Das ist Scheiße, Kollegen!

In seiner Rede zum Holocaust Gedenktag lässt der Schweizer Bundespräsident, der SVP-ler Ueli Maurer, noch einmal die «Aktivdienst-Generation» hochleben.

«… dass die Schweiz in dieser dunklen Epoche ein Land der Freiheit und des Rechts geblieben sei, dank einer Generation mutiger Männer und Frauen.»

Darunter macht er es nicht. Nicht nur, dass er die vielen jüdischen Flüchtlinge unterschlägt die an der Grenze stehend, wieder zurück in den sicheren Tod geschickt wurden, sondern sein Gequatsche insinuiert auch, dass die Schweiz ganz allein,  umgeben von totalitären Systemen, für Freiheit und Recht «gekämpft» hätte.

Dümmer geht’s kaum noch.

Aber regt das jemandem auf? Ja.
Sind es die preisbekränzten Schweizer Intellektuellen und Schriftststeller, bekannt aus Film, Funk und Boulevard, die sich zu Wort melden und dem Aktivdienstfasler in die Parade fahren?
Aber nicht doch. Schweigen in Wald, Flur und auf dem Berg.
Widerspruch kommt allein von der israelitischen Gemeinde Schweiz und den anderen jüdischen Organisationen.

Ist das beschämend?
Irgendwie schon. Das ist Scheiße, Kollegen.

Liebe Schweizer

Unser Freund, Kollege und Songdog-Autor, Franz Dobler, ist nächste Woche mit dem Ry Cooder Buch (in Doblers Übersetzung)  «In den Straßen von Los Angeles» (Edition Tiamat) in der Schweiz unterwegs.

Was soll man da noch sagen?
Vielleicht: Wer nicht hingeht, ist selber schuld?

27.01. CH-SCHAFFHAUSEN Club Cardinal 20h
28.01. CH-BERN Café Kairo 20h
29.01. CH-LUZERN Loge 20h
30.01. CH-ST.GALLEN Palace 20h

P.S. Und wer will, kann sich noch von «The Blech» Drummer Hubl Greiner, der die Tour dokumentieren wird, ein Autogramm besorgen.

Warum und wieso und weswegen?

Ich war in der Kirche und versuchte mich nicht zu langweilen. Aber es war für einmal gar nicht langweilig. Eingemauert in diesen finster-wienerischen Niedertrachtsbarock. Der steingewordenen Verhöhnung der unterlegenen Protestanten bei der Gegenreformation. Diesem unermesslichen Gedränge von sinnlosen Schnörkeln, Voluten und Putten, und Statuen unbekannter Heiliger. Ich dachte an Narziss und Goldmund von Hesse. Ich denke immer an Narziss und Goldmund, wenn ich Statuen von Heiligen sehe.
Wie ich immer ans Kiffen denke, wenn sich die Gläubigen nach der Einnahme der heiligen Hostie in die Bänke knien. Als Kind wartete ich immer darauf, dass nach dem verspeisten Leib Christi was tolles mit mir passieren würde. Es geschah nie etwas. Wie der Kifferdebutant auf die Wirkung des Stoffs wartet, so wartete ich. Die Wirkung tritt ein, aber man merkt sie nicht. Die heftigste Wirkung ist, dass man den Menschen nicht mehr traut, nachdem man sie in der Kirche hat knien sehen.

Dann dachte ich an Mutter Teresa. Mutter Teresa, so macht es den Anschein, ist die Patronin der Wiener Spitäler. Mutter Teresa stand auf Schmerzen. Sie verweigerte Sterbenden Painkillers. Sie war der Ansicht, dass man durch Schmerzen Jesus am Nächsten komme.

Wenn man es genau nimmt, waren die Schmerzen Jesu gar nicht so irre. Viele Krebspatienten erleiden mehr. Und in Pinochets Kellern und in den Konzentrationslagern der Nazis und den Gulags von Stalin waren auch ne Menge Schmerz. In Guantanamo auch.

