Ich arbeite noch daran

Meine ältere Tochter, sie wird 13, liest viel. Ihr geht der Lesestoff aus. Sie findet die Bücher aus der nahen Bücherei: Bubi. Oder sie hat sie bereits gelesen. Ich lasse meinen Blick über meine paar hundert Bücher schweifen. Na ja. Sie hat es bereits mit Cormac McCarthy versucht, aber den brach sie ab, weil sie ihn nicht mehr verstand. Jetzt liest sie zum zweiten oder dritten Mal Orwells Farm der Tiere. Auch gut. Als ich so alt war wie sie, hatte ich meine lange Western-Groschenheft-Phase. G.F. Unger. Lassiter et alii.

Jawoll. Und wenn sich die Lady Sorgen um den Helden machte, wusste man, jetzt hat es sie erwischt. Sie ist verliebt. Auch einige meiner Freunde lasen Western. Einer ist heute ein berühmter Regisseur und bekam neulich den Grimme-Preis für einen Krimi auf Amrum. Ich wollte so sein wie Lassiter: Wortkarg, stark, schmalhüftig und breitschultrig, ein Mann, der sein Wort hielt, auf den man sich verlassen konnte, einer, der nie klein bei gab, einen verdammten Weidezaun ziehen konnte, und nicht jammerte, wenn er mal schlechte Karten hatte. Genau so einer. Und ehrlich auch, und gerade heraus. Ein Kerl, der es mit vielen aufnehmen konnte, aber gerecht, und mit dem Herz auf dem rechten Fleck. So einer eben.

Daran hat sich eigentlich nichts geändert. Ich arbeite immer noch hart daran.

Masos

Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die gerne Chillis essen, jene Schärfe am angenehmsten empfinden, die sie gerade noch aushalten können. Der untersuchende Wissenschaftler kam zum Schluss, dass so ein Verhalten nur als Masochismus zu bezeichnen ist.

Die Österreicher geben nichts auf Schärfe. Aber dafür mögen sie es, wenn ihnen politisch auf der Nase rumgetrampelt wird. Sie stehen darauf, dass die vollkommen überflüssigen Bundesländer über alle Belange des Staatswesen bestimmen (und der Bund dafür zahlt!), und tumbe Landeshauptleute die Republik in einen Bauerntrampelstaat verwandeln wollen. Das mögen sie. Da kann man ja nicht auch noch scharf essen, oder?

Jeder Tag ein Sonntag

Ein Dienstag wie ein Sonntag. Eine Woche wie ein Sonntag. Ein Monat Feiertag. Ein Jahr lang Sonntag. Ein Leben lang? Das wäre ein Renner. Und eine Wohnung im «Hundertwasserhaus», das hier Abertausende für Architektur halten. Wiener sein, und in Mödling wohnen. Und alle Tage Sonntage. Das wär’s. Dafür lohnte sich noch zu leben.

So, ich begebe mich an den Herd und produziere äußerst aufwändig «Spätzle» aus Dinkelteig. Mit einem Hauch Zimt. Und schon bald naht, mit Riesenschritten, die Zeit, die erst am 7. Januar ihr Ende findet. Die fürchterliche Einöde der «Festtage», die Redundanz at its best, alle Jahre wieder, derselbe abgestandene Seim den sich alle mit Punsch schönsaufen und glauben möchten, es sei Ambrosia, dabei ist es nichts anderes als die zum Himmel stinkende Unfähigkeit eine überkommene Scheusslichkeit in den Orkus zu spülen.

Aber die Spätzle werden sehr gut werden…

Passt mir nicht

Der Schriftsteller Harry Mulisch ist tot. Ich habe keines seiner Bücher gelesen. Ich könnte es nachholen, wenn ich wollte. Aber er sagte etwas, dass mir nicht gefiel, etwas, das viele erfolgreiche, reich gewordene Autoren in die Mikrofone diktieren: «Ich würde auch schreiben, wenn ich damit keinen Erfolg hätte.»

Daniel Kehlmann sagte es auch. Das passt mir nicht. Ich frage mich, warum sie es sagen? Wollen sie uns versichern, dass sie keine Hochstapler sind? Dichter, die nur so tun, als würden sie mit Blut schreiben, derweil ihr Füller mit billiger roter Tinte gefüllt ist? Dass ihre Lügen nicht vom Herzen, sondern aus der Buchhaltungsabteilung ihrer Schreibfirma strömen?

Der große amerikanische Romancier Raymond Chandler sah die Sache völlig anders. Er wollte gewissermaßen ein Amateur bleiben, jederzeit in der Lage, mit dem Schreiben aufhören zu können. Falls es ihn zu ruinieren drohte. Und leicht hatte er es nicht. Er hockte irgendwann, nach einer abverreckten Karriere als Manager einer Ölfirma, in Hollywood und schrieb an Drehbüchern idiotischer Geschichten, wie «Der Fremde im Zug» von Patricia Highsmith, Stories, die sein Gespür für Charaktere und und seinen Sinn für Kausalität beleidigten. Auch John Fante erschrieb sich seine Miete mit Drehbüchern, und seine wunderbaren Romane wurden erst entdeckt, als Charles Bukowski die Trommel dafür schlug. Aber da lag Fante bereits schwer zuckerkrank und blind im Hospital und diktierte seinen letzten Roman.

Charles Willeford, der seinen Durchbruch kurz vor seinem Tod mit den 4 Hoke-Mosley-Kriminalromanen hatte.

Vielleicht ist Schreiben ein Laster.

Im wunderbaren, kleinen Film «Pofonok» von Men Lareida, wird uns die Welt von ungarischen Preisboxern nahe gebracht, der hermetische Kosmos von Jungs, die täglich in den Gyms trainieren und auf Kämpfe hoffen, auf Einladungen aus Wien zum Beispiel, um sich so den einen oder anderen Schein zu erkämpfen. Es sind Kämpfe, die sie nicht gewinnen werden. Bleiben sie auf den Beinen (und das werden sie!), verlieren sie nach Punkten gegen einen oft schlechteren Mann, der sein Heimpublikum im Rücken hat. Das alles hat nichts mit dem Klitschko-Fernsehboxen-Gedöns zu tun. Aber der Schmerz ist echt. Und auch das Blut und der Schweiß, die mitunter bis in die Bierbecher der Zuschauer spritzen.

Ich glaube, ich werde keines der wichtigsten Bücher von Harry Mulisch lesen.