Der eine Dicke, von zwei Dicken

Heute Morgen im Geisteszentrum, eine wunderbar ruhig konzentrierte Atmosphäre, geradezu männlich, fand der Dicke; alle schweigsam, kein Getue, kein Geschrei, nichts dergleichen. Zwei große Schwarze, zwei Südostbalkanier und zwei Dicke am Eisen, so, wie es sich gehörte, und der eine Dicke dachte danach auf dem Heimweg über das nach, was er heute nicht schreiben würde. Die Liste wurde lang. Zum Beispiel würde er nicht über den Dioxin-Skandal schreiben. Das lohnt nicht. Der Dicke würde, wenn er was zu sagen hätte, lediglich die zulässigen Werte erhöhen. Damit wär das Problem ein für alle Mal gelöst. Einfach bei jedem neu aufflammenden Skandal die Werte anpassen. So würd’s der Dicke machen. Die Leute wollen’s so. Es ändert sich ja nie was. Man könnt’s ja ändern, aber man will’s nicht. Also wozu aufregen? Außerdem isst der Dicke ja eh kein Fleisch. Er isst ja nicht blöd. Der Dicke.

Zu Hause schnitt er sich eine Banane klein, eine große Birne und ein Stück Ananas. Er ass alles auf, während er weiter darüber nachdachte, über was er nicht schreiben würde. Die Liste wurde noch länger. Dann beantwortete er zwei Mails, und ließ sich ein Bad einlaufen. Er kontrollierte seinen Blutdruck: 75/121. Er war zufrieden. Nach dem Bad rasierte er sich. Seiner kleinen Tochter zuliebe. Sie beklagte jedes Mal den Stachelbart, wenn sie im zum Abschied ein Küsschen gab. So machte er die Welt für einen jungen Menschen ein Stück besser. Darüber wollte er schreiben.

Dann tat er es…

Hadayatullah Hübsch (1946-2011)

Heute steckte der Postbote den Umschlag mit den Gedichten von Florian Vetsch und Hadayatullah Hübsch in meinen Briefkasten, die Gedichte für einen Songdog-Poetry Band im Herbst: Round & Round & Round, eine Art literarischer Schlagabtausch zwischen den beiden befreundeten Dichtern.

Gestern erhielt ich die Nachricht, das Hadayatullah Hübsch gestorben ist.

Ich habe ihn persönlich nicht gekannt. Ein paar Mails, mehr nicht. Eine Absage meinerseits für ein weiteres Buch, das ich so, wie es vorlag, nicht machen konnte und wollte. Seltsam genug, dass ich nun der Verleger eines Mannes werden sollte, dessen Namen mir seit den späten siebziger Jahren bekannt war, vermutlich zum ersten Mal in einem Buch Jörg Fausers gelesen oder in AmoKKomA, Gasoline, im Container, herausgegeben von Benno Käsmayr vom Maro Verlag. Sein Name wurde in einem Atemzug genannt mit Carl Weissner, Udo Breger, Jörg Fauser, Jürgen Ploog, Pociao, Günther Ohnemus, Alfred Miersch, Uli Becker, Christoph Derschau, Matthyas Jenny.

Er gehörte dazu. Zu jenen, die in den siebziger und achtziger Jahren etwas Lesbares aus deutschen Worten destillierten.

Sie waren die großen Brüder. Wie Dylan, Cohen, Neil Young.

Er war der große Bruder.

Die gefährlichsten Verbrecher

In Wiener Neustadt läuft zur Zeit ein Prozess gegen 13 Tierschützer. Sie sind angeklagt eine mafiöse Vereinigung gebildet zu haben, und werden deswegen mit dem sogenannten «Mafiaparagraphen» traktiert. Die Verteidigung wird aufs Gröbste behindert, eingeschleuste (ungesetzlich) Informanten, die Entlastendes zu berichten haben werden nicht gehört, und so weiter und so fort.

Wenn man das Vorgehen der österreichischen Justiz in einem Satz definieren müsste, könnte man sagen, dass hier die gewieftesten und gefährlichsten Verbrecher jene sind, die, um ihre kriminelle Energie zu kaschieren, keine Straftaten begehen, und deswegen vom Gesetz besonders hart angefasst werden müssen.