Aber Mutter Teresa starb, ohne an Gott zu glauben. Sie hatte nach ihm gesucht. Ihr langes Leben lang. Sie war verzweifelt, weil Gott ihr nicht antwortete. Wie Jesus. Denn auch er starb gottverlassen. Das hat sie vielleicht getröstet. Aber vermutlich nicht.

Das sind so die Dinge, an die man in Kirchen denken kann. Man könnte natürlich auch andere Dinge denken. Aber ich nicht. Nicht mit meiner Vorgeschichte. Aber ich denke gerne an solche Dinge. Wie oft komme ich denn schon in eine Kirche?

Und während der ganzen Fahrt mit der Tram zur Kirche löcherte mich meine neunjährige Tochter wegen dem Baum der Erkenntnis, dem Paradies und den Erzengeln. Es hörte schon die halbe Tram zu.

Verdammt, dachte ich, vielleicht liegt diese Fragerei in der Familie?
Und wenn es so wäre, warum und wieso und weswegen?

Der abgeschlossene Kurzroman (4)

«Die Dämmerung senkte sich über die Hochebene, Nebelschwaden strichen an der Bergflanke entlang. Ein leichter und ausdauernder Nieselregen verlieh der Fahrbahn einen dunklen Glanz, und über die triefenden, grünen Wiesen führten nasse, gewundene Straßen zu Gehöften die aussahen wie große sanfte Tiere, die man im Regen vergessen hatte.
„Holyshit!“, entfuhr es Leonhard Singer.
Dies war sein zweiter Fehler.»

Wir lieben Serner

In den letzten Tagen, gestern vielleicht, schrieben die Kollegen vom Franz Dobler Block über Franz Jung und, jetzt kommt’s, über Walter Serner. Grundgütiger! Wie erfreut wir von der Kulturredaktion die Hände hochrissen: Walter Serner! Tor! Tor! Tor!
War er nicht auch unser Gott gewesen, zumindest eine Weile? Vor vielen, vielen Jahren, als wir noch schwarzen Afghanen rauchten, die Haare lang und einen Brotsack trugen, und richtig Schiss hatten, vor großstädtischer Serner-Eleganz und Dandytum und wirklicher Gscheitheit. Walter Serner.

Ich wusste damals nicht einmal, dass er eigentlich Seligmann hieß und Jude war. Nur dass sich «seine Spur in Theresienstadt verlor», und auch da waren sich viele von uns nicht ganz sicher, was das zu bedeuten hatte, so dumm waren wir.
Aber ich liebte Walter Serner. Zut!, sagte die Tigerin, und andere anregende Dinge mehr.
Serner, Roth et alliis, sie schrieben wunderbare, kompakte Romane, sie schrieben in einem dichten Stil, wie Boris Vian, sie laberten nie rum, brachten es immer auf den Punkt, sie hatten es eilig und  waren auf der Flucht, die Frauen waren verführerisch, der Pernod duftete, das Leben war gefährlich, und, vor allem, es war kurz.
Und sie hatten noch etwas: Autorenanstand.
Sie schrieben keine 700 Seiten Dinger, die den Leser zeitlich und finanziell an das eine Buch banden, sie ließen mit ihren 160 Seiten auch die Kollegen leben.

Dieser Tage kam einer der gefühlten tausend österreichischen «Starautoren» mit einem 650 Seiten Oschi raus. (In Österreich heißt ein Laiendarsteller: «Hobbystar».)
Nun ja, man kann es ihm ja schlecht verbieten.

Als Friederich Dürrenmatt einmal gefragt wurde, was er von Günther Grass halte, antwortete er, dass ihm Günther Grass zu wenig intelligent für dessen dicke Bücher sei.

Wir lieben Serner!

