«Gehwegschäden» (Roman)

Während das Fäuleton und ihre übersättigten Mietschreiberlinge sich  – wie die Fliegen auf den Scheißhaufen – auf dem leicht aasig riechenden Roman von Christian Kracht «Imperium» niederließen, und der Meister des Bücher-in-den-Kübel-schmeißens, Denis Scheck, gar ein Komplott gegen Kracht zu wittern vorgibt, eine Aussage, die in ihrer Dämlichkeit kaum zu übertreffen ist, zumal der gute Georg Diez für seine Kracht-Kritik dermaßen Prügel bezogen hat (und zwar von der vereinten Kritikergilde!), dass ihm heute noch schwindlig sein dürfte; Prügel, die Krachts Roman in die Bestsellerlisten gepeitscht haben, lese ich, davon vollkommen unbeeindruckt, gute Bücher.

Eines davon heißt «GEHWEGSCHÄDEN» von Helmut Kuhn, ein Roman der mich, den ausgewiesenen Verächter dicker deutscher Bücher, eines Besseren belehrt. Dicke, deutsche Bücher müssen nicht öd sein! Was ne Erkenntnis!
437 Seiten Prosa. Ein Berlin-Roman. Klug, und in den Details kenntnisreich geschrieben, und zwar mit Zug auf’s Tor, stark und schnell, humorig, verzweifelt, lachhaft, schmerzlich wahr, man glaubt mitunter Jörg Fauser sei, schon vor Ostern, von den Toten erstanden oder habe zumindest dem Kuhn die Feder geführt. Nicht der Fauser von 87, sondern der von 2012.
Um was es geht? Um uns, natürlich. Um was sonst?
Kostprobe?

«Erstermaiwiderstand. Gerechtigkeit und Bier. Das Gesetz westlich des Landwehrkanals. Vollkommen degeneriert … Erstemaitour. Terrortouristen. Visagen, Eis und Weißbier kauend, Tourismusterror; einerlei. Da tauchen auch noch diese affig gewandeten Multikampfmusiker auf und terrorisieren ihn (T.Frantz) mit ihrer immergleichen Fünfvierteltaktbeschallung, Sitar, Trommel, Tröte, Bandoneon, Unsinn, Musik ist nicht gegen Gewalt, Musik ist Gewalt.»

Das Sprüchemuseum (4)

«Stellen Sie sich vor, es ist ein Beachvolleyballturnier, und ich würde nicht hingehen!?»

Gerhard Dörfler, FiK-Partei (Freiheitliche in Kärnten), seines Zeichens Landeshauptmann, zu den Repräsentationspflichten und den daraus resultierenden «Anfütterungseinladungen».

(Grundgütiger!!! Man stelle sich das nur mal vor!)

DRECKSACK 3. Jahrgang Heft 1

Was Bene Kramer (Superbastard) für Augsburg, ist Florian Günther für Berlin. Sie sind beide Herausgeber.
Der Schriftsteller und Dichter Florian Günther, von dem gerade neulich ein Hammerteil beim Peter Engstler Verlag erschienen ist: «Ausgemistet» (Gedichte 1989-2011), ein schöner Ziegel, praktisch umsonst, aber voller guter Gedichte, gibt auch regelmäßig unregelmäßig den DRECKSACK, die «lesbare Zeitschrift für Literatur» heraus. 12 Seiten Gedichte, Romananfänge, Storys, und in dieser Ausgabe ein Special zum Tod Carl Weissners, im Februar 2012.
Ich persönlich bin immer auf Seite 2 gespannt. Eine ganze Seite Gedichte. Diesmal von Jerk Götterwind. Immer herzerwärmend, diese Seite, sie lässt einen staunend, glücklich und oft etwas ungläubig zurück: Dass ich das noch erleben darf! Soviel gute Poetry! In deutscher Sprache! Meist erschienen in kleinen, winzigen und noch winzigeren Verlagen.

Diese Ausgabe bringt u.a. Texte von: Lydia Lunch, Günther himself, Götterwind, Auszug aus Hermann Borgerdings Roman «Ausgehöhlt – im Krebsstrudel», Poetry von Michael Hillen, Michael Arenz, Anna Rheinsberg, Marvin Chlada, Susann Klossek, Katja Horn, Max Pfeifer, Urs Böke, Ralf Göhrke.
Rezensionen von Axel Monte, Böke.
Interviews und eben das Special zu Carl Weissner mit Texten von Penzel, Maher, Hermann, Vetsch, Ploog, Niedermann, Haller, Böger, Dobler.

