55-Wort Stories Vlll.

Die Knie durchgedrückt, knarrend im Hüftgelenk, neigt sie sich den Salatköpfen zu. Zusammen mit ihrem Einkaufswagen blockiert sie die halbe Gemüseabteilung. Sie vergisst die Welt um sich herum. Im Supermarkt hat sie eine Wahl. Da kann sie gewinnen. Den besten Salatkopf von allen kriegen. Sie unterzieht jeden einzelnen einer FIngerdruckprüfung. Es wimmelt von Siegern dieser Art.

Süße Algorithmen

Einer wie ich, lebt in Wien dissident. Was das bedeuten soll? Er findet in keinem hier erhältlichen Periodika, keiner Buchhandlung, keinem CD-Laden den Stoff, den er für sein geistiges Überleben braucht. Ein Dissident sucht in der Buchhandlung gleich den Weg zur Bestellung, weil er weiß, die ham das nicht, die ham halt die Bestseller und die ham die heimische Bio-Literatur, aber die ham noch nie was von Nick Tosches gehört. Zum Beispiel.

Weil dem so ist, latscht der Dissident nicht mehr in örtliche Buchhandlungen, sondern er begibt sich gleich elektronisch zu Amazon.de oder sucht bei «booklooker.de». Und Amazon speichert die Suchanfragen, vergleicht sie mit anderen usw. und es entsteht ein Algorithmus, und dieses süße Kerlchen weiß, was den Dissidenten interessieren könnt. Und wahrlich, ich sage euch, das ist eine gute Sache, denn während in der Presse jeweils die drei gleichen Bücher 2 Wochen lang rauf und runtergeorgelt werden, Bücher, die einen interessieren wie ein Gespräch über Thomas Gottschalks neuestes Haarteil, so arbeitet der Algorithmus auf vollen Touren und macht mir brauchbare Vorschläge. So stieß ich auf z.B. auf den «Lumpenroman» von Roberto Bolano. Klasse.

Und wer die Algorithmen-Kiste weiterdenkt, kommt unweigerlich zum Schluss, dass hier die Arbeit des Schriftstellers neu erfunden wird. Der Algorithmus wird uns sagen, welches Thema, welcher Stil, welcher Umfang als nächstes dran sein wird, und der Autor wird sich hinsetzen und das Buch der Zukunft schreiben. Wer Glück hat wird einen Schriftsteller-Job an Land ziehen, und in Hinkunft in einem dieser Autoren-Großraumbüros sitzen und an den von Algorithmen berechneten Romanen arbeiten.

Ich gebe gerne zu, dass mir diese Vorstellung gefällt. Jedenfalls besser, als der Müller den man mir in den Wiener Buchhandlungen andrehen möchte.

Henks Gastblog

Ich habe dem Drängen und Werben meines Lieblingfeindes Henk nachgegeben, und räume ihm hin und wieder Platz für ein Gastblog zu Society-Themen ein. Ich lehne, als gelehriger Österreichschüler, jede Verantwortung ab. (A. N.)

QUATSCH MIT HENK UND HASS VOM FASS

Der alte Chazz sagte immer: «Wenn’s von hinne kömmt, dann kannst es nicht lecken.» Was er damit meinte? Zero Ahnung. Aber er sagte auch:»Dem Volk ist nicht zu trauen.» Damals hat er sich mit som Dichter gekabbelt, Carlos Sandkiste oder so, ne, Sandburg hieß er, der soll irgend son Gedicht geschrieben haben, von wegen Volk und so, es sei das Wichtigste, Mutigste, Edelste was gibt. Aber der alte Chazz widersprach dem ockigen Sandkistchen, und meinte, das Volk sei verlogen, grausam und opportunistisch (tja, Leute, auch solche Wörter kennt der Henk).