Sans titre

Gestern saß ich zusammen mit dem Herrn Schütz im Anzengruber, wie ich zwei Tage zuvor mit Frau Salina im Anzengruber gesessen bin, und einige Zeit vorher mit Herrn Dobler, so dass man annehmen könnte , ich säße eigentlich immer nur im Anzengruber, was aber Unsinn ist, denn ich sitze sehr selten im Anzengruber.
Aus mannigfaltigen Gründen. Deren wichtigster der ist, dass ich im Anzengruber gerne anregende Gesellschaft habe, weil mir sonst das Sitzen im Anzengruber keine rechte Freude zu bereiten vermag, und vom Betrachten der Büsten von Herrn Glavinic, Lottmann, Pilz, Kogler und diversen Akteuren des heimischen Filmschaffens, wird mein Geist nicht angeregt, auch nicht sediert, nein, das nicht, aber er fällt dann irgendwie in die Grube die er sich selbst gegraben hat, und das ist nicht wirklich schön.

Gestern saßen da also der Herr Schütz und ich, und tranken Bier.
Ich trinke eigentlich nie Bier, aber im Anzengruber schon, denn dort habe ich mich, vom Grießkirchner kommend, übers originale Budweiser zum belgischen Leffe hochgearbeitet, und süffle jetzt die belgische Suppe und wünsche mir dabei, es gäbe auch noch richtige belgische Pommes frittes, in Rindertalg herausfrittiert und mit «PiliPili»-Mayo-Tunke versehen, und wahrlich ich sage euch, ich wäre mehr als zufrieden am Leben zu sein.

Aber auch ohne belgische Pommes hatten wir zu reden, und wir redeten über die Güte des amerikanischen Fernsehens, die Serien und Sequels, über Dexter und Two an half Men, Scrubs, Big bang theory, und die hammermäßig genialen amerikanischen Autoren, die längst erkannt hatten, dass man heute den Roman im Fernsehen bringt, und wir redeten auch darüber wie unmöglich das hierzulande ist, aus uns teils bekannten, teils unbekannten Gründen, und wie scheißebetulich diese deutsch-schweizer-österreichischen-Fernsehdinger immer geraten, und wie dann irgendwelche Schlaumeier in periodisch getakteten, immer wieder kehrenden Abständen verlautbaren lassen, dass dies dem Mangel an guten Autoren geschuldet sei, was natürlich völliger Käse ist, und dies wird nicht nur Fritz Ani und Dominique Graf bestätigen, sondern auch noch ein Batallion anderer.

However. Es war gut darüber zu reden. Und ich, ein erklärter Dschungelcampfan sage allen die es nicht hören wollen: Das Dschungelcamp ist der Oymp des deutschsprachigen Fernsehens. Höher geht’s nicht, und jetzt, Torfis, beginnt euer Aufstieg!
Berg heil!
(Und jetzt seh ich mir das Lauberhornrennen an.)

Seele

Heute, beim Frühstück, saßen wir alle beisammen und beweinten den Hasen, der uns in der Nacht verlassen und die große Reise angetreten hatte. Die Kinder waren aufgewacht und hatten die immer matter werdende alte Häsin rumoren gehört, und dann habe sie zweimal gequickt und dann sei es wieder still gewesen.
Ich denke, «Spitzi» hat den Tod angeknurrt, wie es manchmal ihre Art war, wenn man sich ihr näherte, und sie wird nach ihm geschnappt haben. Bestimmt.

Draußen fällt und fällt und fällt der Schnee und wir hören das Scharren der Hausbesorgerschaufeln auf den Gehsteigen, die Stadt versinkt zu den Geräuschen sinnlosen Geschaufels, und Ella sagt, das sei das erste Mal dass sie mich habe weinen sehen, und das wird wohl stimmen, und ich kann mich nur darüber wundern, dass es mir nahe geht.
Mir wurde in den Religionsstunden beigebracht, dass Tiere keine Seele haben, aber ich mochte das nie recht glauben. Später zweifelte ich, ob überhaupt irgendjemand eine Seele habe, und heute trete ich innerlich einen Schritt zurück, wenn jemand von «Seele» spricht.
Was ich damit sagen will, ist, dass ich noch immer nicht Bescheid weiß.

