Plagiatsschnitt

Nun soll also auch die deutsche Bildungsministerin Schavan bei ihrer Dissertation «Person und Gewissen» plagiiert haben.
Man weiß gar nicht mehr, was man dazu sagen soll. Am besten nichts.

Ich glaube, in Österreich gibt es das Plagiat nicht.  Nur nicht so strahlende Disses. Statt summa cum laude, nur summa cum passtschon.
Da wo ich herkomme, stand der Dialektausdruck «plagieren» für Angeben, Großtun, das Maul aufreißen. Auch sehr schön. Kommt aber eher aus dem französischen «blaguer» (Witze machen), was beweist, dass für den Berner Oberländer der Prahlhans doch nur ein Clown ist, was ja nicht die übelste Betrachtungsweise ist.

Was die Politos anlangt, so wäre da vielleicht mal ein «Plagiatsschnitt» angesagt. Schuldenschnitt für Griechenland, Plagiatsschnitt per nostre Politos. Denkt darüber nach.

Und zu guter Letzt stieß ich selber noch auf eine Art Plagiator. Der Kollege Daniel Kehlmann, heute, in «Sternstunde Kunst», leitete das lange Porträt – in einem Nachen sitzend – mit einem fast wortwörtlich übernommenen Graham Greene Zitat ein:

«Zuweilen frage ich mich, wie alle, die nicht schreiben, komponieren oder malen, es zuwege bringen, dem Wahnsinn, der Melancholie und dem panischen Schrecken des menschlichen Daseins zu entfliehen»

Natürlich ohne den Autor zu nennen.
Aber, und diese Möglichkeit muss eingeräumt werden: Vielleicht hat Kehlmann es nur nacherfunden? Oder es gehört so selbstverständlich zu seinem Leben, dass er vergessen hat, dass nicht er der Urheber ist. Oder Graham Greene hat es von ihm geklaut.

Ich plädiere für Plagiatsschnitt.
Wenn ich allerdings bedenke, dass uns die Plagiatsjäger diesen adligen «blague» vom Hals geschafft haben, bin ich mir nicht mehr so sicher. Wie in allem anderen auch nicht.

Hängende Muskeln

Ein, an und für sich, ganz kluger Theatermann sagte es einmal zu mir, und in letzter Zeit, da Arnold Schwarzenegger seine Bio veröffentlicht hat, kann man es immer wieder lesen, und es ist immer noch so dumm und ignorant wie in den sechziger Jahren, als die ersten Bilder von Bodybuildern auftauchten: «Der kann mit seinen Kunstmuskeln nicht mal einen Sack Zement heben!» und vor allem:
«Im Alter wird das alles herunterhängen!»

Mit «Alles» meinen die Schwachos die Muskeln, die sich einer angearbeitet hat. Zum Beweis werden Fotos von Schwarzenegger bemüht, die einen alternden Mann in Badehose zeigen, einen massigen Typen mit Plautze und Hüftspeck, und unsere Hühnerbrusthollidiliüs bejubeln den Niederhang der Muskeln.
Das Leben hat die Weichis gerächt. Glauben sie.
Aber das, was da hängt, ist die Fettn, wie der Ösi sagt, und die Fettn ist dem physiologischen Prozess des Niedergangs eines jeden Mannes geschuldet, wenn der Testeronspiegel sinkt, usw., unvermeidbar, wie der Tod. Könnte man, wenn man nicht ein weicheiiges und rachsüchtiges Pfeifchen wäre, in jedem Gesundeheitsbuch nachlesen. Oder bei Google nachkucken.

Und wenn wir gerade bei Stärke sind: Schwarzenegger (und auch meine Wenigkeit) werden mit 80 noch so viel Power haben, wie die Schreiberlinge es mit 25 nicht hatten. Auch mit Fettrand.

Aber wie schon der geniale Werner Kieser, der jahrzehntelang von Ärzten und Physiotherapeuten wegen seiner Rückenschule geschmäht wurde, sagte: «Es braucht mindestens eine ganze Generation, bis eine als unsinnig und falsch erkannte Behauptung von der Gesellschaft als falsch und unsinnig akzeptiert wird.» (sinngemäßes Zitat)

Worte. Viele Worte.

Ich lese gerade ein Buch, das ein Film sein möchte (und eigentlich einer ist!).
Es ist ein dickes Buch. Ein verdammt dickes Buch. 800 Seiten à 36 Zeilen.
Ich misstraue dicken Büchern. Für einen Freund von mir, ist Dicke gleichbedeutend mit Güte. So irgendwie. Er würde dieses Buch lieben, in dem man andauernd auf solche Sätze stößt: «Mit schlafwandlerischer Sicherheit führt Gary seinen Kumpel durch den dunklen Flur, dreht sich um und greift nach dem runden Handlauf des Treppengeländers. Einen Moment lang hält er inne, genießt die Erinnerung an die angenehme Rundung.»