Wenn man nun mal das deutsche Volk hernimmt, so gilt das Chazz-Urteil nicht. (Obschon er ja immer recht hat, der zu früh Dahingeschiedene.) Das deutsche Volk ist klasse. Das deutsche Volk ist sich seiner Schuld bewusst, und dem deutschen Volk tut es leid, was es damals angerichtet hat.

Gerade in den letzten Tagen, kriegten wir wieder ’n Häppchen Schuldeingeständnis, vielmehr, ein verdammtes Menue mit richtig Nachschlag, denn wir wurden Zeugen wie die Deutschen – vor allem jene aus dem Katholen-Bayernland -, sich so schuldig fühlen, dass sie aus Zerknirschung darüber, sogar dem Heucheltum und dem Kindsmissbrauch abschwören und zum mosaischen Glauben konvertieren.

So sieht es aus. Die Bayern und Millionen Deutsche konvertieren, verlassen ihre Religionen und wechseln zum Judentum. Es wurde ihnen in letzter Zeit klar, dass das Christentum ein verdammter Irrtum ist. Falsch, pure Irrläuferei und so, denn, und jetzt spitzt die Öhrchen und räumt die Ameisenscheiße aus dem Weg: Der Erlöser ist noch NICHT angekommen. Jesus war nichts anderes als so’n jüdischer Unruhestifter, ne Art «Stuttgart21-Rebellenprolet», der dann ein bisschen zu weit gegangen ist. Nicht mehr. Die Juden ham recht, wenn sie noch auf den Messias warten. Dass sich gerade die Bayern so ohne weiteres von ihrer Religion trennen, wer hätte das gedacht, mein lieber Schurl. Einer Religion, die ihnen erlaubt zu heucheln und nach Herzenslust zu betrügen und von den anderen Tugendhaftigkeit einzufordern. So was geben die auf? So was tauschen die ein. Warum?

Sie ham den wahren Erlöser gesichtet. Er wurde gesehen. Man weiß – auch wenn er sich gerade wegen Unpässlichkeit in seine Gemächer zurückgezogen hat-: Er weilt unter uns.

Vergesst den Loser am Kreuz. Ein Betrüger. Wie Milli Vanilli, ein Fälscher wie Kujau, ein Blender wie Schröder. Der wahre Messias war noch nicht da. Na ja, nur kurz halt. Aber er kömmt. Runter von seinem Schlosse zu Guttenberg. Wartet noch ein Weilchen, bereitet seine Ankunft vor.

Da staunt man. Wer hätt’s gedacht? Halb Bayern, halb Deutschland zum mosaischen Glauben konvertiert. Es gibt noch Überraschungen.

Vielleicht war’s das, was der alte Chazz gemeint hat: «Wenn’s von hinne kömmt, dann kannst es nicht lecken.»

Christoph Bauer: «Der Bericht»

Der Schweizer Schriftsteller Christoph Bauer ( “Ekstase», “Mikromelodramen” “Die selbstreflexive Endlosschleife” u.v.m. ) hat ein neues Buch geschrieben. Er schickte das Typoskript an den Songdog Verlag. Er schickte keine Pdf-Datei, die dann von einer der hier herumwusenlnden Praktikantinnen auf einer unserer vielen, herumstehenden Druckern ausgedruckt wurde, sondern ein gewichtiges Stück Papier. (So macht man das, Kollegen!)

Ich dachte sofort, nein, das geht nicht, nicht schon wieder ein dickes Buch, ein Roman gar; denn dicke Bücher in kleinen Auflagen sind für schmalste Budgets von Mini-Verlagen eine Bedrohung. Besonders für den einzigen Nicht-Staatsverlag Österreichs, der auch noch, gleichsam mit seinen Steuergeldern, die Konkurrenz mästet, und ihr diese toll aufgebrezelten Ausgaben ermöglicht, die sich genauso wenig verkaufen, aber die durch die Subi richtig zulangen können.

