Künstlerisches Weicheiertum

Der bayrische Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894-1967), in dessen Vita es von Gelegenheitsjobs, Verhaftungen und «revolutionären Umtrieben» nur so wimmelte, ging 1933 ins «freiwillige» Exil und strandete schließlich in New York. Da seine Bücher von den Nazis nicht verbrannt, sondern nachgerade empfohlen wurden, platzte ihm der Kragen, und er ließ verlauten:

„Verbrennt mich! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!“

Ein Klassiker. Und nun kommt’s: Die Kollegen und Kolleginnen aus der Schweiz, Mitglieder von «Kunst und Politik», ziehen sich diesen «Graf-Stiefel» an, um auf eine Polemik der SVP-Politiker Mörgeli und Brunner zu antworten. Das hört sich dann so an:

Verhätschelte Staatskünstler

Offener Brief an SVP-Parteipräsident Toni Brunner und an Christoph Mörgeli, Verfasser des Textes

Sehr geehrter Herr Brunner, sehr geehrter Herr Mörgeli

Im neuen Parteiprogramm der SVP werden Pipilotti Rist, Christoph Büchel und Mike Eschmann als ‹Verhätschelte Staatskünstler› namentlich genannt. Die Liste scheint mir sehr unvollständig zu sein. Auch ich bin ein verhätschelter Staatskünstler und möchte genannt werden. Darf ich Sie freundlich bitten, mich in Ihr Parteiprogramm aufzunehmen?

Jawoll, das ist unverkennbar der grantig-bayrische-Graf-Sound, ohne Zweifel! Jo mei! Verhätschelter Staatskünstler? Ja. Auch ich bin einer, bittschön, und wären Sie so freundlich, bitte sehr, dem Rechnung zu tragen? Bitte.

Was soll man dazu sagen?

Vielleicht: Hergottsack! Gahts no, ihr Weicheier?!

Oder: Toni Brunner ist ein hochsubventionierter, verhätschelter Amateur-Staatsbauer.

Fremdschämen, ist das Wort 2010.