Gut. Viele Worte. Aber warum? Und wie muss ich mir das vorstellen? Wenn Gary sich umdreht und «inne hält», was macht da sein Kumpel? Lascht der in ihn rein? Oder kann er vorher noch abbremsen? Und was ist eigentlich «schlafwandlerische Sicherheit»? Ich weiß nicht, was Schlafwandler tun, wenn sie  in Aktion sind. Und wie kann man eine «angenehme Erinnerung» an die Rundung eines Handlaufs «genießen», und will ich das wirklich wissen? Und vor allem: warum ist all das wichtig?
Ja, ich weiß, ich bin deppert. Aber das Buch ist dick und andauernd bleib ich an solchen Sätzen hängen. Ich werde Jahre brauchen, um es zu lesen.

Ich bin ungerecht. Da bemüht sich ein Autor, die Hölle eines Drogenviertels zu schildern, das Leben eines Dealers und Junkies inmitten von Müll und Wahn, und ich mäkle an Sätzen rum. Das ist nicht fair.
Aber so ist es eben: Im Leben und im Lesen gibt es keine Gerechtigkeit. Und im Fußball auch nicht. Nicht mal beim Boxen. Genaugenommen, nirgends.

Das ist schmählich. Das ist Schmach. Darum gefallen mir die Arbeiten des Künstlers Julius von Bismarck, der Berge und Ozeane peitscht, so gut. Er versucht, ganz allein, mit der Schmach ein Mensch zu sein, fertig zu werden. Das ist, irgendwie, heroisch.

Ich weiß nicht, was ich mit dem Buch machen soll. Ich verstehe nicht, von wo sich ein Autor so viele Worte besorgt. Als würden sie auf Bäumen wachsen.
Ray Chandler sprach sich einmal gegen das Diktieren von Texten aus. Er war der Meinung, dass, wenn der Autor die Worte selber hinschreiben musste, er dafür sorgen würde, dass sie auch Gewicht haben. Der gute, alte Ray. Heute gibt es nicht mal mehr Schreibmaschinen. Und keiner hat mehr Zeit.
Darum gilt immer noch Harry S. Trumans Antwort auf die Kritik, an seiner etwas lang geratenen Rede: «Sorry, aber ich hatte keine Zeit mich kürzer zu fassen.»

Das Sprüchemuseum (15)

«Ich denke gerade darüber nach, wie stark der ist. Und ob dieser Wunsch nicht vielleicht eher von meinen Eltern oder der Gesellschaft stammt», sagte die Schauspielerin Birgit Minichmayer – die gerade von «einem Kinderwunsch umgetrieben» wird – zur «BamS».

Wir sagen: Sagenhaft, für was alles «die Gesellschaft» herhalten muss! Manchmal tut sie einem schon richtig leid, die Arme.

Deutsches Temperament

Heute war die Schlange an der Kasse lang, denn meine Lieblings-Kassiererin, eine Kroatin, pumpte wie immer ihre gute Laune in den Markt, sie ist ein Segen für uns Kunden, sie spricht mit uns, und erzählt, während sie den Einkauf über den Scanner zieht, von ihren Wochenendausflügen, was ihr Sohn und ihr Mann so treiben, und sie gibt auch gerne was von ihrer Lebensweisheit ab, gratis und franko, aber wie gesagt: Es dauert halt ein bisschen.

Hinter mir stand dieser alte Mann, er hatte einen Stock und ein briefdünnes Säckchen von der Feinkost, und so trat ich beiseite und sagte:»Bitte.» damit er vorgehen konnte, und die Kassiererin sah mich an und sagte: «Deutschland.» Einfach nur «Deutschland». Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, denn sie wusste, dass ich kein Deutscher war, und als sie wieder sagte: «Deutschland», fragte ich: «Wieso Deutschland?» – «Naja», sagte sie, «So halt die Art.»

Ich wollte nicht – vor der langen Schlange – zu erkennen geben, dass ich kein Deutscher bin (sowas würde ich, zumindest in Österreich, aus reinem Trotz nie tun!), aber irgendwie so stehen lassen, wollt ich es auch nicht. Es konnte ja nicht an meiner Geste gegenüber dem Alten liegen dem ich den Vortritt gewährt hatte, aber sicher war ich mir auch nicht.

Als ich keine näheren Auskünfte mehr erhielt und mein Einkauf wieder im Wagen war, sagte eine Lady aus der Schlange: «Deutsches Temperament!»

Grundgütiger! Nun war ich hoffnungslos überfordert. Und mich beschlich die Ahnung, dass hier eine Talkshow bei Lanz von Nöten war oder zumindest ein Vorabend in der «Barbara Karlich-Show», um diesem Ding auf den Grund zu gehen. «Deutsches Temperament».

Ich machte mich von hinnen. Das war eindeutig ein Fall für Erwin Ringel, den Österreicherversteher. Aber der ist leider schon lange tot.

Manchmal fühl ich mich so allein!

Große Kunst

GROßE KUNST

Gestern sah ich einen Mann
der den Ozean peitschte
und dann peitschte er
einen Berg.

Er ließ die Bullenpeitsche auch
auf die Freiheitsstatue sausen
aber dann kamen die Cops
und legten ihm Handschellen an.

Der Mann war jung und trug einen
Rauschebart wie mein Urgroßvater.

Endlich wieder mal Kunst
die ich auf Anhieb verstand.