Ich fing dann doch zu lesen an. In drei Zügen hatte ich es durch. Ich empfand Dankbarkeit. Wie lange hatte ich kein Buch mehr in die Finger bekommen, bei dem ich mich bereits bei der ersten Lesepause darauf freute, das Teil wieder aufzuschlagen? Lange, lange.

Christoph Bauers «Der Bericht» ist ein Bekenntnis. Es ist das schonungslose, aufrichtige Confiteor eines Mannes Anfang seiner Fünfziger, einer, der sich (und uns auch) fragt, wo eigentlich alles geblieben ist? Die wilden, trunkenen Jahre? Der Aufstand? Die Rebellion? Die Träume? Ja, auch die Träume. Und er hält diese Träume wie einen fadenscheinig gewordenen Teppich gegen das Sonnenlicht und sieht sich die durchgetretenen Stellen an. Er schont sich nicht. Er schont uns nicht. Seine Weggefährten. Die Freunde. Die Feinde.

«Der Bericht» ist mehr als ein mutiges Buch. Es fordert auch auch den Mut des Lesers heraus. Keine Eso-Tunke a la Coelho, kein weichgespültes «Literatur-Soma» das dem Leser wie einer süchtigen Laborratte mit der Pipette eingeträufelt wird, sondern richtiger Stoff. Und ich scheue mich nicht, «Der Bericht» in einem Atemzug mit «Kohelet» dem Buch des Prediger Salomo, zu nennen.

Der Leser wird keine einzige larmoyante Zeile finden, aber viele, deren dunkle Poesie ihn berühren werden, und er wird, wenn es ihm ernst ist, seinen Mut, am Mut des Autors messen müssen, und sich fragen: Wie schaut’s denn bei mir aus? Was ist wahr? Und was ist Batacca?

Wer mehr wissen will, kann sich auf der HP des Verlags informieren.

Wer bis Ende März bestellt, erhält das Buch (versandkostenfrei) zum Subskriptionspreis von CHF 20.- / Euro 13.- (Danach CHF 25,- / Euro 16.-

«Der Bericht» erscheint im April 2011.

Wer das Buch besprechen möchte, kann beim Verlag ein Rez.Ex. anforden.

Bestellungen: verlag@songdog.at

55-Wort-Stories Vll.

Ole war Manager gewesen. Nun züchtete er Schweine und schrieb Bücher über sein verfehltes Topverdienerleben. Der Speck seiner Schweine war begehrt. Der Schinken auch. Die Bücher sowieso. Die Leute fanden es riesig, dass aus dem Topmanager ein Schweinefarmer wurde. Einstein sagte: «Das All und die menschliche Dummheit sind unendlich. Beim All bin ich mir nicht sicher.»

Henks Gastblog

Ich habe dem Drängen und Werben meines Lieblingfeindes Henk nachgegeben, und räume ihm hin und wieder Platz für ein Gastblog zu Society-Themen ein. Ich lehne, als gelehriger Österreichschüler, jede Verantwortung ab.

QUATSCH MIT HENK UND HASS VOM FASS

Heute ist Opernball. In Wien. Inzwischen weiß das alle Welt, und jeder Funktionalanalphabet kennt den Namen Lugner, den Baumeister Mörtel aus der Lugnercity, der Alte mit dem Viagra im Nachtkastl, der Nudelsuppenkasper, der mit seinen Opernballgästen immer für mächtig Wirbel sorgt.

Heuer hat er sich die Berlusconischlampe gerissen, das Ruby-Bambi, die 18 Jahre junge Ficke, deren Anwesenheit schon im Vorfeld die Wiener-Society aufmischt. Etliche Doppelnamen Sissis haben aufgestöhnt, als hätten Berlu und Gaddafi insieme, von der Loge aus aufs Parkett gepisst, und schickten sich nun an, aus dem alten Trällertempel den ultimativen Puff für greise Viagrajünger zu falten! Origami für Milliardäre.

