«Ändert euch?»

Neben jenen Kollegen, die mir und dem Rest der Welt ihre Schwarten ans Herz legen, ihre 500-und-mehr-Seiten-Kaliber, in denen sie uns den beklagenswerten Zustand der Welt schildern, «Fragen stellen» aber «keine Antworten haben», sind mir diejenigen am Liebsten, die lauthals mit der Forderung: «Ändert euch!», «Empört euch!» u.ä. in die Feuilletons gekrochen kommen.

Wärs nicht schön, wenn hin und wieder einer der Autoren, dessen Werk 24,90 kostet und bei deren Lektüre man sich in die Hand beißen muss, eine kleine Antwort für uns hätte? Und wenns nur die genaue Uhrzeit ist?

Bei denjenigen, die vorwiegend in Stadttheatern sitzen und ihrem Publikum zurufen: «‹Ändert euch!», möchte ich zurückbrüllen (unsubventioniert, unverhohlen und unverstellt): «Denk zuerst mal nach, Armin!»
Zuviel verlangt?

Als in den achzigern das Sgraffito: «Die Phantasie an die Macht!» an den Mauern prangte, schrieb der deutsche Agent für Zweifel, der Geschäftsmann Jörg Fauser: «Ja. Aber hat man dabei auch an die Phantasie der Folterknechte gedacht?»
Nicht ganz falsch, oder?

«Ändert euch!»
Was denn? Wer denn? Warum denn? Wohin denn? Wozu denn?
Soll ich meinen Nachbarn nicht mehr freundlich Guten Morgen wünschen, sondern ins Gesicht spucken? Soll ich nicht mehr versuchen, mich zivil zu benehmen, sondern gleich zuschlagen? Oder wie, oder was?

Nun, denn. Wie auch immer. Wir werden uns nicht ändern. Das ist bei einigen ziemlich gut, bei anderen nicht so. Man kann sich nicht einfach ändern. Die meisten können nicht mal aufhören zu rauchen oder die Scheiße ihres Hundes vom Gehsteig klauben. Für das erste braucht es die Klarheit und den Willen eine Sucht zu überwinden, für das zweite die Einsicht, dass der Gehsteig auch noch für andere da ist. Schwierig, schwierig.

Ändern wir erstmal, dass wir die «Ändert euch!» Rufe aus den Stadttheatern und von den Bestsellerlisten, ignorieren …