Wir gingen dann alle unserer Wege. Ich stampfte traurig durch den Schnee, stemmte im Geisteszentrum Gewichte, ging einkaufen, und spielte auf der Gitarre «Simple twist of fate», dass ich mir gestern beigebracht hatte.

Dann wollte ich an einem Text weiterarbeiten, aber es ging nicht. Ich legte «Blood on the tracks» auf, schrieb diesen Block und wusste, dass dies noch nicht alles gewesen war. Mit oder ohne Seele …

Der hat nichts mehr zu melden

Es hatte in der Nacht geschneit, und beim Frühstück kam das Gespräch auf die Katholiken, und meine jüngere Tochter fragte, ob Katholiken die sind, die an Gott glauben und ich antwortete wahrheitsgemäß, dass es unter ihnen welche gäbe, die das tun.
Dann lief ich durch das wunderbare Schneegestöber zum Geisteszentrum und trainierte. Auf dem Rückweg dachte ich wieder an die Katholiken, vielmehr an die zigtausend Mitglieder dieser zur reichen, weltweiten Sekte verkommenen Religionsgemeinschaft, die sich in Paris auf die Straße begeben hatte, um uns anderen klipp und klar zu verdeutlichen, was moralisch und ethisch korrekt sei: Keine Gleichstellung homosexueller Paare.
Diese vielen empörten Katholiken mit ihren Einheitstranspenten! Ein großartiges Bild. Wenn das nicht Chuzpe war, was dann? Die trostlose Anmaßung einer Gemeinschaft, deren Proponenten – seit Jahrhunderten –  in ihren Einrichtungen Kinder und Schutzbefohlene misshandelen und missbrauchen. Von ihren Bischöfen und Kardinälen in Gauneromerta beschützt.
Man könnte auf den Gedanken kommen, dass ihnen ein bisschen Demut doch gut stehen würde. Aber ich  bin naiv. Hier geht es um Macht, und nicht Moral, Idiot!

Es schneite immer noch, als ich all das dachte, und ich mag es, wenn es schneit, und als ich mich dem Alois Drasche Park näherte, konnte ich hören, dass ich mit meiner Freude nicht alleine war. Hinter der Palisadenwand, aus dem Spielplatz, drang das Vergnügungsgekreisch von Kindern, und das hohle Bollern von Schneebällen auf den Holzwänden.

Ich glaube nicht, das Gott etwas dagegen hätte, wenn einige der Kinder nur Pappas oder Mammas hätten.
Aber der hat ja nichts mehr zu melden.

Sehr geehrter Thienemann Verlag

Bei uns ist es üblich, nach dem Putzen, die Schuhe ordentlich zu wichsen, und manchmal, wenn wir dabei aus dem Fenster blicken, sehen wir die Couleur-Studis in vollem Wichs zu ihrer Bude traben. Hin und wieder wird von Linkslinken dagegen  demonstriert. Darum bilden die Bereitschaftsbullen zum Schutz der Koorporierten einen Spalier und wichsen drohend die Knüppel.
Montagmorgen kommt der Putztrupp, schrubbt das Parkett und wichst es danach ordenlich ein. Die Wichse besteht aus Bienenwachs und feinsten Ölen, so wie wir auch nur beste Schuhwichse verwenden, denn der gute Wichser weiß, was er an der guten Wichse hat. Den Film «Der Wixxer» haben wir nie gesehen. Wir sind nicht bildungsfern und sehen uns keine Programme an, die uns mit miesem, fehlerhaften Deutsch beleidigen könnten. Das ist wirklich nur was für Wixxer.

Mit freundlichen Grüßen

Familie Wichsmann-Preußler