Mein leider viel zu früh dahingeschiedener Freund «Chazz» hatte mal bemerkt: «Die Hure inflationiert das Währungssystem Möse. Darum wird die Professionelle von den Ehefrauen so gehasst.» Und Chazz hatte eigentlich immer recht. Darum müssen sich die Sissis halt nochmal die Vulva nachdesignen lassen, ab unters Messer, und ma wech mit die Lefzen. Und grenzgenial ist auch, dass die Abkauer aus dem ORF die Weisung ausgegeben haben, dass die Kommentatoren sich der Nutte nicht nähern dürfen. Nicht mal mit schlaffem Mikro.

Tja, und als der adlige Meister Hohenlohe verlauten ließ, «dass man von den meisten Ladies ja nicht wisse, was sie können, aber von Ruby schon», fand man das wiederum geschmacklos. Aber, muss ich da einwenden, die Wahrheit schert sich nicht um Geschmack, denn sie ist kein Kondom und schmeckt nicht nach Himbeere, Erdbeere oder Eisbärin. Und dem alten, geilen Faun aus der Lugnercity gehört endlich der Staatspreis verliehen, der Leninorden, den Honeckerplämpel am güldenen Band oder die Marxbrothers Kastagnette auf Hosenträger, weil er doch der letzte beknackte Anarchist in diesem degoutanten (solche Wörter kenn ich auch, Freunde) Societysumpf ist, der noch gefürchtet wird.

Hold on.

Es ist einfach schön

Deutschland hat allen gezeigt, dass es nicht gewillt ist, Österreich zu werden. Das ist einfach schön. Wenn es Deutschland nicht gäbe, man müsste es erfinden. Für uns wenige Viele, die wir immer noch nicht in der Lage sind, Betrug als common sense, Lüge als Bedingung, Anstand als «Nach-ihnen-bitte»- Entbietung (wenn es darum geht in die Staatskasse zu langen) zu verstehen. Es ist einfach schön, dass man einen Blinker als Blinker entlarvt, sein Geschwurbel (dass viele Bildzeitung-Leser als geschliffenes Deutsch missverstehen) nicht unwidersprochen hinnimmt, und als gesättigte Cumuluswolke der Ausreden und Abputzerei erkennt.

Und es ist schön, dass die «Bild» nun doch nicht die «Krone» machen kann. Es ist schön.

Und es ist schmerzlich. Schmerzlich, weil es einem in deprimierender Eindringlichkeit klar macht, dass es in dem kleinen, hoffnungslos korrumpierten, sich auf dem Weg zur Berlusconisierung befindenden Österreich, niemals so gekommen wäre. Mai, jamais, never! Die ÖVP hätte den Mann nur schon als Machtdemonstration im Amt belassen. Denn diese Burschen und Mädchen halten Anstand und Aufrichtigkeit für eine Kardinaltugend. Die sich die anderen gefälligst zu eigen machen sollen. (Siehe CSU)

Gerade muss der Chef der «Fiker» (Freiheitliche in Kärnten) der Scheuch Uwe, vor den Richter, weil er einem reichen russischen Was-weiß-ich-was gegen eine Millionenparteispende die Staatsbürgerschaft angetragen hat. (Davon gibt es einen Tonbandmitschnitt.) Er wird frei und gestärkt aus der Sache herauskommen (wie die Kleptokraten der Hypobank, der steuerhinterziehende Ex-Finanzminister), und die den Grünen Holub zum bitteren Ausspruch: «Dieses Land kann einer auch aus dem Gefängnis heraus regieren.» inspirierte. Aber so was hält man hierzulande für Ironie …

55-Wort Stories Vl.

Dany stand am Fenster, starrte in die Nacht. Etwas quälte ihn. Er hatte etwas gewollt, und er hatte es bekommen. Er wollte es nicht mehr. Warum war das so? Die Buddhisten hatten recht: Nicht begehren. Man soll sein wie die Nacht, die kam und wieder ging. Spurlos. Irgendwann spürte Dany, dass die Frau weg war.