DRECKSACK kostet 2 Euro und kann bezogen werden bei:
edition.In@web.de
etick@gmx.net
heinrich50@gmx.de

SUPERBASTARD Nr. 3

KOLLAPS

Nach der Nullnummer «Bastard» aus dem Jahr 2008 – herausgegeben von Franz Dobler, und erschienen im Alexander Verlag Berlin –  ist das Nachfolgeheft, genannt «SUPERBASTARD» nun bereits in der 3. Nummer erschienen. Das ist mehr als nur nett. Das ist auch unerwartet und bestimmt auch ein wenig unerhört, gibt man ansonsten solchen aus Wut und Kampf und Idealismus herausgegebenen Literaturprodukten die halbe Halbwertszeit einer Halbtagsfliege. Aber der Herausgeber, der Augsburger Poet und Filmemacher Benedikt Maria Kramer lässt nicht locker, und so ist, nach 1 & 2, die Nr. 3 zu haben. KOLLAPS, der Untertitel. Aber nichts da. Zumindest nicht, was dieses Heft anlangt.

Auf 60 Seiten sind Beiträge von 16 Autoren und Autorinnen versammelt. Ein Special: «10 Jahre War On Terror»

U.a. mit dem überaus seltsamen und sehr strange anmutenden «Auszug aus dem Verhörprotokoll Mohammed al-Qahtanis», und befremdenden Fotos von GI’s mit getöteten Irakis.

Im Rest des Heftes gibt es Storys, und einiges an Poetry von Böke, Günther, Kramer, Dobler, Schittko, Pohl und anderen. Mich persönlich freut es, dass ich in den Arbeiten der jungen Dichter richtig gute Dinger finde (Die etwas älteren,z.B. Günther und Dobler muss man nicht mehr loben. Aber lesen sollte man sie.) Da ist richtig was gelungen.

Das Heft kostet € 3.-, und kann bei www.superbastard.de bezogen werden. Oder auch per E-Mail bei verlag@songdog.at.

Schweinebeineinsolvenz

Es gibt ein Bild, das dem Pimperl-Verleger Niedermann vors innere Auge zieht, wenn er den Namen Lojze Wieser hört. Dann nämlich sieht er den Kärtner Verleger, wie der an seinem Stand an der BUCH-WIEN steht, groß und bärig, vor dem prächtigen, cheminéeartig aufgebauten Massiv seiner Prachtbände, schwer und wuchtig wie Barren wertvollen Metalls, die ihre Bedeutung in die Buchwelt hinausholleien, wie der Bergsteiger seinen Gipfelruf.

Wieser ist umringt von Publikum. Da er auf einem Podest steht, überragt er alle um einen halben Meter, all jene, die ihm dabei zusehen, wie er mit einer dünnen scharfen Klinge den gepökelten Quadrizeps einer Wildsau zersäbelt, einer Sau, die er vermutlich eigenhändig in einem Maisfeld von Gotschuchen aufgespürt und mit der Saufeder abgestochen hat. So wirkt er. Zumindest auf unseren eingeschüchterten Pimperl-Verleger, der gerade dabei ist in sich zu gehen. Er muss sich fragen, ob ihn wieder mal der Neid benage. Der hässliche, gratscherte Neid auf die gebundenen Bücher, den Schinken, den Bart, das Publikum, den Ruf, und last but not least, auf die Subi. Und er muss es sich ehrlicherweise eingestehen: Er ist ziemlich neidisch. Nona. Wie sollte es anders sein?

Denn die eigene Produktion, die schmalen, broschierten Bände Prosa, und die noch dünneren Bändchen Poetry des Pimperl-Verlegers, verkommen, gleich schräg gegenüber, in einem Sammelstand, ludern zusammen mit zig anderen Pimperln auf den Regalen, und wirken gegen Wiesers Massiv wie Fix und Foxi Heftchen.

Aber der Pimperl-Verleger gibt vielleicht Fix und Foxi Heftchen heraus, aber er ist nicht dumm. Er weiß, was solche Prachtbände in der Herstellung kosten, und er weiß auch – wenn er die wenig berühmten Namen auf den Buchrücken liest – wieviel sich davon verkaufen lassen.  Was nur schon das Wildschweinbein gekostet hat? Die Standmiete. Der Transport. Das Personal. Aus dieser Marie schnitzt sicht der Pimperl-Verleger locker ein, zwei Jahresproduktionen von seinen Fix und Foxi Büchern.

Aber eben. Es ist Ösi-County. Und hier muss man noch nicht wahrhaben, dass Pracht und Schein noch keinen Inhalt ergeben, und dass es einfach nicht reicht, Subi-Geld in verlustreiche Unternehmungen zu pumpen, so edel, hilfreich und gut, ihr Credo auch sei.

Der Neid des Pimperl-Verlegers verflog. Nicht ganz, aber doch. Der Schinken duftete, aber unser Pimperl war Vegetarier. Er ahnte, dass dies auf Dauer nicht gut gehen würde. So Griechenlandlike. Schulden loswerden, indem man mehr Schulden macht. Und dann, wenn nirgendwoher mehr Kohle kommt, ruft man: Insolvenz, und beschimpft die Welt, weil sie nicht mehr lesen mag.

