Deutsches Temperament

Heute war die Schlange an der Kasse lang, denn meine Lieblings-Kassiererin, eine Kroatin, pumpte wie immer ihre gute Laune in den Markt, sie ist ein Segen für uns Kunden, sie spricht mit uns, und erzählt, während sie den Einkauf über den Scanner zieht, von ihren Wochenendausflügen, was ihr Sohn und ihr Mann so treiben, und sie gibt auch gerne was von ihrer Lebensweisheit ab, gratis und franko, aber wie gesagt: Es dauert halt ein bisschen.

Hinter mir stand dieser alte Mann, er hatte einen Stock und ein briefdünnes Säckchen von der Feinkost, und so trat ich beiseite und sagte:»Bitte.» damit er vorgehen konnte, und die Kassiererin sah mich an und sagte: «Deutschland.» Einfach nur «Deutschland». Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte, denn sie wusste, dass ich kein Deutscher war, und als sie wieder sagte: «Deutschland», fragte ich: «Wieso Deutschland?» – «Naja», sagte sie, «So halt die Art.»

Ich wollte nicht – vor der langen Schlange – zu erkennen geben, dass ich kein Deutscher bin (sowas würde ich, zumindest in Österreich, aus reinem Trotz nie tun!), aber irgendwie so stehen lassen, wollt ich es auch nicht. Es konnte ja nicht an meiner Geste gegenüber dem Alten liegen dem ich den Vortritt gewährt hatte, aber sicher war ich mir auch nicht.

Als ich keine näheren Auskünfte mehr erhielt und mein Einkauf wieder im Wagen war, sagte eine Lady aus der Schlange: «Deutsches Temperament!»

Grundgütiger! Nun war ich hoffnungslos überfordert. Und mich beschlich die Ahnung, dass hier eine Talkshow bei Lanz von Nöten war oder zumindest ein Vorabend in der «Barbara Karlich-Show», um diesem Ding auf den Grund zu gehen. «Deutsches Temperament».

Ich machte mich von hinnen. Das war eindeutig ein Fall für Erwin Ringel, den Österreicherversteher. Aber der ist leider schon lange tot.

Manchmal fühl ich mich so allein!