Zugegeben, der Sieg der Schweiz gegen Frankreich hätte etwas überzeugender ausfallen können. Nun gibt es nicht wenige Neider, die laut fragen, wie die überhaupt in die Endrunde geschlüpft sind, die Schweißer. Ich würde mal sagen (Spoileralarm!) : Pimperl-Quali-Gruppe.
Trotzdem, man sollte sie nicht schmähen die Weißkreuzler, denn immerhin haben die vielen Schland-Legionäre in Schland gelernt, dass es erst zu Ende ist, wenns zu Ende ist, und dass man, bis es soweit ist, sein Bestes gibt und auch sein Blut auf dem Platz lässt, wenn’s denn sein muss. Und es musste sein, wie die kickboxenden Eric Cantonas-Epigonen bewiesen.

Na ja. Jetzt höre ich die grandiose Dolly Parton, die Marilyn Monroe des Country, mit ihrer Hammer CD «The Grass is Blue», diesen sprudelnden Bluegrass, der mich allen Fußball vergessen macht und auch, dass wir gestern, der Herr Hitz und ich, im Anzengruber umringt waren von Frankreich-Fans, die, wie ich vermute, eigentlich keine Frankreich Fans waren, sondern Knipper die nur die Schweiz verlieren sehen wollten. Alle wollen nur die Schweiz verlieren sehen. So ist das nämlich. Oder wie der Moni Youssef vor Jahren sagte: «Israel is the best Soccer-team in the world. I don’t know, why we always lose.»
Aber ich bin ja selber so ein Mieser, denn ich bin kein Costa Rica-Fan, sehe aber gerne wie die Azzuri einen einfangen. Und als es selbst  Oma Pirlo in der 3. Nachspielminute nicht gelang noch einen aufs Rohr zu flanschen, war ich irgendwie enttäuscht, denn das ist man von den Jungs in Blau nicht gewohnt, aber gar nicht.

So, und jetzt ist die sagenhafte Dolly durch, aber ich lass die Scheibe gleich noch mal kreisen … So gut ist die. So irre gut …

Piss off, Leidenschaft!

Zwischen den verschiedenen Rechtsextremendemos durch Wiens Straßen, den Besuchen diverser Despoten und Antidemokraten, russischen Kriegsgurgeln und SS-Philosophen, also all den feinen Events für’s Gemüt der berühmten «30%», und dem Stoneskonzert für den fortgeschrittenen Rock-Spießer – den wir dann möglicherweise wieder unter den Jubelpersern beim Putin antreffen -, zwischen all diesem geistigen Hämorrhoidensalben Geschmiere, gibts noch etwas: Das zarte Pflänzchen Fußball.
WM sei, hört man hin und wieder. Aber da die Türkei nicht dabei ist, bleiben wir auch von nächtlichem Auto-Corso-Gehupe verschont, es ist ruhig hier, und nicht mal aus den offenen Fenstern der Nachbarschaft brandet Jubel oder ächzt Selbstmordgestöhn, es geht allen offenbar am Glutäus maximus vorbei: Die Engländer, die Spanier  kacken ab? Na und? Wen juckts?

Ich wundere mich. Sonst war mehr los. EM oder WM, man konnte sie immer fühlen, in den Straßen, in den Smalltalks. Aber heuer? Nicht mal die Jungs und Mädels aus dem Hort kriegen sich darüber richtig in die Haare.

Aber: Heute Abend besiegt die Schweiz Frankreich. Doch werden die 2-3 Tausend Schweizer in Wien einen Auto-corso veranstalten? Wohl eher nicht. Die Schweizer die ich kenne, haben nicht mal ein Auto. Vielleicht mit dem «Velo». Zweimal die Klingel ringen. Und für die Existentialisten unter uns: 3 mal.
Ich höre schon, wie wir unseren superlativigsten Superlativ ausstreuen, nachdem die mit dem weißen Kreuz in Führung gegangen sind: «Nöd schlächt.»
Jawoll! Leidenschaft muss sein.
Muss sie? Gibts nicht schon genug davon? Doch, finde ich.

Einmal schoss einer ein wunderschönes Tor und danach setzte er sich einfach ins Gras, umschlang mit den Armen die Knie und blickte in den Himmel.
Das war der schönste und berührendste Torjubel, den ich je gesehen habe.

Danke fürs Kommen, Erdogan

Das Gesocks der «Identitären» hatte neulich seinen Wien-Auftritt, dann machten 83 rechtsnationale Burschenschafter auf 500, und ließen ihren Spaziergang durch die Innenstadt von 1000 Bullen bewachen; und heute, heute kommt der Erdogan und kurz darauf der Putin.
Die Politik ist etwas aus dem Häuschen. Die Bundesomi Heinz Fischer antichambriert schon allerorten und übt im fortgeschrittenen Alter den extremen Spagat à l’autrichien, und auch sonst: Man macht sich Sorgen.

Aber wir müssen doch dem Erdogan dankbar sein, dass er nach Wien kommt, um hier seine Anhänger gegen Demokratie, Integration und «Antitürkentum» aufzuhussen. Warum? Weil nun endlich sichtbar wird, was vorher niemand sehen wollte: Wie ein großer Teil der hier lebenden Türken tickt. Das wird vielleicht unschön. Vielleicht gucken auch mal die großen Parteien in ihre Reihen und sehen sich mal an, wen sie als Vorzeigemigranten angeworben haben? Und vielleicht geschieht gar etwas bei der Linken, und man denkt auch mal nach, bevor …

Dem FPÖ- Strache und den anderen gefühlten 82% rechten Austriaken, würd der Erdogan ja schon gefallen, so resch und fesch und autoritär und humorlos, spießig und anitdemokratisch wie er daherkommt, aber leider, leider hat der Mann die falsche Nationalitität – die falsche Religion.
Aber am 24. Juni kommt  der Vladimir Vladimirowitsch Putin. Da stimmt dann einfach alles …

Das Sprüchemuseum (38)

«Früher, als mein Haar länger und der Rock etwas kürzer war, war man auf einem Konzert der Rollings Stones vor den Squares (Spießern) sicher. Heute sind die alle auf dem Konzert.»
Dr. med. Anna Rainesen

Wir sagen: Jo mei, wenn sonst nur Fußball ist?

Das Sprüchemuseum (37)

Mit diesen 3. Liga-Schiris ist das Toreschießen wie beim Prostatapatienten: 3 mal aufstehen, um einmal zu pissen!

Saerdna Namredin, indischer Poète maudit

Wir sagen: 3 mal pissen und nur einmal aufstehen, ist auch nicht das Wahre.