Heute hat der Verlag des Lojze Wieser, Insolvenz angemeldet. Es fehlt beinahe eine Million Euro.

Ich hoffe, dass wenigstens die Autoren zu ihren Euronen kommen. (Als Autor würd ich nicht darauf hoffen)

Nun zu etwas komplett anderem:

Heute habe ich die Abrechnung für einen Sammelband bekommen, in dem auch eine Story von mir drinnen ist. Er hat sich 749 mal verkauft. Mein Honoraranteil beträgt € 55,78.

Ist das nicht großartig?

Das sind die Labels in der etwas tiefer gelegten Fix und Foxi-Liga.

Natürlich, ohne Schweinebeine.

Mladic und ich

Was einem die Erinnerung für Streiche spielt. Und man hat so gar keinen Einfluss darauf, was auf der Festplatte gespeichert wird. Die banalsten Dinge aus der Kindheit. Nebensätze, gekappte Nebenhandlungen auf verdeckten Nebenschauplätzen, niemals die großen Ereignisse, das Wichtige, Entscheidende, die große Erzählung unserers Tun und Lassens hienieden, immer nur der Ausschnitt, die Miniatur; nicht das Bild das die ganze Story erzählt, nur immer der Popel den man nicht aus der Nase kriegt. Hässlich. Man könnte es satt bekommen.

Heute im Geisteszentrum, zum Beispiel, das Sonntagmorgen Stemmen. Wie hübsch es war. 10 schweigsame Männer auf 400qm, alle mit den Gewichten zugange, während eine Aretha Franklin Gedächtnisjodlerin das tat, was heutzutage als R&B bezeichnet wird: Das Rohr aufdrehen und es rauslassen. Bis der Arzt kommt. Dr. Death. Aber wen juckte es? Ne R&B-Schlampe mehr.

Ich begab mich zum Kniebeugenständer. Machte 20 mit 100, plattete die Hantel auf  60 runter, und machte «Umsetzen». Der Laie darf sich das in etwa vorstellen wie Gewichteheben. Stoßen. Nicht ganz, aber so ungefähr. Und nicht einmal in die Streckung, sondern viele Male.

Wenn ich es tue, muss ich an Ratko Mladic denken. Jenen Ratko Mladic, der des Völkermordes an bosnischen Muslimen beschuldigt ist. Warum muss ich an ihn denken? Ich vermute, weil ich ihn einmal im TV genau das tun gesehen habe, was ich heute Morgen auch tat: Umsetzen.

Das war vor mehr als 15 Jahren. Mladic in Uniform, mit hochgekrempelten Camouflage-Ärmeln. Die Hantel sah aus wie selbstgemacht. Eisenstange und zwei dicke, große Eisenräder an den Enden. Ich konnte sehen, dass er es gut machte, das Umsetzen. Und so hatte ich etwas gemeinsam mit einem Massenmörder. Vermutlich waren wir auch etwa gleich stark, gleich dick. Mladic und ich.

Und nun denke ich jedes Mal an ihn, wenn ich Umsetzen mache. Aber mal im Ernst: Wer will am Sonntagmorgen an Massenmord denken? An das Hinschlachten von Wehrlosen, an kaltblütig SS-mäßig angesetzte Genickschüsse?

Aber ich kann nichts dagegen tun. So gefährlich ist das Bild. Und auch das Wort. Nehmt euch in acht.

Man

«Man ist halt herumgefahren und hat angefangen wahllos auf Leute zu schießen.»

Aussage eines 21 Jahre alten Wieners, der mit seinem 20-jährigen Freund über einen Zeitraum von ca. 2 Wochen, etwa 14 Leute mit seiner CO2-Pistole verletzt hatte.

«Man hat halt…» oder «Man hat sich nichts dabei gedacht» oder auch «Man wollte nicht» – «Man war halt schlecht drauf…» Nicht etwa: «Ich hab halt…» oder «Wir haben uns nichts gedacht…» Man. Ja. Man gönnt sich ja sonst nix.

Strafe? Man kriegte einen Bedingten und den Rat in einen Schützenverein zu gehen. Und wer dort ist, weiß man ja, wenn man es wissen will, aber meistens will man ja nicht, weil man dann darüber nachdenken müsste, dass man da vielleicht einem Straßenschläger den Rat gegeben hat, doch lieber im Wirtshaus die Leute zu verdreschen. Es sehen dann nicht so viele zu, und die öffentliche Ordnung ist gewährleistet. Aber man denkt sich halt nichts dabei. Man.

Man, finde ich, sollte bei der Sprache anfangen.