Es ist wieder Bachmann

Dieses Wochenende ist Bachmann. Eine schöne Zeit. Der Fernseher geht um 10h 15 an, und um 15h wieder aus. Die Stimmen der Autoren, und die Stimmen der Juroren bilden die akustische Folie für mein täglich Tun. Ich koche, lese, schreibe, und schimpfe mit den Kindern; all das tue ich mit Literatur. Ich geh auch Lulu mit Literatur. Und der Kritik von Literatur. Manchmal sehe ich im Tele-Text nach der Bio des Autors. Es haben (fast) alle studiert. Keiner war z.B. Söldner im Balkankrieg. Es gibt auch keine Prostituierten unter den Autorinnen.

Ein Schweizer Autor schrieb einen Text über einen Arzt im Afghanistankonflikt. Er bekam viel Lob. Ich putzte gerade meine Zähne während er las, und danach stauchte ich meine Kinder zusammen, weil sie rumstritten. Das dauerte (weil die Girls sind zäh), und so verpasste ich fast alles. Nicht verpasst habe ich das Lieblingswort des Jurors Paul Jandl. Das konnte man nicht verpassen. Er sagt so oft «Text», dass man Brechreiz bekommt, und dem nächsten Menschen auf der Straße, der zu einem frech «Text» sagt, aufs Maul hauen wird. Aber ich ging dann kochen. Mit Text-Brechreiz. Etwas asiatisches. Mit viel Ingwer. Das ist gut gegen «Text»-Brechreiz. Das kann man überall nachlesen.

Als Frau Rabinovich dann auch noch «Text» sagte, hängte ich mich ins Netz, und las «Standard online». Über Bachmann, natürlich. Da stand:

«ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz erklärte den Wettbewerb in seiner Begrüßung zur «resistentesten und möglicherweise renitentesten Casting-Show» und kündigte an: «Wir werden vier Tage lang gebannt zuschauen, wie Herr von Spinnen (Juryvorsitzender Burkhard Spinnen, Anm.) Dieter Bohlen in die Schranken weisen wird.»

Dann ging ich wieder zum Gerät. Nachsehen. Aber Bohlen war nicht da. Hat vermutlich den Schwanz eingezogen, ist abgehauen. Spinnen formuliert druckreif. Und Ingwer-scharf. Ich wünschte, Bohlen wär nicht abgehauen. Jetzt wird man sogar schon im «Standard» angelogen. Was soll man noch glauben?

Ein Österreicher schrieb seinen «Text» im Passiv. Aber natürlich höchst aktiv. Falls ich in nächster Hinkunft wieder mal in eine Buchhandlung käme, sähe ich mit großer Wahrscheinlichkeit den Roman des «Passiv-Mannes», und die Kunden, die vor dem Stapel stünden, würden «Ist das nicht dieser wahnsinns geile «Passiv-Roman»?» sagen. Das war jetzt im Konjunktiv. Glaub ich, wenigstens. Aber. Ist. Das. Nicht. Wurscht? Wenn sie sowas lesen, ist es von Frau Streeruwitz. Meistens. Das sag ich einfach nur so. Damit ihr sehen könnt, dass ich was auf dem Bildungskasten hab. Ein einfacher Mann wie ich. Unstudiert.

Schätze, es wird Zeit für den «Konjunktiv-Roman» oder die «Plusquamperfekt-Novelle». Das sind die literarischen Herausforderungen, die uns im 21. Jahrhundert noch bleiben.

Meine Mädchen lesen. Beide. Die Jüngste entdeckt es gerade. Sie ist sieben. Während die anderen Mädchen im Theaterworkshop «In eines andere Haut schlüpfen» die «Topmodells» mimten, machte sie die Reporterin. Mit selbst gemachtem Mikro. Und Heidi Kuh (©Papa), findet sie nicht so gut.

Na, ich weiß nicht. Morgen geh ich ins Geisteszentrum. Gewichte stemmen. Da gibts überall Monitore. Ich hoffe mit Bachmann. Aber wetten würde ich darauf nicht.

2 Antworten auf „Es ist wieder Bachmann“

  1. ich vermute, ingeborg bachmann wuerde sich ausserordentlich nerven, wenn sie wuesste, welch ein zirkus aus ihrem vermaechtnis gemacht wird…

    betrunken im bett mit tabletten intus zu rauchen und dabei ein nachthemd aus kunststoff zu tragen ist eigentlich nicht fernsehtauglich. oder?

    wie verschwende ich meine jugend, wenn ich bereits alt bin?

    fragen ueber fragen,

    christoph b.

  2. Mein Bruder war Soldat. Er hat für Frankreich in der Legion gekämpft – in Krisengebieten, im Golfkrieg, in Brasilien Industriespionage betrieben und sich eine Kugel eingefangen. Er hat nicht studiert, aber ein Tagebuch geführt, das nun unter Top Secret auf meinem Computer zu finden ist. Er ist gestorben. In einem Krankenhausbett bei Marseilles. Ich hätte ihm gern geholfen. Aber ich musste zuschauen, wie ein fremder Mann vor mir verreckt. Nur seine Augen haben noch gelebt. Seinen Computer habe ich mitgenommen. In einer Laptoptasche, die ich unter seinem Bett fand. Beim Zoll am Flughafen holten sie das größte Klappmesser aus der Tasche, das ich je gesehen habe. Ich bin nun registriert. Aber das ist mir egal. Ich könnte ab jetzt Angst haben, dass mein Telefon abgehört, mein Konto überprüft wird, das volle Programm eben. Aber das ist mir zu anstrengend. Ich bin zurückgeholt worden. Auf den Boden. Ich werde das Tagebuch übersetzen lassen (ich kann kein Französisch). Von meinem Sohn. Für 5,- die Seite. Da lernt er auch noch was dabei. Als Pädagogin schau ich auf so etwas.
    Mein Bruder war Soldat, und ich habe dazu auch einiges zu sagen. Das wird kein Bachmann, das wird Knochenarbeit.

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