Genie, Geld und Gejeier

Letzten Sonntag begab ich mich ins Hamakon-Theater zu einer Werner Kofler-Lesung. Der Autor war nicht anwesend, denn er war vor einigen Wochen an Krebs gestorben. Das Lesen besorgten, freundlicherweise, Freunde und Kollegen des Hingeschiedenen.

Der Saal war brechend voll. So an die 130 Leute. Das ist beachtlich. Man könnte sagen, dass der Autor gut daran getan hat zu sterben, denn so ein Theater hätte er live nicht vollbekommen. Nur wäre ihm vermutlich lieber gewesen, der Saal wäre leer, aber er könnte noch immer sein Sonntagsbier im Engländer zischen.

Das Publikum war alt. Aber es gab auch welche darunter, die waren nicht gar so alt. Die kamen eine halbe Stunde zu spät und sahen aus, als stammten sie aus der alten Heimat Koflers, Kärnten, sie sahen aus, als hätten sie ihn persönlich gekannt, damals, als er gerade brunzen und Fut sagen lernte. Aber vermutlich irre ich mich. Wie meistens. Ich bin ein großer Irrer vor dem Herrn. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber ich liege fast pausenlos mit meinen Annahmen daneben. So glaube ich auch, dass Werner Kofler sich a bissl für ein Genie gehalten hat. Das ist nur normal hier. Das tun fast alle. Ich glaube langsam, dass die meisten die nach Wien gehen sich irgendwann für Genies halten. Das macht diese besondere Wiener-Luft. Man gönnt sich ja sonst nix.

Und ich glaube auch, dass die Steigerung von Genie, das «verkannte» Genie ist. Das ist überhaupt das Größte. Genie, und verkannt. Geiler geht’s nimmer.

Werner Kofler war natürlich nicht verkannt. Das ärgerte ihn vielleicht hin und wieder, und er war der Meinung, dass der Jandl ihm ab und an einen Preis hätte geben können. Und nicht immer nur Friederike Mayröcker und Robert Schindel.

Das ist so eine Sache mit den Preisen, hier, in Österreich. Der Maler Cornelius Kolig bastelte aus Holz und Schnurzügen eine Handattrappe, damit er Jörg Haider nicht seine fleischliche Hand geben musste, als der ihm den Kärtner Scheißhauslandessuperduper-Preis verliehen hatte.

Oder ganz super berühmte Autorinnen gehen nicht zur Presiverleihung, lassen sich aber den Raps auf’s Konto überweisen. Man hat eben ein bisschen ein gestörtes Verhältnis zum Staat in diesem Staat. So ein wenig DDR-mäßig. Es ist ja nicht alles schlecht. Das wusste auch Werner Kofler, wenn er seine Kollegen, literarisch, in die Pfanne haute.

Aber eben: Die fehlenden Preise. Das macht einem zu schaffen. Das Geld. Und so. Schnitzler war Arzt. Kafka Bürolist. Benn war auch Arzt. Céline ebenfalls. Und dazu noch einer, der die Leute umsonst behandelte. Jawohl. Das Geld. Bukowski schuftete als Hafen-und Schlachthausarbeiter. Miller arbeitete als Personalchef einer Telegraphenfirma und schnorrte noch mit 65 gebrauchte Cordhosen. Hemingway war Journalist. Büchner starb vor der Berufswahl. Glauser war Fremdenlegionär. Cendrars Hungerkünstler und Plantagenbesitzer. Rimbaud handelte mit Waffen.

Schriftsteller? Seltsamer Beruf, könnte man meinen. Das alles reicht doch. Da muss man doch nicht auch noch ein Genie sein.

Nach Theweleit tritt das Genie massiert in Untertanenkulturen auf. Es ist das künstlerische Äquivalent zum Diktator.