Ein «Hackler» ist im österreichischen Sprachgebrauch ein Schwerarbeiter. Man hat ein Gesetz eingeführt, dass es diesen Leuten erlaubt, früher aus ihrer schweren, gesundheitsschädigenden Arbeit in Pension zu geben. Die sogenannte «Hacklerregelung». Sie wird zu über 50% von Beamten in Anspruch genommen.

Zufällige Bilanz

Heute morgen erhielt ich die Mail eines Dichters aus dem fernen Genf, in der er mich, unter anderem, zu meiner Arbeit im 2010 beglückwünschte. Ich las erfreut, hielt kurz inne und dachte daran, was es denn war, was ich 2010 so «weggehackelt» habe. Und als ich so darüber nach dachte, kam ich nicht umhin, anerkennend zu nicken. Nicht schlecht, für einen arbeitsscheuen Kerle wie mich.

5 Bücher erschienen bei Songdog (unter tätiger, milder Mithilfe meines Freundes Yvo Egger). Gut. Dann gabs da noch 1 Roman, 1 Theaterstück (zusammen mit Valentin Hitz), Stories für «He shot me down» Rock’n Crime (erscheint im Frühling bei Rotbuch), und ein paar Texte «Österreich ist schön, oder?» (erscheint im Czernin Verlag), & einige hundert Seiten BLOG (gratis und frank und frei). Nicht schlecht. Und all diese Tätigkeiten haben mich so wohlhabend werden lasssen, dass ich noch einen Kochjob annehmen durfte, aus lauter Jux und Tollerei. Man gönnt sich ja sonst nix.

Und jetzt, wo ich so drüber nachdenke, frage ich mich, wo eigentlich all die Preise und Anerkennungsplaketten sind, mit denen andere, noch bevor sie irgendwas publiziert haben, bereits eingedeckt werden? Die Förderungen und Subventionen, mit denen viele der Kollegen so üppig bedacht werden? Die Stipendien und Werkjahre, wo sind sie?

Ich weiß es…

Der beste Morgen aller Morgen

Früh unterwegs zum Geisteszentrum, aber da war niemand, außer einem gegerbten Wesen mit toten, langen, unblonden Haaren, das wartend und rauchend, ebenfalls Einlass begehrte. Kein Licht drinnen. Tot. Dabei hätte bereits seit 10 Minuten offen sein sollen. Aber für solche Ausfälle hat man hierzulande Verständnis. Kein Verständnis darf allerdings ein Beckmesser wie ich erwarten, der kaum Verständnis aufbringt, dass man nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit erscheint. Und sei es auch nur in die Arbeit im Gym.

Ich drehte auf der Hacke um und tauchte wieder ein in die Stille des 1. Januars, des schönsten Morgens in jedem Jahr, vernahm das Klickern der Ampeln von weit herum, als wären wir alle in einem großen Drink zu Hause, wo die Eiswürfel gegen die Glaswand schlagen, ein Geräusch, das man sonst nie vernimmt, denn niemals ist es so still in der City, wie am Neujahrsmorgen.

Ich bin ein Neujahrsmorgen-Fan. Und kein bisschen abergläubisch. Aber dass meine kleine Tochter auf das Antibiotikum reagiert hat, und nun doch nicht ins Spital muss, stimmt mich froh. Die Vorstellung, dass man in diesen kleinen, dünnen, beinahe muskellosen Arm eine Kanüle legt, warf mehr als einen Schatten auf mein Wohlbefinden. Es ist eine vertrackte Sache mit der Vaterschaft. Man leidet nun, anderen wegen. Man sorgt sich. Sonst sorge ich mich nicht besonders. Wozu auch? Ich lass es kommen.

Und eine der schönsten Geschichten die je geschrieben wurden, ist immer noch «Huckleberry Finn», und in der jener Teil, in dem sich Huck und Nigger Jim auf dem Floß den großen Strom runtertreiben lassen. Das Abenteuer erwächst aus der Kontemplation. Man muss es nicht suchen. Es ist da. Immer.

Ein gutes 2011.