Kardiologe, Feuilleton und lesende Nichtleser

Einmal ging ich zum Kardiologen. Zu Fuß. Die Morgensonne beschien die Rückseite der Ordination im 5. Bezirk. Seinen Namen habe ich vergessen. Er telefonierte und sprach herrisch und sehr unfreundlich mit einem Patienten, der sich nicht an seine Anordnungen gehalten hatte. Dann legte er auf und wandte sich mir zu. Er fragte seine Kardiologenfragen und ich antwortete mit meinen Herzpatientenantworten. Er fragte, wieviel ich denn so auf die Waage bringe und ich sagte: «114 Kilo.»
Ich merkte, dass er «140 Kilo» verstanden hatte, wollte aber erst nicht glauben, dass er wirklich glaubte, dass ich 140 Kilo wog. Ich war noch einiges von Matthias Steiner entfernt. In mancherlei Hinsicht.
Aber ab diesem Zeitpunkt hatte er schlechte Laune. Er schmierte meine Brust mit einem kühlen Gel ein und holte den Ultraschallschnorchel heraus. Und  als er auf meiner linken Brust herumforchelte, wurde er richtig grantig. Er sprach von meinem Herz, als würds in den nächsten Tagen unbedingt ausgetauscht werden müssen. Mein Herz sei am Arsch. Sozusagen.

Er fragte, ob ich noch Treppen steigen könne ohne halb zu krepieren, und ob meine Beine geschwollen seien.
Dann, ein oder zwei Tage später, machte ich ein Bealstungs EKG. Ich trat 300 Watt auf dem Ergometer und kriegte einen Wert von 130. Zur Orientierung: 100 ist schon ziemlich super.
Danach war der Kardiologe kleinlaut und sah mir nicht mehr in die Augen, während er mir eine ausgezeichnete Fitness bescheinigte.

Heute hörte ich die Geschichte eines jungen Autors, der absolut erfolglos schrieb, bis er sich als junge gutaussehende Frau ausgab. Das Buch wurde von einem großen Verlag angenommen und es wurde ihm im Feuilleton ein irres Talent bescheinigt.

Das Feuilleton, die lesenden Nichtleser und die Verleger sind wie mein Kardiologe: Voreingenommen, ziemlich dumm und richtige Versager. Man sollte sich vor ihnen in acht nehmen und vor allem: Glaubt ihnen kein Wort.

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